1. Die eigene Person führen

20.12.2001

Die Führung der eigenen Person ist die wichtigste Voraussetzung dafür, erfolgreich andere Menschen zu führen. Mit anderen Worten: Nur wer sich selbst führen kann, ist in der Lage, andere zu führen. Zur persönlichen Führungskompetenz gehören bestimmte Führungsqualitäten:

- Dialog- und Kritikbereitschaft. Mitarbeiter, die sich für die Firma einsetzen, brauchen einen "Verbündeten" an der Unternehmensspitze. Sie wollen Gehör finden und mitreden können. Hier ist die Dialogbereitschaft des Unternehmers gefragt: Er muss als Gesprächspartner für seine Leute da sein. Das Gleiche gilt für Kritik: Wer als Chef keine Kritik verträgt, erreicht mit Kritik bei den Mitarbeitern nichts - außer Resignation, Ablehnung oder Widerstand. Kritikbereitschaft schließt ein, dass auch der Führende zu seinen Schwächen stehen sollte. Das Motto lautet: Wer nichts einstecken kann, sollte auch nicht austeilen. Es ist ein Irrglaube anzunehmen, eine Führungspersönlichkeit könne sich keine Fehler leisten, solle sie geistig ausblenden oder am besten verschleiern. Ein Chef, der Kritik zulässt und ernst nimmt, signalisiert zwar einen Mangel an Perfektion; dadurch wird er vielleicht angreifbarer, aber ganz sicher authentischer, glaubwürdiger und sympathischer.

- Vertrauen und Selbstvertrauen. Wer sich selbst vertraut, ist innerlich stabil. In geschäftlichen Niederlagen sieht er keine persönlichen Kata-strophen, sondern gelebte Erfahrungen. Ein starkes Selbstvertrauen ist die Basis, die man braucht, um in das Können und den guten Willen der Belegschaft zu vertrauen. Es wäre absolutes Gift für das Betriebs-klima, in jedem Fehler, den ein Mitarbeiter macht, den Beweis für seine Unfähigkeit oder das Unver-mögens des Teams, des Teamleiters oder der Abteilung zu sehen.

- Realistische Selbsteinschätzung. Wer seine Führungsqualitäten über- oder unterschätzt, geht bei Entscheidungen von einer falschen Basis aus. Eine solche Fehleinschätzung ist die Folge des typischen Bildes eines Unternehmers nach außen: stark und furchtlos. Doch "innen" sieht es oft anders aus. Es ist ein Fehler, sich selbst so zu sehen, wie man sich nach außen gibt (oder geben muss). Deshalb sollte man die Selbsteinschätzung der eigenen Person trainieren: Wer sich überfordert fühlt, muss einen Gang zurückschalten und lernen, seine Zeit besser in den Griff zu bekommen. Wer Angst vor Intrigen, Fehlern, Autoritätsverlust, dem eigenen Versagen hat, sollte sich zu mehr Kreativität, Mut und Risikobereit-schaft erziehen und mit Leuten umgeben, denen er vertraut - nicht mit ergebenen Ja-Sagern, sondern mit kritischen Ratgebern.

- Aufgeschlossenheit. Eine Führungspersönlichkeit lässt die Mitarbeiter sehen und spüren, dass sie an deren Ideen interessiert ist - ein wichtiger Motor für Innovationsvorhaben: Wer weiß, dass der Chef für seine Vorschläge aufgeschlossen ist, wird ihn auch gerne informieren und zu Rate ziehen; es entsteht Bedarf an Unterstützung "von oben" - eine große Anerkennung für den, der "oben" sitzt. Aufgeschlossenheit ist besonders wichtig, wenn es um Veränderungsprozesse geht. Da besonders in der ITK-Branche die Produktlebenszyklen kurz sind und die Kundenwünsche sich sehr schnell ändern, muss besonders der Unternehmer für den ständigen Wandel "fit" sein. Beispielsweise muss er akzeptieren, dass es keine Problemlösungswege mit Erfolgsgarantie gibt und sich die Auswirkungen von Entscheidungen nicht vorhersagen lassen. Es ist zugegebenermaßen verlockend, in Zeiten der Unsicherheit auf die alten Routinewerkzeuge und die in der Vergangenheit bewährten Verhaltens-mechanismen zurückgreift. Doch dieser Weg führt in die Sackgasse. Vielmehr ist es wichtig, sich intensiv mit den eigenen Befürchtungen und Sorgen auseinander zu setzen und die Sinne für die Chancen unkonventioneller Methoden zu schärfen. Da Veränderungsprozesse Nichtroutineprozesse sind und als solche weder geplant noch reproduziert werden können, kann man getrost alte Zöpfe abschneiden, Gräben einreißen und die eigenen Vorurteile abbauen. Besonders die innere Einstellung muss stimmen: Ein Unternehmer sollte den Mut und auch die Freude haben, etwas Neues auszu-probieren. Wer selbst offen für Veränderungen ist, kann seine Mitarbeiter und Führungskräfte durch die sich ständig wandelnden Märkte steuern.

- Mit der Zeit zurechtkommen. Was Führungspersönlichkeiten auszeichnet, ist auch ihre Fähigkeit, sich selber "durch die Zeit zu führen", gemeinhin als Zeitmanagement bekannt. Hier wird wieder der Unterschied zwischen Führen und Managen deutlich: Die eigentliche Herausforderung liegt nicht darin, die Zeit zu managen, sondern sich selbst. Sicherlich ist es wichtig und auch richtig, seinen Tagesablauf im Sinne eines operativen Managements zu strukturieren. Doch worauf es wirk-lich ankommt, ist, wie die Person, also der "Inhaber" der Zeit, ihre Prioritäten setzt. Die wichtigste Regel dabei ist, das Wichtige vor das Dringende zu stellen. Wenn etwas der sofortigen Aufmerksamkeit bedarf, dann ist es dringend - beispielsweise ein klingelndes Telefon; es bedrängt einen, nervt, besteht darauf, dass man reagiert - es steht die Zeit im Vordergrund. In der Regel erledigt man dringende Angelegen-heiten gerne als Erstes, weil man sofort Erfolge sieht und dies auch von anderen positiv bewertet wird. Wichtig hingegen heißt, dass etwas zu den obersten Prioritäten, den Werten, den Grundsätzen des Unternehmens beiträgt, beispielsweise das Gespräch mit einem unzufriedenen Schlüsselkunden. Es stehen also die Ziele im Vordergrund. Man muss agieren, um etwas in Gang zu setzen, das reine Reagieren auf das Dringende reicht nicht aus. Die Person an der Spitze eines Unternehmens muss also entscheiden, was wichtig ist - alles andere sollte sie delegieren oder reduzieren.

- Mit Stress richtig umgehen. Wer an der Spitze eines Unternehmens steht, hat einen gut gefüllten Arbeitstag: Telefonate, Besprechungen, Kunden-reklamationen, Probleme mit Mitarbeitern - alle wollen dauernd irgendwas von ihm. Landläufig bezeichnet man diese Situation als Stress. Doch das ist nicht ganz richtig: Stress bezeichnet - ganz unspektakulär - den Anpassungsprozess des Organ-ismus an innere und äußere Anforderungen. Positiv besetzt ist Stress das "Kribbeln" im Bauch, eine Herausforderung, ein positiver Impuls. Positivstress hält den "Körper am Laufen", fungiert als Motor. Negativer Stress, die "Managerkrankheit Nummer eins", hingegen hat massive schädliche Aus-wirkungen - auf den, der unter diesem Stress steht, und auch auf diejenigen, die mit ihm arbeiten müssen. Dem Stress in der Firma muss indes kein Unternehmer hilflos ausgeliefert sein - man kann lernen, mit ihm umzugehen:

- Belastungsfaktoren erkennen. Stressoren in der eigenen Person sind hoher Termindruck, große Verantwortung, der Zwang, alles alleine, perfekt und auf einmal machen zu müssen. Stressauslöser im Bereich der Belegschaft zeigen sich im Misstrauen der Belegschaft gegenüber, das Gefühl, dass irgendwas im Betrieb "nicht stimmt". Stressoren im Marktumfeld sind starke Konkurrenz, Abhängigkeit von Lieferanten oder Kunden, die abwandern.

- Falsches Verhalten ablegen. Typisch sind Flucht, Angriff und Alibihandlungen. Wer vor den Stressoren die Flucht ergreift, schiebt unangenehme Entscheidungen auf die lange Bank, weicht Kritik aus und lässt Probleme, deren Bewältigung eigentlich Chefsache ist, von anderen lösen. Wer mit Angriff reagiert, schreit seine Leute an, ist in Gesprächen zynisch, kontert jede Kritik - und sei sie noch so konstruktiv - mit einem Gegenangriff. Die Palette der Alibihandlungen reicht von Beruhigungsmitteln bis zu rein passiven Freizeitaktivitäten.

- Stress systematisch und nachhaltig bekämpfen. An erster Stelle steht gezieltes körperliches (Spaziergang in der Mittagspause) und geistig-seelisches Entspannen (zwischendurch an etwas Schönes aus dem Privatleben denken). Dann gilt es, die eigene Arbeitssituation neu zu gestalten. Hierzu gehört es, möglichst viele Aufgaben zu delegieren - nicht die Wichtigen, sondern die Dringenden, das Tagespensum in kleine, realisierbare "Etappenziele" einzuteilen und nicht alles oder jeden kontrollieren und überwachen zu wollen. Schließlich muss die innere Einstellung geändert werden: lernen, den Mitarbeitern zu vertrauen und jedes erreichte Etappenziel als Beitrag zum Ganzen anzusehen.

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