Rechtsmissbräuchliche Abmahnung

"Aberwitzig falsch und dreist" - Gericht redet Tacheles

10.10.2008

900 Akten in zwei Monaten in der Provinz?

Der Abmahneranwalt, ein Einzelanwalt aus einer nicht besonders großen Stadt, hatte erstaunlicherweise als Einzelanwalt in den ersten beiden Monaten des Jahres nach Ansicht des Gerichtes bereits 900 Akten angelegt. Dies erklärte sich durch das Gericht ausschließlich dadurch, dass diese hohe Aktenzahl nur durch das massenweise Versenden von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen erreicht werden konnte. Besonders "clevere" Kollegen sind daher in der einschlägigen Szene nach unserer Erfahrung dazu übergegangen, die Aktenzeichen zu verschlüsseln, sodass sich aus dem Aktenzeichen selber nicht zwangsläufig ersehen lässt, wie viele Akten bereits angelegt wurden.

Dies wiederum kann jedoch einen erheblichen organisatorischen Aufwand bedeuten, da einschlägige Anwaltssoftware in der Regel fröhlich durchnummeriert ist. Aus dem Urteil: "Nach üblicher Praxis für die Vergabe solcher Aktenzeichen bedeutet dies, dass der vorliegende Fall, den der Verfügungskläger am 21.02.2008 in Auftrag gegeben hat, der 901. Fall ist, den der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers im Jahr 2008 bearbeitet, das sind umgerechnet mehr als 500 Fälle pro Monat. Dies wäre für einen in Bautzen ansässigen, in einer Einzelkanzlei tätigen Anwalt eine ganz außerordentlich hohe Fallzahl, die allenfalls dadurch erklärbar ist, dass massenweise wettbewerbsrechtliche Abmahnungen verschickt werden. Andere anwaltliche Tätigkeitsfelder, bei denen mit vergleichsweise geringem Aufwand eine solche Vielzahl von Fällen innerhalb kurzer Zeit bearbeitet werden kann, gibt es kaum."

Im Weiteren führt das Gericht aus, es sei eigentlich nicht erkennbar, wo hier die Gefahr für den Abmahner sein soll, dass aufgrund von Wettbewerbsverstößen des Abgemahnten die Gefahr von Umsatz- und Gewinneinbußen zu befürchten sind. Schon fast zynisch führt das Gericht aus "Der Verfügungskläger gibt an, er sei am 21.02.2008 durch die Frage eines seiner Kunden, ob er ein günstigeres Angebot unterbreiten könnte, auf die Auktionsseite des Verfügungsbeklagten gestoßen. Statt sich Gedanken darüber zu machen, ob er seinem Kunden nicht tatsächlich ein besseres Angebot unterbreiten könnte, oder weiter dem normalen Geschäftsverkehr nachzugehen, will der Verfügungskläger vielmehr unverzüglich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verfügungsbeklagten überprüft und noch am gleichen Tag seinen Prozessbevollmächtigten eingeschaltet haben, der ebenfalls noch am gleichen Tag die Abmahnung ausfertigte und an den Verfügungsbeklagten absandte."

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