Anbietern stehen Investitionen in Milliardenhöhe bevor

31.08.2000
Die zuletzt veröffentlichten Unternehmenszahlen entsprachen nicht den Erwartungen. Es wird dauern, bis die Handypapiere wieder zu großer Form ablaufen.

Die Erfolgsstory des Handys ist noch lange nicht zu Ende, behaupten alle Kommentare. In Deutschland verzeichnete der Mobilfunk 1998 rund 14 Millionen Teilnehmer, 1999 waren es 23,5, und für 2000 werden 48 Millionen erwartet. 520 Millionen Menschen nutzen weltweit ein Handy. In drei oder gar zwei Jahren werden es angeblich über eine Milliarde sein. Die Hersteller können gar nicht so viel produzieren, wie der Markt verlangt, heißt es.

Aufschwung läuft nicht mehr problemlos

Das Handy wird zum multimedialen Allroundgerät. Neue Dienste und Techniken wie UMTS sollen für Wachstum sorgen. Der Umstieg in die neue Ära ist jedoch riskant und zwingt die Telefonfirmen zu Investitionen in Milliardenhöhe. Außerdem wird der Konkurrenzkampf auf die Gewinnmargen drücken. Ganz so unbeschwert wie in der Anfangsphase funktioniert der Aufschwung nicht mehr. Zur Zeit spielt das Massenpublikum die große Rolle: die Kids und Twens, was neue Tarife und von den Herstellern neues Design und moderne Geräte fordert. Die Launen der Verbraucher sind aber schwer vorherzusehen. Die Bedeutung des Designs hat Ericsson zu spät erkannt und mit geringeren Marktanteilen dafür bezahlt. Vielleicht ist das Handy auch mal plötzlich out, und sämtliche Prognosen werden Makulatur. Vieles ist noch Zukunftsmusik, die wird an der Börse allerdings als erstes und besonders gerne gehört.

Aus Sicht der Aktionäre ist erfreulich, dass der Börsenfavorit Siemens im Mobilfunkgeschäft sich zunehmend als wichtige Größe he-rausstellt und den anderen Handy-fabrikanten Umsätze abjagt. Der Konzern will zum Beispiel verstärkt in Amerika angreifen.

In Europa liegt Siemens mit 10,3 Prozent Handyanteil auf Platz drei hinter Nokia und Motorola und vor dem ebenfalls expansionsstarken französischen Unternehmen Alcatel. Auch die asiatischen Anbieter Panasonic, Mitsubishi, Toshiba, NEC und Samsung sind nicht zu unterschätzen. Dagegen hatte das US-Unternehmen Motorola im April dieses Jahres die Wall Street mit einem Rückgang der Gewinnspanne bei Handys enttäuscht, was eine Kurshalbierung auf 30 Dollar zur Folge hatte. Inzwischen ist die Notiz wieder auf 39 Dollar gestiegen. Die gegenwärtige Situation deutet auf einen Seitwärtstrend hin, wobei die Kurschance zunächst maximal 50 Dollar beträgt. Am meisten wird aber die zukünftige Kursentwicklung der Börsenstars Nokia und Ericsson diskutiert.

Mangels Komponenten und weil die neuen Handymodelle nicht so schnell voll umsatzwirksam werden, kündigte Nokia für das dritte Quartal ein schwächeres Ergebnis an. Der Kurs rauschte abwärts und zog den gesamten Telekom-Sektor mit. Der Anleger kann daran erkennen, wie nervös andere Technologiepapiere auf Defizite bei den Trendsettern reagieren. Inzwischen hat sich die Lage jedoch etwas beruhigt.

Erwartungsdruck auf Nokia zeigt Auswirkungen

Derzeit notiert die Aktie mit 42 Euro rund 35 Prozent unter dem bisherigen Höchstkurs vom April dieses Jahres. Damals waren erste Gerüchte aufgetaucht, dass das Unternehmen auf Dauer dem hohen Erwartungsdruck nicht gerecht werden könnte. Es gibt viele prominente Beispiele für die Richtigkeit solcher Annahmen. Letztes Opfer war zum Beispiel Cisco Systems mit dem Rückgang von über 40 Prozent nach fast einem Jahrzehnt Steigflug an der Börse. Im vierten Quartal will Nokia jedoch ein höheres Wachstum vorzeigen. So haben neun von zehn Analysten das Papier auf ihren Kauflisten. Das langfristige Kursziel lautet auf 65 bis 70 Euro. Mit den ganz schnellen und großen Profiten ist es demnach vorbei. In den vergangenen acht Jahren hatte der Kursgewinn satte 60.000 Prozent betragen.

Die Halbjahreszahlen des schwedischen Telefonkonzerns Ericsson überzeugten teilweise. Der Vorsteuergewinn gegenüber dem gleichen Zeitraum in 1999 stieg mit 18,6 Milliarden Kronen (2,2 Milliarden Mark) auf mehr als das vierfache. Doch die Handysparte enttäuschte erneut. Knappe Bauteile, aber auch eine verfehlte Modellpolitik führten zu einem Minus von 1,8 Milliarden Kronen. Einen Verkauf des defizitären Bereichs, der 23 Prozent zum Umsatz beisteuert, schließen Experten nicht mehr aus. Da das wichtige Netzwerkgeschäft aber boomt, zählt die Aktie weiter zu den Börsenfavoriten. Allerdings hat der Enthusiasmus auch hier stark nachgelassen. Direkt miteinander vergleichen lassen sich Nokia und Ericsson nicht. Denn mehr Geld als mit Handys setzt Ercisson mit Mobilsystemen um, aber dort sind die Margen bescheidener. Deshalb stand Ericsson mehr in der Kritik, während Nokia mit 24 Prozent Umsatzrendite fein heraus war. Außerdem sorgten Umstrukturierungen der früher schwerfälligen Schweden für einige Pausen im Kursanstieg.

Alle Handyaktien sind gefallen, so zum Beispiel auch Vodafone, nachdem der britische Handy-Netzbetreiber die D2-Sparte von Mannesmann übernommen hatte. Die Vodafone-Aktie ist infolge hoher Unternehmensschulden relativ anfällig für steigende Zinsen. Nach Meinung der Investmentprofis wird der Technologie-Aktiensektor im Herbst zu einer Rallye starten, da dürften dann auch die Handyaktien mit von der Partie sein. (kk)

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