Anbindung von Mainframes an den Browser: Orientierungshilfe

12.03.1998

MÜNCHEN: Keine Frage: Im Zeitalter des Internet erleben die Hosts ihren zweiten Frühling. Denn durch die Einbindung von Großrechnern erzielen Unternehmen eine deutliche Wertsteigerung ihrer Altsysteme. Bei der Planung, Organisation und Realisierung einer effektiven Host-Anbindung mit Web-Technologie ist jedoch eine Reihe von Kriterien zu berücksichtigen, wie Gert-Christian Lebrecht* im nachfolgenden Beitrag erläutert.Die Internet-Generation tritt nun das Erbe der Mainframes an. Sogenannte Legacy-Applikationen aus der Mainframe-Ära erweisen sich in vielen Unternehmen als enorm nutzbringend. Richtige Vermögenswerte werden nun ins neue Zeitalter hinübergerettet, nämlich grundsolide, bewährte und sichere Anwendungen beispielsweise für die Auftragsbearbeitung oder das Bestellwesen in einer zuverlässigen Hardware-Infrastruktur.

Statt Papier auf dem Postweg zu bewegen, können existierende Anwendungen via Browser innerhalb des Unternehmens, aber auch externen Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern zugänglich gemacht werden. Der Vormarsch der Internet-Technologie und der damit verbundene Einsatz von Web-Browsern macht den Weg frei für moderne Web-Integrationslösungen - unter Nutzung der vorhandenen IT-Infrastruktur.

Unterstützt wird diese Sicht der Dinge auch von der Meta Group. Das Marktforschungsunternehmen erachtet allein schon die knappen Mittel als ausschlaggebend für eine Weiterverwendung und Verjüngungskur der Legacy-Systeme. Und nach Ansicht der Analysten bieten Mainframes die besten Voraussetzungen für die weitere Nutzung der vorhandenen Applikationen im Intra- und Internet. Diese Hardware arbeitet zuverlässig und stabil und ist zu weit mehr als 99 Prozent verfügbar.

Zudem sind Web-to-host-Lösungen unter dem Kosten-Nutzen-Gesichtspunkt äußerst lukrativ. Darauf verweist die Gartner Group in einer weiteren Studie. Danach führt der Einsatz von Web-to-host-Lösungen in den Unternehmen zu einer 25prozentigen Kosteneinsparung gegenüber den traditionellen Terminal-Emulationen.

Die richtige Emulation zu jedem Rechner

In Großunternehmen mit langjähriger IT-Tradition ist es keineswegs ungewöhnlich, daß mehrere Host-Architekturen parallel genutzt werden, seien es IBM-Mainframes vom Typ S/370 oder S/390, Bull-Mainframes, Compaq-/Digital-Unix-Server oder Midrange-Rechner wie die IBM AS/400. In Deutschland ist es vor allem die öffentliche Verwaltung, die vielfach noch BS2000-Mainframes von SNI im Einsatz hat.

In Ausschreibungen aus diesem Bereich findet sich daher durchaus auch die Anforderung, eine übergreifende Lösung zu realisieren - beispielsweise zum Zugriff auf einen MVS-3270 Extended Datastream oder einen BS2000-Host mit 9750-Terminals. Für solche Fälle sind die Spezialanbieter zuständig. Die große Mehrzahl der Projekte konzentriert sich hingegen auf die Einbindung von IBM-Mainframes, AS/400-Systemen und Unix-Rechnern.

Für den Zugriff auf Host-Rechner und die darin untergebrachten riesigen Datenbestände via Web-Browser bilden technisch ausgereifte SNA-Gateways sowie moderne TCP/IP-Stacks eine gute Ausgangsbasis. Die neue Generation von IBM-Hosts verwendet CMOS-Prozessoren, die die Kosten für Mainframe-Computing im Vergleich zu den Vorgängern deutlich senken. Von Anfang an war diese aktuelle Produktpalette für TCP/IP optimiert. Die Marktforscher der International Data Corporation (IDC) schätzen, daß bis Ende dieses Jahrzehnts jeder zweite Host in der installierten Basis das zentrale Internet-Protokoll unterstützen wird.

Der Web-Server als Startrampe

Wichtige Entscheidungskriterien im Bereich der Mainframe- und Host-Connectivity sind beispielsweise die Terminal-Emulationen IBM 3270, IBM 5250 sowie VT 100, 220 und 320 für Compaq-/Digital-Unix. Von Bedeutung ist außer der reinen Terminaldarstellung auch die Unterstützung von Dateitransferprotokollen wie FTP oder IMBs IND$File aber auch die Möglichkeit, XYZ-Modems zu nutzen.Allen Varianten einer Web-to-host-Verbindung gemeinsam ist deren Three-Tier-Client/Server-Aufbau. Schicht eins in dieser Architektur ist der Web-Browser, der die Datenpräsentation übernimmt. Die zweite Schicht bildet der Web-Server samt einer Applikation, die HTML-Seiten, Java-Applets oder ActiveX-Controls an den Browser übermittelt. Auf der dritten Schicht schließlich sind die Host-Datenbestände angeordnet (siehe Grafik auf Seite 85: Aufbau einer Web-to-host-connectivity-Lösung).

HMTL Only

Bei der HTML-Variante wird auf dem Web-Server Zusatzsoftware - sogenannte "Middleware" - installiert. Diese verarbeitet HTTP-Anfragen vom Browser und übersetzt sie in ein Datenformat, das der Host versteht. Der Host wiederum schickt seine Ergebnisse als 3270-Datenstrom an die Applikation, wo eine Konvertierung ins HTML-Format erfolgt. Dieser HTML-Code schließlich wird als Antwort an den Web-Browser übermittelt. Die Übersetzung des Host-Datenstroms kann entweder automatisch im "Just-in-time-rendering"-Verfahren oder in Form von abzuarbeitenden CGI-Scripts geschehen.

Die Stärke dieser Lösung besteht darin, daß sie den einfachsten Migrationspfad in eine Intranet-Architektur aufzeigt. Wo nur Lesezugriffe auf Mainframe-Datenbanken erforderlich sind, ist die Konvertierung von 3270-Daten ins HTML-Format durchaus praktikabel und ausreichend. Die große Schwäche sind die langen Antwortzeiten, da ein 3270-Datenstrom zuerst in HTML übersetzt wird. Mehr als 90 Prozent der ganzen Arbeit muß der Web-Server erledigen. Benötigt nun ein Unternehmen eine größere Anzahl von Verbindungen zum Host, ist ein einzelner Server sehr schnell überlastet. Zudem sind die sonst üblichen Printer- und Filetransfer-Emulationen bei dieser Lösung standardmäßig nicht vorgesehen.

Java oder Activex

In einer weiteren Variante werden die Terminal-Emulationen in Form von Java-Applets auf dem Web-Server vorgehalten und auf Anfrage zu einem Java-fähigen Browser transferiert. Ist der Dialog mit dem Web-Server hergestellt, kommuniziert der Browser anschließend via TCP/IP mit dem Host-Rechner.

Hier ist der Kontakt zwischen Browser und Web-Server permanent - im Gegensatz zum HTML-Konverter mit der "zustandslosen" Verbindung, die jedesmal neu aufgebaut werden muß, wenn ein weiterer Bestandteil der Web-Page angefordert wird.

Vorteil der Applet-Lösung ist, daß sie alle Java-fähigen Browser auf der Client-Seite unterstützt. Nachteilig macht sich jedoch bemerkbar, daß sich Java für unternehmenskritische Applikationen noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet. Zudem unterstützt Java gegenwärtig noch nicht die in der Windows-Welt gewohnten Cut-and-Paste-Funktionen. Genauso wenig sind Funktionen wie Dateitransfer oder Drucken im Netz möglich. Sie werden erst über proprietäre Erweiterungen möglich.

Reine NT-Variante auch möglich

Schließlich gibt es Lösungen, die ausschließlich auf Basis von Microsofts Windows NT, Internet Information Server (IIS) und ActiveX-Technologie implementiert sind.

Dabei überträgt nach dem Login der IIS eine native Terminal-Emulation zum Browser. Anschließend erfolgt auf dem NT-Server eine Benutzerauthentifizierung, und der Anwender kann bei positivem Ausgang dieser Prozedur über ein SNA-Gateway oder via TCP/IP mit dem Host kommunizieren.

Vorteil dieser Lösung ist, daß alle von Windows her gewohnten Features zur Verfügung stehen. Denn ActiveX-Controls arbeiten wie echte Windows-Applikationen und haben gegenüber Java unbestrittene Vorteile insbesondere in puncto Ausführungsgeschwindigkeit. Unternehmen mit einer homogenen Windows-Architektur auf Desktop-PCs und Servern bietet Ac-tiveX einen deutlich höheren Nutzen.

Gleichzeitig ist dies auch ein Schwachpunkt dieser Web-to-host-Lösung: Da die Terminal-Emulation in Form von ActiveX-Controls versendet wird, kann sie eben nur mit Windows-NT-Servern verwendet werden. Unternehmen mit auf Unix basierenden Web-Servern im eigenen Intranet können diese Lösung nicht nutzen. Da sich Windows NT jedoch in vielen Unternehmen als Standardplattform für Intranets etabliert hat, fällt dieser Nachteil nicht sonderlich ins Gewicht.

Kompatibilität mit Web-Browsern

Um die beiden wichtigsten Web-Browser im Markt zu unterstützen, sollten deshalb Web-to-host-Werkzeuge entweder als ActiveX-Komponente für den Microsoft Internet Explorer oder als Plug-in für den Netscape Navigator/Communicator zur Verfügung stehen. Hier aber sind gewisse Einschränkungen zu beachten: Desktop-Systeme, die mit Windows 3.11 arbeiten, unterstützen lediglich den Plug-in-Modus, die Nutzung der ActiveX-Technologie setzt Windows 95/98 oder NT voraus.

Kommt als Web-Server Microsofts IIS in der Version 3.0 oder höher zum Einsatz, können die Web-to-host-Werkzeuge dessen Technologie der Active-Server-Pages (ASP) heranziehen, um eine möglichst gute Abstimmung in einer heterogenen Browser-Welt zu erzielen. Das ASP-Format ermöglicht nämlich eine dynamische Erzeugung von HTML-Seiten. Die wiederum enthalten Scripts, die ganz spezielle Aufgaben zu erfüllen haben, etwa eine Datenbankabfrage auf einem Mainframe. Solche Scripts können übrigens in Visual Basic, Jscript oder Perl erstellt werden.

In der Praxis funktioniert das ganze folgendermaßen: Geht eine Anfrage des Browsers beim Microsoft-Web-Server ein, kann dieser feststellen, ob diese Datenanforderung von einem Internet-Explorer- oder einem Netscape Navigator kommt und verschickt dementsprechend Plug-ins oder Active-Server-pages. Dies funktioniert jedoch nur dann, wenn beim Installationsvorgang der Web-to-host-Lösung alle in einem Intranet installierten Web-Browser ermittelt wurden.

Im Internet, wo nicht von vornherein feststeht, welcher Browser zum Einsatz kommt, bietet sich als kleinster gemeinsamer Nenner der Plug-in-Modus an, denn diesen beherrschen beide Browser.

Datensicherheit und Benutzeradministration

Bei der Weiterleitung von Informationen aus einer Mainframe-Anwendung in ein Intranet-Umfeld gilt es zunächst einmal, herkömmlichen Sicherheitstechnologien wie Firewalls oder Authentifizierung mittels Benutzername und Paßwort zu implementieren. Dem Ganzen sollte die Autorisierung, also Zugangskontrolle, und anschließend Datenverschlüsselung folgen.

Windows-NT-kompatible Web-to-host-Tools können bei Bedarf die

Sicherheits- und Administrationsfunktionen des Microsoft-Betriebssystems nutzen. Die Sam-Datenbank (Security-account-Manager) des NT-Servers regelt die Zugriffsrechte und definiert Benutzerkonten, die vom Web-to-host-Werkzeug direkt übernommen werden können. Durch eine gemeinsame Administration wird das Ganze deutlich vereinfacht.

... und die Moral von der Geschicht'

Eine Web-to-host-Lösung ist keinesfalls sofort perfekt, sondern entwickelt sich evolutionär weiter. So ist es zum Beispiel sinnvoll, jederzeit neue Funktionen auf dem Client oder im Bereich der Applikationslogik hinzuzufügen. Die Prämisse dieser Evolution lautet: die Benutzerfreundlichkeit der Browser-Oberfläche mit der Rechenleistung von Mainframes zu kombinieren.

Der Intranet-Server selbst muß in der Lage sein, sowohl auf Änderungen im Mainframe-Bereich als auch auf Weiterentwicklungen in der Web-Technologie eingehen zu können. Das Schlagwort hier lautet Zukunftssicherheit. Dabei geht es um nicht mehr und nicht weniger als das Zusammenspiel von Hardware, Netzwerk, Betriebssystem und Applikationen.

*Gert-Christian Lebrecht ist Geschäftsführer der Icom Informatique Deutschland GmbH in München.

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