Auftraggeber und Entwickler reden oft aneinander vorbei

18.07.2002
Kommunikationsmängel zwischen Auftraggebern und Entwicklern sowie unzureichende Tests lassen viele IT-Projekte platzen, verzögern oder teurer werden, als ursprünglich geplant, mahnt Software Quality Systems (SQS) an.

Frank Sommerfeld, Geschäftsführer des Accenture-Microsoft-Joint-Ventures Avanade, bringt es auf den Punkt. "Keine Software ist fehlerfrei!"

Aber dass deshalb gleich 43 Prozent aller IT-Projekte scheitern, weitere 40 sich verzögern und rund ein Drittel teurer werdenals ursprünglich geplant - so eine Studie des Kölner Test- und Qualitätsmanagement-Spezialisten SQS, das scheint nun doch ein etwas zu starker Tobak zu sein.

Keineswegs, meint Bertram Ufer, Manager E-Business Competence Center bei der Münchener Comparex Informationssysteme GmbH. Er weist jedoch darauf hin, dass das klassische Problem der sich technisch selbst überholenden Projekte weit gehend Schnee von gestern sind. Schließlich gebe das von den Bundesbehörden eingeführte Vorgehens- beziehungsweise kurz V-Modell für die Softwareentwicklung (siehe Grafik) seit der Überarbeitung 1997 eine eindeutige Methodik und Etappenziele vor. Spektakuläre Ausnahme sei das Bundeskriminalamt (BKA), dessen millionenteures Inpol-Projekt in seiner alten Konzeption nach verheerenden Lasttests letzten Winter gestoppt wurde.

Beide Seiten sollten ein Team bilden

Hauptproblem bei der Software-entwicklung und -integration ist für Christian Dahme, Privatdozent für Informatik an der Humboldt-Universität in Berlin: "Auftraggeber und Entwickler sprechen einfach nicht die gleiche Sprache." Verständnis- und Kommunikationslücken klafften auf beiden Seiten. Mal wisse der Anwender nicht genau, was er will und was überhaupt möglich ist, mal will er sich nicht in die Karten schauen lassen, weil es um Betriebsgeheimnisse geht, während der Entwickler unter Zeitdruck stehe und zu selten nachfrage. Avanade-Geschäftsführer Sommerfeld kennt diese Probleme zur Genüge und weiß auch, wie sie zu umgehen sind: "Man sollte schauen, dass man einen projektorientierten Ansatz wählt, bei dem Auftraggeber und Entwickler ein Team bilden, das gemeinsame Erfolge in jeder Phase des Projekts zu zelebrieren weiß. Unsere Entwickler sitzen zum Beispiel mitten drin im Getümmel und bekommen dadurch sehr viel mehr mit vom Business-Environment, als es von außen möglich wäre. An der Spitze des Projekts sollte idealerweise jemand sein, der IT- und Business-Know-how vereint und genügend Durchsetzungsvermögen hat. Alternativ bietet sich auch eine Doppelführung aus IT- und Unternehmensverantwortlichen an."

Schon bei der Anforderungsanalyse hapere es jedoch oft an Erfahrungen und unternehmerischen Fähigkeiten. Darüber hinaus empfiehlt Sommerfeld den wie in der TCO-Analyse von Marktforscher Gartner beschriebenen Weg, in dem genau definiert wird, welche Anforderungen und Ressourcen nötig sind, um in welcher Zeit welche Entwicklungsschritte zu erreichen. Dabei handele es sich um keinen statischen, sondern um einen dynamischen Prozess.

Umfangreiche Tests in jeder Phase

Statt den Entwickler während der ganzen Entwicklung alleine herumwurschteln zu lassen, wobei das böse Erwachen oft erst hinterher kommt, sollten laut SQS in jeder Phase des Projekts umfangreiche Tests vorgenommen werden. "Je früher man mit dem Testen beginnt, desto besser", lautet denn auch das Credo von SQS-CEO Rudolf van Megen. Durch regelmäßige Tests in allen Entwicklungsstufen ließen sich Kosten im Bereich zwischen 20 und 30 Prozent sparen. Einer Studie des National Institute of Standards & Technology(NIST) zufolge verursacht eine unzulängliche Test-Infrastruktur in den USA jährlich Kosten in Höhe von 59 Milliarden Dollar.

"Die Testfähigkeit ist für das Qualitätsmanagement ganz entscheidend", räumt auch Sommerfeld ein. "Aber die kritischste Phase eines Projekts ist die Designphase, und da kann man nun einmal nicht viele Tests vornehmen."

"Fragen Sie jemand,der sich damit auskennt"

Bei wichtigen Projekten empfiehlt Comparex-Manager Ufer professionelle Beratung nach dem Telekom-Motto "Fragen Sie jemand, der sich damit auskennt". Allerdings reichten dafür bei kleinen und mittelständischen Unternehmen vielfach die IT-Budgets nicht aus. Und so wissen die Auftraggeber oft nicht, auf was sie sich einlassen und ob die betreffende Software überhaupt zu ihrem Unternehmen passt. "Entscheider lassen sich von Namen großer Softwareanbieter blenden", meint Accenture-Mitarbeiter Bernhard Holtschke, was Ufer ein leichtes Schmunzeln entlockt, ist doch Accenture sehr stark SAP- und Microsoft-gesteuert.

Da zurzeit einschließlich der Dienstleister alle sparen müssen, die Anforderungen aber immer komplexer werden, sieht Thomas Leitert, Vorstand des IT-Entscheiderforums Timekontor, wenig Aussicht auf Besserung und spricht voneinem "Schereneffekt", bei dem noch mehr Projekte auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zum Scheitern verurteilt sind.

www.sqs.de

www.comparex.de

www.avanade.de

www.accenture.de

ComputerPartner-Meinung:

Eine realistische Planung und gemeinsame Sprache, die Einbeziehung aller Anwender, verschiedene Tests, und die Einbindung der Entwickler in die Unternehmensprozesse vor Ort sind die einfachen Parameter für erfolgreiche Softwareprojekte. Wer sich nicht daran hält, macht es sich unnötig schwer - eine Erkenntnis, die es nicht erst seit gestern gibt. (kh)

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