Bei Betriebssystemen bleibt Microsoft an der Spitze

26.07.2001
Für Anleger und Analysten bleibt Microsoft ein berechenbarer Player. Schwerer haben es dagegen die Anbieter von Open-Source-Betriebssystemen.

Seit die Aufteilung von Softwaregigant Microsoft immer unwahrscheinlicher wird, hat die Aktie beständig zugelegt. Vorigen Dezember kostete sie 42 Dollar, inzwischen ist sie auf über 75 Dollar geklettert. Das entspricht einem Anstieg von fast 80 Prozent.

Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum ist der Nasdaq-Aktienindex um 15 Prozent gefallen. Der Dow-Jones-Index, in dem Microsoft enthalten ist, notiert bei rund 10.600 Punkten praktisch unverändert. Die bessere Performance der Microsoft-Aktie resultiert aber auch aus anderen Fakten. Der Softwarekonzern hat im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres (31. März) die Planzahlen leicht übertroffen. "Die Ergebnisse waren in allen Sparten stark und etwas besser, als wir erwartet hatten", erklärte Finanzchef John Conners. Besonders erfreulich seien das Geschäft mit dem Betriebssystem Windows 2000 Professional und die steigende Nachfrage der Geschäftskunden nach Net-Enterprise-Server-Produkten. Im aktuellen Quartal wird mit einer leichten Abschwächung gerechnet.

Geteilt sind dagegen die Ansichten zur Spielkonsole Xbox, die im Herbst auf den Markt kommen soll. Aber das stört die Analysten wenig. Denn der Konzern ist auf allen wichtigen Feldern präsent und darüber hinaus mit mindestens 30 Milliarden Dollar an liquiden Reserven enorm reich. Die Erträge des Technologieschwergewichts sind vergleichsweise gut kalkulierbar. Die Marktführerschaft wird trotz der Linux-Alternativen fortbestehen.

Im Massenmarkt keine Chance

Inzwischen ist klar geworden, dass das alternative Linux-Betriebssys-tem zwar zunehmend auf den Zentralrechnern von Firmen und Internet-Anbietern eingesetzt wird, aber im Massenmarkt der Personalcomputer auf absehbare Zeit kaum eine Chance gegen Windows hat. "Mi-crosoft verdient jeden Morgen vor dem Aufstehen mehr Geld an Windows als alle Linux-Anbieter im ganzen Jahr", stellte die Beratungsfirma IDC schon vorigen September fest.

Die Gefahr der Zerschlagung des Konzerns in eine Firma für Betriebssysteme und eine für Anwendungen erscheint auch im nächsten Verfahren gering. Gegenstand werden auch neue Vorwürfe sein, welche die Ausweitung der Monopolstellung bei PC-Betriebssystemen auf das Internet kritisieren. Anlass zur Besorgnis ist das Betriebssys-tem Windows XP, das im Herbst auf den Markt kommt. Dort sind einige hauseigene Anwendungen integriert, etwa das Portal MSN und das E-Mail-Programm.

Aber die Microsoft-Aktie ist kein dynamischer Highflyer und auch keine unterbewertete Okkasion. Auf Basis der 2001er-Ergebnisschätz-ung wird sie mit dem 35fachen KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis: aktueller Kurs dividiert durch Unternehmensgewinn pro Aktie) bewertet. Sie ist damit nicht billig. Analysten raten dennoch überwiegend zum Kauf. Die Kurschancen betragen zurzeit jedoch höchstens 20 Prozent. Zwischen 1989 und 1999 war die Notierung annähernd kontinuierlich von 0,60 auf den bisherigen Höchstkurs bei 120 Dollar gestiegen.

Die Probleme mit der Linux-Konkurrenz und den US-Gerichten ließen den Kurs dann auf 42 Dollar fallen. Der gleichzeitige Aufstieg von Linux-Papieren wie Red Hat, VA Linux, Corel oder Caldera war nur kurzlebig. Die Red-Hat-Aktie explodierte im Dezember 1999 von 39 auf 151 Dollar. Sie war kurze Zeit davor zu sieben Dollar das Stück frisch an die Börse gekommen. VA Linux stellte kurz darauf mit 700 Prozent Kursgewinn am ersten Handelstag einen neuen Rekord an der Wall Street auf.

Die Euphorie verflog so schnell, wie sie gekommen war. Selbst die vorübergehend ungünstige juristische Situation von Microsoft änderte nichts daran. Red Hat, VA Linux und Corel pendeln zurzeit zwischen drei und fünf Dollar, Caldera um 1,5 Dollar. Von dem einstigen Überschwang ist nichts geblieben. Positiv ist allerdings, dass in diesem Jahr IBM eine Milliarde Dollar in Linux-Dienstleistungen und -Produkte investieren will. In Europa lässt sich der Branchenerste den Aufbau von Linux-Centern zur Anwendungsentwicklung und Beratung in den nächsten vier Jahren 200 Millionen Dollar kosten. Annähernd jedes fünfte Unternehmen wird 2003 das Open-Source-Betriebssystem Linux serverseitig einsetzen, weiß das Beratungsunternehmen Tech Consult. Die Linux-Papiere gehörten lange zu den Lieblingskindern der Börsenmedien.

Der große Durchbruch ist noch nicht in Sicht. In Deutschland ist der Dienstleistungsbereich für Opensource-Projekte nicht so schnell gewachsen wie erhofft. Weniger Unternehmen als geplant schreiben große Projekte aus. Die hiesigen Dienstleister sehen Chancen in der Spezialisierung rund um Produkte wie Firewalls.

Auch Linux-Distributor Suse setzt auf dieses Konzept - mit den Schwerpunkten Datenbanken, Se-curity, Internet-Anbindung und firmenweite Vernetzung. Unter anderem hält Suse sogar den Volks-PC ohne Windows schon bald für realisierbar. Suse wurde in den besseren Hightech-Aktien-Zeiten oft als mögliche Neuemission am Neuen Markt genannt. Aufgeschoben wurde auch der Nasdaq-Börsengang von Linuxcare und Turbolinux. Die kürzlich geschlossene Fusion der beiden Gesellschaften wurde "wegen unterschiedlicher Ziele" wieder geschieden. Die Hochzeit sei "finanziell sinnlos geworden", teilten die Partner mit. Trotz günstigerer Perspektiven haben Linux-Papiere es jetzt schwer. (kk)

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