Cebit 2002: Immer mehr Promi-Firmen bleiben zu Hause

13.12.2001
Jahrelang konnte sich der Cebit-Veranstalter Deutsche Messe AG auf langen Wartelisten ausruhen. Diese Zeiten sind anscheinend vorbei. Im Gegenteil: Die Reihe mit den Absagen für die nächste Messe wird immer länger - und sie ist gespickt mit bekannten Namen.

Ziemlich unerwartet hat Actebis die Teilnahme mit den beiden Eigenmarken Peacock und Targa abgesagt. Als Distributor war Actebis schon in den vergangenen Jahren nicht mehr vertreten. Am Auftritt mit den Eigenmarken hielten die Soester allerdings immer noch fest. Nur ein Trostpflaster bleibt den verwaisten Peacock- und Targa-Fans: Die traditionelle Messeparty von Actebis wird wie gewohnt am Samstag Abend stattfinden.

Die Cebit-Riege der großen Distributoren ist schon seit Jahren sehr geschrumpft. Die eigens eingerichtete Halle 10 als Händlerzentrum war nicht besonders befriedigend für die meisten Distributoren. Das Händlerzentrum wird es nach der neuen Stuktur der Veranstalter nicht mehr geben. "Wir haben die Distributoren auf deren eigenen Wunsch wieder den einzelnen Bereichen zugeordnet", erklärt Hubert Lange, Vorstandsmitglied der Deutschen Messe AG. "Mit der Regelung in Halle 10 waren sie nicht besonders glücklich, aber jetzt sind sie alle wieder da", erklärte Lange auf der Pressekonferenz. Ob seine Rechnung aufgeht, ist zu bezweifeln. Bei NT Plus beispielsweise, einer der größten verbliebenen Disti-Aussteller der letzten Jahre, wird auf jeden Fall heftig diskutiert, ob sich ein Cebit-Auftritt in 2002 überhaupt lohnt. Die offizielle Entscheidung ist noch nicht getroffen, aber aus branchennahen Kreisen ist zu erfahren, dass die Zeichen nicht besonders günstig stehen für die Messe AG.

Wartelisten werden immer kürzer

Die Wartelisten sind geschmolzen - sogar die für die heißbegehrte Halle 2. "Nachdem klar war, dass wir mit Corel zusammen gehen, haben wir unseren Stand in Halle 2 gekündigt. Die damit fällige Abstandsgebühr mussten wir bezahlen. Früher war es oft so, dass diese Storno-Gebühr aufgrund der großen Nachfrage unter den Tisch gefallen ist", erzählt Armin Trautner, Geschäftsführer von Micrografx. Im nächsten Jahr wird der Softwarehersteller zusammen mit Corel in Halle 6 zu finden sein.

Auch, wenn bei dem Aussteller keine Akquisition ins Haus gestanden hätte, wäre er nicht um einen Umzug herum gekommen. Die Messe AG hat während der vergangenen Jahre an einer neuen Struktur für die Mammutmesse gearbeitet. Die Folge: Rund 90 Prozent der Aussteller müssen umziehen, was die Stimmung unter den Kunden der Messe AG nicht gerade hebt. Der Monitorhersteller NEC-Mitsubishi sollte von seinem angestammten Platz in Halle 13 in die Halle 21 gehen. Der Hersteller war mit der Halle 13 rundum zufrieden. Der neue Standort allerdings "liegt viel zu weit ab vom Schuss", so das Unternehmen, weshalb NEC-Mitsubishi auf der Cebit 2002 nicht mit einem eigenen Stand vertreten sein wird, auch wenn alle Mitbewerber dort sind. "Wir werden uns auf andere Aktivitäten konzentrieren, zum Beispiel spezielle Produkt-Roadshows oder Events für Händler. Die werden wir zeitlich kurz vor der Cebit platzieren und so erreichen wir alle Leute, die für uns wichtig sind", hört man aus dem Hause NEC-Mitsubishi.

Diese Überlegung gibt es auch bei anderen großen Herstellern. Oracle war letztes Mal schon nicht in Hannover. Und auch auf der nächs-ten Cebit wird der Datenbankanbieter nicht ausstellen. Man habe gute Erfahrungen gemacht und durch die Oracle Open World im Juni dieses Jahres alle seine Kunden und Partner erreicht. Das Treffen fand erstmals in Berlin statt und verzeichnete zwischen 30.000 und 40.000 Besucher.

Einen weiteren großen Kunden hat die Messe AG mit Computer Associates (CA) verloren. Für den Anbieter von E-Business-Software-Lösungen ist die breite Streuung, die eine so große Leitmesse mit sich bringt, nicht mehr attraktiv. Bei CA hat man sich für "eine Intensivierung der fokussierten Kundenansprache" entschieden. Man sei auf den direkten Kontakt mit den Kunden angewiesen, und das sei auf der Cebit nicht mehr zufriedenstellend möglich. Auch neuere Firmen, wie zum Beispiel der Service-Data-Provider Riodata, verwenden die Millionen, die eine Teilnahme an der Cebit kosten würde, für kleinere gezielte Veranstaltungen wie Roadshows. Damit könne man den Nutzen, den die eigenen Produkte den Kunden zu bieten haben, wesentlich besser vermitteln.

136 Quadratmeter mehr Ausstellungsfläche

Trotz all dieser Hiobsbotschaften zeigen sich die Veranstalter optimistisch. Wieder einmal könne man Rekordzahlen melden. Die Ausstellungsfläche sei auf 432.011 Quadratmeter angewachsen. Allerdings ist die Zuwachsrate nicht sehr beeindruckend. Gerade mal 136 Quadratmeter mehr Ausstellungsfläche konnte die Messeleitung melden und das, obwohl in diesem Jahr erstmals die neue Halle 27 genutzt wird. Auch hätten sich 8.152 Firmen angemeldet. Der Unterschied zur Ausstellerzahl im Jahr davor ist aber nicht mehr besonders groß. Gerade mal 59 Unternehmen mehr als im Jahr 2001 werden 2002 in Hannover ausstellen. Messechef Lange weist vor allem auf die verstärkte Beteiligung aus dem Ausland hin. So hätte zum Beispiel Australien seine Präsenz um 60 Prozent gesteigert # von 26 auf nunmehr 42 Aussteller.

Dass diese Zahlen nicht besonders attraktiv sind, weiß die Messeleitung. "Auch wir merken, dass die Marketingbudgets gekürzt wurden. Die Aussteller sparen zum Beispiel an den Obergeschossen der Stände und am Catering für die Partys", gibt Lange zu. Er setzt auf die neue Struktur. Ab dem Jahr 2002 werde das Messegelände "thematisch eine klare Nord-, Ost- und Südwest-Ausrichtung" aufweisen. Die Themenbereiche seien zusammengelegt worden, und das verbessere deutlich die Voraussetzungen.

www.cebit.de

ComputerPartner-Meinung:

Die Deutsche Messe AG arbeitet seit eineinhalb Jahren an der neuen Struktur - und geht dabei von der Schlaraffenlandsituation aus, dass sich die Aussteller um die Quadratmeter prügeln. Im Moment sieht es fast so aus, als ob dieser Schuss nach hinten los geht. Denn es sind die namhaften Kunden, die von der großen Leitmesse zu kleinen Hausmessen abwandern. Zudem wird es spannend zu beobachten, wie die zahlreichen Besucher aus aller Herren Länder im März ihren Kompass herausholen, um trotz der "klaren Nord-Ost-Süd-West-Aufteilung" den gesuchten Gesprächspartner zu finden. (gn)

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