CeBIT 97: Keine Überraschungsparty, aber gute Kontaktbörse für Händler

03.07.1997
HANNOVER: Den Katalog unterm Arm, das Handy am Ohr und das Namensschildchen am Revers: Vom 13. Bis 19. März werden in Hannover wieder alle, die im IT- und Telekommunikationsmarkt Rang und Namen haben, das Messeparkett betreten. Kaum jemand mag wirklich hin, aber alle wollen dabeigewesen sein - es könnte ja wider Erwarten Unvorhersehbares enthüllt oder Spektakuläres verkündet werden. Vor allem aber geht es um eines: "Kontakte knüpfen", also Leute kennenlernen, mit denen sich später vielleicht einmal Geld verdienen läßt.Stell Dir vor es ist CeBIT - und keiner geht hin... Was für ein erquicklicher Gedanke. Aber mit der Messe aller IT-Messen ist es, wie mit den meisten gesellschaftlichen Verpflichtungen: Wer hingeht stöhnt und jammert, wer zu Hause bleiben muß, schmollt. Denn einerseits ist es wohl war, daß auf der CeBIT kaum noch Überraschungsknaller gezündet werden, die meisten neuen Produkte kennt man schon aus Ankündigungen oder von Präsentationen. "Die Hersteller machen sich doch gar nicht mehr die Mühe, Ankündigungen bis zur CeBIT zurückzuhalten", nörgelt ein Messemitarbeiter, als sei es Aufgabe der Gäste, die Veranstaltung zu einer einzigen Überraschungsparty zu machen.

HANNOVER: Den Katalog unterm Arm, das Handy am Ohr und das Namensschildchen am Revers: Vom 13. Bis 19. März werden in Hannover wieder alle, die im IT- und Telekommunikationsmarkt Rang und Namen haben, das Messeparkett betreten. Kaum jemand mag wirklich hin, aber alle wollen dabeigewesen sein - es könnte ja wider Erwarten Unvorhersehbares enthüllt oder Spektakuläres verkündet werden. Vor allem aber geht es um eines: "Kontakte knüpfen", also Leute kennenlernen, mit denen sich später vielleicht einmal Geld verdienen läßt.Stell Dir vor es ist CeBIT - und keiner geht hin... Was für ein erquicklicher Gedanke. Aber mit der Messe aller IT-Messen ist es, wie mit den meisten gesellschaftlichen Verpflichtungen: Wer hingeht stöhnt und jammert, wer zu Hause bleiben muß, schmollt. Denn einerseits ist es wohl war, daß auf der CeBIT kaum noch Überraschungsknaller gezündet werden, die meisten neuen Produkte kennt man schon aus Ankündigungen oder von Präsentationen. "Die Hersteller machen sich doch gar nicht mehr die Mühe, Ankündigungen bis zur CeBIT zurückzuhalten", nörgelt ein Messemitarbeiter, als sei es Aufgabe der Gäste, die Veranstaltung zu einer einzigen Überraschungsparty zu machen.

Aber trotzdem: Neue Partnerschaften bahnen sich an, Kontakte werden geknüpft, gekappt oder wiederaufgenommen - und letztendlich Geschäfte in die Wege geleitet. Gerade in Zeiten finanzieller Durststrecken setzt man zudem mit seiner Präsenz ein deutliches Zeichen - hurra, wir leben noch! Seit über 27 Jahren nun lädt die Deutsche Messe AG Aussteller aus dem EDV-Bereich und Besucher aus aller Herren Länder ein, um sich selbst und die Hersteller zu feiern und zu präsentieren.

Die Ausstellerzahl hat sich seit Bestehen der CeBIT fast verzehnfacht

Im Jahre 1970 waren es gerade einmal 638 Aussteller auf rund 55.335 Quadratmetern, die vor rund 60.900 Besuchern um Kunden und Interessenten buhlten. In diesem Jahr muß Gastgeber und Messevorstand Hubert-H. Lange das Ereignis für andere Aussteller- und Besucherdimensionen ausrichten: 6.813 Aussteller aus 61 Ländern, verteilt über 350.122 Quadratmeter werden voraussichtlich von 600.000 bis 650.000 Besuchern heimgesucht.

Doch der Veranstalter lebt gut von seinen Messen und kann statt Salami-Semmeln schon mal Lachsschnittchen zur Begrüßungskonferenz reichen. Im Geschäftsjahr 1996 verbuchte die Deutsche Messe AG einen Umsatz von 407 Millionen Mark, ihr bislang bestes Ergebnis. Der Ertrag des Unternehmens ist mit sechs Millionen Mark zwar schlechter ausgefallen als im Vorjahr (6,7 Millionen Mark), ist aber - laut Lange - besser als erwartet.

Den Eintritt läßt er sich üppig bezahlen: Der Katalog kostet 36 Mark, die Tageskarte zwischen 45 und 50 Mark. Wer keine Einladung seines Lieferanten hat, wird ganz schön geschröpft. Doch das ist gerade mal die Mayonnaise auf den Häppchen, wirklich Geld scheffelt die Messe mit den Standgebühren. Die Miete für einen Quadratmeter Messeboden liegt immerhin bei 300 Mark.

Wer sich dann Mega-Stände wie die Deutsche Telekom oder IBM (Big Blue belegt 4.000 Quadratmeter!) leistet, zeigt dem Wettbewerb eindrucksvoll eine lange Nase: "Wer hat, der hat."

Mit auffälligen Messeständen um die Gunst der Kunden buhlen

Andere balzen durch auffällige Konstruktionen und locken Besucher mit wilden Aktionen: Fujitsu ICL-Chef Winfried Hoffmann hat bereits angekündigt, mit seinem Stand auf der CeBIT alte Commodore-Zeiten wieder aufleben zu lassen, Raab-Karcher-Vorstand Jürgen Peters träumt vom CyberSpace und möchte Roboter und Marsmännchen auf den Laufsteg schicken und CompuTime veranstaltet unter dem Motto "Total Recoil" ein Cyberspace-Schießen. "Wir müssen aufpassen, daß die Messeausrichter bei uns im Unternehmen nicht den ganzen Jahresumsatz für die Standeinrichtung verpulvern", albert ein Notebook-Anbieter herum. "Aber um auf diesem Jahrmarkt CeBIT überhaupt noch Aufmerksamkeit zu erregen, müßte man eigentlich ein Feuerwerk in der Halle zünden."

Die EDV-Händler lassen sich ihre Messe nicht nehmen

Kein Wunder, daß da manchem Aussteller die Hutschnur platzt: Ingram Micro beispielsweise hat beschlossen, auf der Messe dieses Mal nicht zu erscheinen. Die Händler beeindruckt das allerdings wenig.

"Selbst wenn kein einziger Distributor auf der Messe wäre: Ich würde ganz sicher trotzdem hinfahren", erklärt ein Münchener EDV-Händler kategorisch.

Mit dieser Einstellung befindet er sich in guter Gesellschaft. Eine Umfrage des Kasseler Marktforschungsunternehmens TechConsult im Auftrag von ComputerPartner ergab, daß 75 Prozent der befragten Händler auf die Anwesenheit der Distributoren auch verzichten könnten. Gerade einmal für 13 Prozent ist die Präsenz ihres Lieferanten eine Voraussetzung dafür, zur CeBIT zu fahren. Insgesamt gaben übrigens drei Viertel der rund 170 befragten Händler an, auf die CeBIT zu fahren: Vor allem, um neue Produkte oder Technologietrends bei den Herstellern zu entdecken und Kontakte zu pflegen. Das hat zur Folge, daß sich beim Gastgeber eine gewisse Leichtsinnigkeit im Umgang mit den Resellern einstellt: "Für die allermeisten Händler ist die CeBIT sowieso ein Fixtermin im Kalender", weiß eine Sprecherin der Messegesellschaft. "Da brauchen wir keine speziellen Vortragsreihen, Hallen oder Events für diese Zielgruppe, die kommen sowieso."

Ganz so selbstverständlich ist das aber nicht. Diejenigen, die zu Hause bleiben, haben - das muß man sich einmal vorstellen - kein Interesse (36 Prozent!). Verständlicher schon Grund Nummer 2: keine Zeit (33 Prozent). Allerdings gaben auch 21 Prozent der Stubenhocker an, daß sie zwar grundsätzlich gerne dabei wären, sich das Chaos auf der CeBIT aber einfach nicht antun wollen.

Der schnöde Mammon lockt erstaunlich wenig Händler nach Hannover: Nur sieben Prozent der Befragten gaben an, zur Auftragsgenerierung anzureisen. Entsprechend klein ist auch die Anzahl der ausstellenden Händler, gerade einmal 18 Prozent haben einen eigenen Stand oder sind an einen Gemeinschaftsstand angeschlossen.

Im Schnitt bleiben die befragten Händler zwei bis drei Tage (33 Prozent), nur zwei Prozent haben die Zeit, sechs Tage oder länger auf der CeBIT zu sein. Dafür fährt kaum ein Händler allein auf die Messe (nur 10 Prozent). In der Regel dürfen zwei bis drei Mitarbeiter des Unternehmens mit nach Hannover (41 Prozent). Die sollten sich im Vorfeld allerdings gut vorbereiten, wenn auch 35 Prozent der Befragten angeben, ohne Terminvereinbarungen oder andere Vorbereitungen über die Messe zu schlendern. In der Regel aber haben sich die befragten Händler zumindest den Messeführer besorgt und feste Termine vereinbart, um nicht im Messechaos zu versinken.

Bedauerlicherweise gibt es für die Händler kaum Möglichkeiten, sich aus dem hektischen Betrieb zu ziehen und ungestört vom Trubel in den Gängen ein Gespräch mit möglichen Kunden oder Geschäftspartnern zu führen. Bis auf die abgegrenzten Zirkel auf den Messeständen der Distributoren und Hersteller ist er auf Restaurants oder die wenigen Sitzgelegenheiten angewiesen.

Die Hallenverteilung nach Themen ist nur halb geglückt

Ein beliebter Ort für geschäftliche Kontakte oder simplen Klatsch und Tratsch sind die Foyers vor den Vortragsräumen, besonders bei den Tagungsräumen in Halle 1 oder im TCM. In diesem Jahr lädt beispielsweise die Carl-Duisberg Gesellschaft aus Köln zu einem Telekom-Seminar ein (14.3., TCM, 17.00 Uhr) oder die Deutsche Marketing-Vereinigung, Düsseldorf, veranstaltet ein Marketing-Forum (17.3., Tagungsbereich Halle 1, 18.00 Uhr). Die meisten Firmenvorträge sind kostenlos, verlangt wird in der Regel nur eine Visitenkarte. Dieses Mal stehen rund 350 Vorträge auf dem Programm, in denen Konzepte, Lösungen, Dienstleistungen und Software ausführlich "erklärt, präsentiert und diskutiert" (Messegesellschaft) werden können.

Wer sich die Produkte lieber am Messestand zeigen lassen will: Die Deutsche Messe AG hat sich nach eigenem Bekunden weiter bemüht, die Aussteller nach Themen zu plazieren. Die Hallen 19 und 23 beispielsweise sind Anbietern von kartenorientierten Komplettlösungen für Überwachungs, Identifikations- und Schutzfunktionen vorbehalten. Anbieter von Online-Diensten wurden in den Hallen 2 und 18 untergebracht. Das gesamte Obergeschoß der Halle 18 nimmt erstmals ein "Internet Park" für die ständig wachsende Klientel der Netzsurfer ein.

Die neu errichtete Messehalle 12 gehört allein dem Bereich "Lösungsangebote der PC-Welt". Doch nur in diesem Jahr. Bei der CeBIT È98, so kündigt die Messeleitung an, wird dieser Bereich in eine weitere neue Halle (Nr. 13) umziehen. Dann ziehen die Aussteller von PC-orientierter Peripherietechnik sowie das Bauteile- und Baugruppenangebot von Halle 8/OG in die Halle 12. "Der Ausgangspunkt dieser Planungen sind frühere Grundsatzentscheidungen für die Verbesserung der Transparenz im Messeangebot und für die Hallengestaltung", lautet die Begründung der Deutschen Messe AG für das Hin und Her. Den Händlern ist's egal: Ganze 85 Prozent der von uns befragten Händler sind sich einig, daß eine zusätzliche Messehalle die Veranstaltung sicher nicht attraktiver macht. "Ich würde mir eher wünschen, daß die Themen und Produktschwerpunkte klarer voneinander abgetrennt sind", gibt der Geschäftsführer eines Systemhauses als dringendsten Wunsch an die Messe an. Denn trotz der guten Vorsätze: Wer sich beispielsweise nur nach PPS-Lösungen umschauen will, muß zwischen den Hallen 3, 4, 5, 20 und 21 herumspringen. Und Internet-Lösungen, so gibt auch die Messeleitung zu, sind quer über die gesamte Messe verteilt.

Produktspektrum: Von der Satellitenschüssel bis zum Microchip

Doch auch diese CeBIT wird sich bestimmt wieder lohnen. Neben den MMX-Prozessoren von Intel könnte auch der neue Motorola PowerPC-Chip mit seinen 300 MHz für Aufregung sorgen. Auch einige Exemplare des angekündigten Pentium-II-Prozessors soll es übrigens auf dem Intel-Stand zu bewundern geben.

Ein Schwerpunkt der Messe ist - neben der Telekommunikation (ISDN!) - der Bereich "Software, Beratung und Dienstleistungen". Allein 2.300 Aussteller rekrutieren sich aus diesem Umfeld, das sind immerhin 34 Prozent der gesamten Ausstellerschaft. Im Mittelpunkt, so kündigt die Messe an, stehen Entwicklungstools mit umfassenden Funktionen für alle Aufgabenstellungen - von der Problemanalyse bis hin zum Software-Design.

Eine große Anzahl von Ausstellern hat sich auf Migrationstools für die Integration von Softwarebeständen aus unterschiedlichen Systemwelten in Client-Server-Strukturen spezialisiert. Die häufigste Zielumgebung: Windows NT.

Für viele System- und Softwarehäuser ist die diesjährige CeBIT ein Hoffnungsträger für ihre Data-Warehousing-Systeme. Im Vorfeld der Messe habe man bereits "breite Kampagnen" gestartet, um die Akzeptanz der Produkte im Markt zu fördern, sprich - sie überhaupt erstmal zu erklären. Nun hoffen die Anbieter, die Messebesucher für die entsprechenden Werkzeuge und Dienstleistungen begeistern zu können.

IBM, Sun und Oracle zeigen erste NetPCs in Deutschland

Wirklich spannend könnte es im Markt für den NetPC werden. Die entsprechenden Spezifikationen haben Microsoft, Intel, HP, Dell und Compaq ja bereits im Oktober vergangenen Jahres veröffentlicht, jetzt, so hoffen viele, könnten die Unternehmen vielleicht mit ersten Ergebnissen aufwarten. Sun, IBM und Oracle werden nach eigenen Angaben die ersten NetPCs, kurz NCs genannt, präsentieren.

Dem Thema "Network Computing" räumt die Messe überhaupt sehr viel Platz ein. "Ein beachtlicher Teil der Aussteller zeigt, wie sich mit den entsprechenden Netzwerkprodukten und in der Zusammenarbeit mit Mehrwertdiensten im innerbetrieblichen Verkehr hohe Übertragungskosten abbauen lassen" kündigt ein Messesprecher an.

Am Produktspektrum der CeBIT kommende Trends ablesen

Im Vorfeld der CeBIT haben die Messeveranstalter anhand der angekündigten Exponate bereits einige Trends für die kommenden Monate ausgemacht:

- In allen Produktpaletten sind die Hochleistungssysteme stark in den Vordergrund getreten.

- Die Leistung von Großrechnern kann mit CMOS-Prozessoren (Complementary Metal Oxide Semiconductor) teilweise bis zum Zehnfachen vergleichbarer Systeme hochgefahren werden.

- Besonders gute Durchsatzraten erzielen die neuen Arbeitsplatz- und Mobilcomputer. Zu einem relativ niedrigen Preis werden PCs mit Pentium-Pro und PowerPCs angeboten, die mit Taktraten bis zu 200 MHz aufwarten.

- Durch eine Symbiose zwischen lokalen Systemen und globalen Kommunikationsdiensten wird es zu erheblichen Gewichtsverschiebungen im Computermarkt kommen. Der Mainframe-Markt hat zwischen 1995 und 1997 rund ein Viertel seines Volumens verloren. System- und Softwarehäuser auf der CeBIT präsentieren verschiedene Lösungen für die Integration von Großrechnern in Client-Server-Strukturen

- Das Angebot von PC-Servern für Workgroups und Client-Server-Systemen dürfte bereits in diesem Jahr den gleichen Umfang wie das Angebot von Unix-Servern erreichen.

- Die neuen NetPCs dürften für Überraschung sorgen: Erwartet wurden ursprünglich Rechner mit niedrigen Preisen ohne Arbeits- und Plattenspeicherkapaziäten für die Verwaltung eigener Programm- und Datenbestände. Statt dessen zeigen die ersten Marktpremieren aber einen Computertyp mit relativ hohem Preisniveau und umfangreichen Komfortelementen für die Nutzung der im Netz angebotenen Multimedia-, Datenbank- und Programmfunktionen.

- Im Bereich Speichertechnik erreichen die neuen Systeme der Array-Technik Gesamtdurchsätze, die nach den Angaben der Hersteller um bis zu 100 Prozent über den Leistungen vergleichbarer Vorgängermodelle liegen.

- In der WORM-Technik mit 14-Zoll-Format stehen jetzt zur zentralen Archivierung großer Datenvolumen Jukeboxes mit Kapazitäten bis zu 3,35 Terabyte zur Verfügung. Außerdem werden Jukeboxes mit CD-ROM-Laufwerken vorgestellt, die bis zu 100 CD-ROMs aufnehmen können.

- Große Leistungssprünge lassen sich im Vergleich zur letzten CeBIT bei den Festplatten-Laufwerken verzeichnen. Dem aktuellen Stand entsprechen nun preisgünstige 2,5- und 3,5-Zoll-Laufwerke mit Kapazitäten ab1,2 GByte und Zugriffszeiten um 10 Millsekunden.

- Einen Umschwung signalisiert die Fachindustrie auf dem Gebiet der Computerbildschirme. Einige Hersteller kündigen nach den Marktpremieren neuer Flachbildschirme das baldige Ende der Monitore mit Kathodenröhren an. Die neuen LCD-Bildschirme haben zwischen zehn und 15 Zoll und eine Bautiefe von 47 Millimetern. (du)

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