Das Problem der "New Economy"

25.05.2001

Knapp 1.000 Aussteller und 74.000 Besucher waren nach offiziellen Angaben dieses Jahr auf der Internet World in Berlin, um sich über die Welt des großen Netzes zu informieren. Damit ist die Internet World - zumindest den Zahlen nach - doppelt so groß geworden wie noch im Jahr 2000. Doch: Die von der Messegesellschaft gemeldete Besucherzahl ist nur schwer zu glauben. Zu leer waren die Gänge in den Hallen.

Außerdem: Neuheiten gab es bei der Ausstellung nicht wirklich zu sehen. Die meisten stammen aus Zeiten der diesjährigen Cebit - für eine schnelllebige Welt wie die des Internet zu alt, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Nur wenige Unternehmen wagten sich mit so genannten "Weltneuheiten" an die Öffentlichkeit - und die waren nicht wirklich prickelnd. Die SMS-Maus von Commmouse zum Beispiel wurde bestaunt, gedreht, gewendet und als Innovation gepriesen. Ziemlich mager für eine Internet-Messe, die eigentlich spannendere Themen bieten sollte. Die gab es auch, man musste sie nur finden und das war nicht immer ganz leicht.

Beim Rundgang durch die Berliner Hallen wurde man den Eindruck nicht los, dass das Gros der New Economy nicht genau weiß, was es eigentlich verkauft. Für den Besucher, auch den Fachbesucher, ist es harte Arbeit die geeigneten Geschäftspartner zu finden. Nicht, weil die Stände so klein oder unauffällig wären. Nein, Quadratmeterpreise um die 500 Mark und Platz ohne Ende ließen die Aussteller um einiges größer kalkulieren, als auf der Cebit. Die Größe war aber dann auch schon das beeindruckendste. Immer wieder stand man suchend vor einem bombastischen Messestand, entdeckte nach einigen Runden Augenakrobatik auch den Namen des Ausstellers. Und dann? Was macht der eigentlich? Hm, irgendwas mit Internet, klar. Und was genau? Aha - ein E-Consultant. Was berät der denn? Na gut, weiter zum nächsten Stand. Dort bekam der geneigte Messegast das Wort E-Logistiker in großen Lettern vorgesetzt. Hmm, was denn ein E-Logistiker sei, will man von der freundlichen Dame hinter den Werbebonbons wissen. "Naja, wir sammeln Informationen ein und verteilen die dann wieder." Aha. Weiter zum nächsten Stand. Content-Management-Systeme, Data Networking, innovative technologische Lösungen, E-Business-Partner - klasse: Ich bin im Bilde.

Die Mitglieder der New-Economy-Gemeinde haben ein großes Problem: Sie wissen nicht, was sie tun. Und sie können es nicht erklären - auch nicht dem Kunden, den sie - nebenbei bemerkt - nicht mal genau kennen. Fragt man bei einem X-beliebigen Unternehmen nach der Zielgruppe, dann bekommt man die Antwort: Mittelstand halt, oder B2B oder B2C oder naja, Enduser. Und dieses unbekannte Wesen Kunde steht nun auf der Internet World vor der Herausforderung, sich durch einen Dschungel von Begriffs-Spielereien zu kämpfen, um letztendlich einen geeigneten Anbieter zu finden, der zum Beispiel die firmeneigenen PCs ans Netz bringt oder einen Partner, der die eigene Website aufmotzt und sicher macht. Liebe New Economy, nach der Internet World bin ich der festen Überzeugung: So wie Ihr das angeht, kann das nichts werden. Ihr versucht nicht, Eure Kunden zu erreichen. Ihr lasst euch von ihnen finden. Und damit das nicht ganz so einfach wird, sprecht ihr in Rätseln, wie sie selbst von Insidern nur mit Mühe entschlüsselt werden können. Nur jene Kunden überleben bei Euch, die sich unerschrocken über Euer Fachbegriffs-Geblubber hinwegsetzen und penetrant nachfragen, was ihr eigentlich verkaufen wollt.

Übrigens: Viele "Fachbesucher" auf der Internet World waren getarnt - mit Nike-Turnschuhen, Sweatshirt und Jeans, die an den Kniekehlen hingen - und ab Mittag mit noch dazu großen übervollen Tüten, aus denen die Kugelschreiber quollen.

Gabi Nehls

gnehls@computerpartner.de

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