Das tut weh: MuM holt CAD-Nebenbuhler an Bord

28.11.2002
Das riecht nach Retourkutsche: Nachdem Autodesk im Sommer angekündigt hat, verstärkt auf Direktvertrieb zu setzen, reagiert der langjährige Disti, die Mensch und Maschine AG, mit einer neuen Partnerschaft. Mit PTC nehmen die Weßlinger einen direkten Konkurrenten des Softwareherstellers an Bord.

Die Zeiten haben sich geändert. Und darauf müssen wir reagieren", sagt Adi Drotleff, Vorstandsvorsitzender der Mensch und Maschine Software AG. Reaktionen erfordere beispielsweise die allgemeine Konjunkturschwäche, die mit zeitlicher Verzögerung im dritten Quartal den CAD-Markt erreichte und nun auch den Wachstumskurs von Mensch und Maschine (MuM) ins Stolpern brachte. Oder der Wunsch vieler Händler nach einem unabhängigeren Produkt-Portfolio. Und nicht zu vergessen, die Tatsache, dass mit Autodesk ausgerechnet der wichtigste Softwarelieferant der Weßlinger seit Juni verstärkt auf den Direktvertrieb setzt.

Auf das erste Problem reagiert Mensch und Maschine mit einem rigorosen Sparkurs, auf die beiden anderen mit einem neuen Partner: Die Parametric Technology Corporation (PTC) bringt im Frühjahr 2003 mit "Pro Engineer Wildfire" eine neue Produktlinie auf den Markt, MuM übernimmt hierfür die Value Added Distribution in 14 europäischen Ländern. Das Geschäft mit den Produkten des amerikanischen CAD-Spezialisten (Mechanik und Product-Lifecycle-Management) soll laut Drotleff - neben dem Vertrieb der Autodesk-Software und der eigenen Technologie - die dritte Säule des MuM-Geschäfts werden.

Autodesk bleibt im Portfolio

Tatsächlich ist diese Nachricht eine kleine Sensation: Denn bislang hegte MuM mit Autodesk - also einem PTC-Konkurrenten - 18 Jahre lang eine ungeschriebene Exklusiv-Partnerschaft. "Wir werden eine zweite Marke ins Portfolio nehmen", sagt Drotleff. "Und auch wenn Autodesk nicht so glücklich darüber ist, hoffen wir doch, dass wir deswegen in Zukunft nicht weniger gemeinsames Geschäft machen werden." Vorsorglich rechne man aber damit, dass es etwas rückläufig sein könnte: Denn dass sich die Freude des Herstellers über die neue MuM-Säule in Grenzen hält, gibt Drotleff offen zu. "Es war zwar eine reine Business-Entscheidung. Dass sie aber mit Emotionen verbunden ist, kann man nicht leugnen."

Gefühlsschwankungen gab es dabei auf beiden Seiten: Die Entscheidung habe durchaus mit der Ankündigung zu tun, dass Autodesk mit dem neu gegründeten "New Business Team" für Inventor auf direktem Wege Neukunden gewinnen will (siehe ComputerPartner 22/02, Seite 16) gibt Drotleff zu."Das hat uns natürlich beeinflusst. Und wir wollen Autodesk bei seiner neuen Strategie nicht im Wege stehen." Trotzdem sei die Entscheidung für die neue Partnerschaft vor allem "händlergetrieben" gefallen, sagt der Manager. Der Wunsch nach einem unabhängigeren Portfolio sei spürbar gewesen: "Die Frage ist jetzt, wie Autodesk reagieren wird. Da wissen wir vieles, aber nicht alles." Informiert habe man den Hersteller jedenfalls schon vor Wochen. "Uns ist bewusst, dass diese Partnerschaft im Markt und bei Autodesk nicht ohne Reaktionen bleiben wird."

Eigene Technologie gewinnt an Bedeutung

Die Prioritäten der Weßlinger werden sich auf jeden Fall verlagern. 1999 machte das Autodesk-Geschäft noch 90 Prozent des Rohertrages aus, zehn Prozent entfielen auf die MuM-Technologie. In diesem Jahr hielten sich die Bereiche in etwa die Waage (55 beziehungsweise 45 Prozent). Bis 2004, so schätzt der Vorstandsvorsitzende Adi Drottleff, werden 30 Prozent auf Autodesk, 40 auf die eigene Technik und 30 auf PTC entfallen.

Die Befürchtung, dass die Fachhandelspartner mit einer Wanderbewegung, beispielsweise in Richtung Tech Data, auf die neue Partnerschaft reagieren könnten, hat Drotleff nicht: "Das wird in der Summe neutral blieben", glaubt der Manager. "Einige werden uns verlassen, andere, die sich für eine Zwei-Marken-Strategie entscheiden, haben dafür nun keinen Grund mehr." Er persönlich betrachte das Händlernetz ohnehin als eine Art lebenden Organismus, der sich ständig verändere: "Es gibt hier eine jährliche Fluktuation von 25 bis 30 Prozent. So gesehen, wird das Händlernetz alle drei bis vier Jahre umgewälzt." Betrachte man die Angelegenheit statisch, müsse man natürlich ein Gezerre um die Händler befürchten. "Der indirekte Kanal entsteht aber vor allem dadurch, dass er attraktiv ist. Nicht ein anderer CAD-Hersteller ist das Problem, sondern, dass der Händler plötzlich lieber etwas anderes machen will, weil beispielsweise die Margen flachgeschlagen worden sind."

PTC: unbekannt, aber gesund

Mit PTC hat sich MuM einen Partner geholt, der in Deutschland zwar nicht so bekannt, aber auf jeden Fall sehr gesund ist. Im Geschäftsjahr 2002 (30. September) habe das Unternehmen einen Umsatz von 753 Millionen Dollar und ein positives Ergebnis vorzuweisen und verfüge über ein Barvermögen von 250 Millionen Dollar und keinerlei Bankverbindlichkeiten, wie Volker Smid, Senior Vice President General Business Europe bei PTC, betont. 33.000 Kunden habe man weltweit, sei in 76 Ländern vertreten und bringe in die Partnerschaft 80 Händler mit, die bei MuM "eingeklinkt" werden: 20 davon im deutschsprachigen Raum. Man habe bei der Partnersuche "keine Gesprächsgelegenheit" ausgespart, so Smid, sich aber dann bewusst für MuM entschieden. Drotleff bringt es in Abwesenheit des Partners noch etwas genauer auf den Punkt: "PTC hätte es sowieso gemacht. Warum sollten wir es uns dann entgehen lassen?"

Gegenüber Autodesk fühlt man sich jedenfalls nicht mehr zur Exklusivität verpflichtet, scheint es. Auch wenn die Strategie keine Überraschung sei, sagt Drotleff: "Dass Autodesk versucht, direkt an Endkunden zu verkaufen, ist eigentlich nichts Neues. Wir kennen das bereits aus anderen Ländern wie zum Beispiel Frankreich." Geärgert hat es ihn trotzdem: "Ich kann doch nur dann in Kunden und Distribution investieren, wenn ich mir sicher bin, dass nicht ausgerechnet der Hersteller mir vom Geschäft etwas wegschnappt."

www.mum.de

www.ptc.com/germany

ComputerPartner-Meinung:

Zweifellos ist die Entscheidung der Mensch und Maschine AG richtig: Die Partner verlangen mehr Auswahl, sie sollen sie bekommen. Ohne Turbulenzen mit Autodesk wird es nicht abgehen, das ist dem Management bewusst. (mf)

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