Der Kunde als Bittsteller: Service im IT-Handel

21.02.1997
MÜNCHEN: Der IT-Handel blüht und bietet vielen Verkäufern Arbeits-platz und Einkommen. Der Kunde steht jedoch oft ganz hinten in der Wertigkeit und muß sich allzu häufig mit mangelndem Service-Bewußtsein, Arroganz und Unfreundlichkeit konfrontieren lassen. Woher rühren diese Mängel und wie kann Abhilfe geschaffen werden? Antworten hierauf gibt Stefan Rohr*.Wer andere Länder bereist, kann neben seinen Reisefreuden oft noch andere wertige Erkenntnisse sammeln. Reisen bildet! Dabei widerfährt einem oft Eigentümliches und vielleicht auch Überlegenswertes. So zum Beispiel die Freundlichkeit im Umgang mit Kunden: Ein Lächeln auf den Gesichtern der Verkäufer, freundliche Beratung zum Besten des Kunden, Höflichkeit und stetes Bemühen, den Verkauf auch im Sinne der Firma erfolgreich abzuwickeln. Geduld und manchmal auch Großmut, sachgerecht verpackte und vielleicht ans Auto gebrachte Ware, alles im Preis inbegriffen. Ein guter Wunsch für die Fahrt oder für den zufriedenen Gebrauch der gerade erstandenen Ware. Reklamationen werden freundlich und schnell erledigt und defekte Geräte anstandslos ersetzt.

MÜNCHEN: Der IT-Handel blüht und bietet vielen Verkäufern Arbeits-platz und Einkommen. Der Kunde steht jedoch oft ganz hinten in der Wertigkeit und muß sich allzu häufig mit mangelndem Service-Bewußtsein, Arroganz und Unfreundlichkeit konfrontieren lassen. Woher rühren diese Mängel und wie kann Abhilfe geschaffen werden? Antworten hierauf gibt Stefan Rohr*.Wer andere Länder bereist, kann neben seinen Reisefreuden oft noch andere wertige Erkenntnisse sammeln. Reisen bildet! Dabei widerfährt einem oft Eigentümliches und vielleicht auch Überlegenswertes. So zum Beispiel die Freundlichkeit im Umgang mit Kunden: Ein Lächeln auf den Gesichtern der Verkäufer, freundliche Beratung zum Besten des Kunden, Höflichkeit und stetes Bemühen, den Verkauf auch im Sinne der Firma erfolgreich abzuwickeln. Geduld und manchmal auch Großmut, sachgerecht verpackte und vielleicht ans Auto gebrachte Ware, alles im Preis inbegriffen. Ein guter Wunsch für die Fahrt oder für den zufriedenen Gebrauch der gerade erstandenen Ware. Reklamationen werden freundlich und schnell erledigt und defekte Geräte anstandslos ersetzt.

Ein Märchen?

Daß sich dies für unsere (deutschen) Begriffe - insbesondere im IT-Handel - fast wie ein Märchen anhört, bedeutet die traurige Erkenntnis um verlorengegangenes Service-Bewußtsein in unserer Wirtschaft. Umso mehr ist es einmal wert, die Gründe dafür zu erkunden.

Wer einmal einen PC bei seinem IT-Händler gekauft hat, wird in aller Regel bereits wissen, was gemeint ist. Kaum ein verpacktes Gerät ist einwandfrei. Stecker, Kabel und Zusatzteile fehlen oder sind defekt. Handbücher werden nur noch auf ausdrücklichen Wunsch mitgeliefert oder sind "zur Zeit leider nicht mehr auf Lager". Die versprochene Zusendung läßt trotz fünffacher Nachfrage bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf sich warten. Telefonische Nachfragen können kaum gestellt werden, da das Verkaufspersonal so gut wie nie ans Telefon geht. Der Kunde hat gefälligst zum Verkäufer zu kommen, persönlich und bitte mit viel Zeit. Meckerer stehen ganz hinten in der Reihe - wenn sie überhaupt hereingelassen werden.

Reklamationen werden vom Verkäufer als persönliche Beleidigung aufgefaßt und der Kunde sollte froh sein, nicht gleich eine Tracht Prügel zu erhalten oder des Hauses verwiesen zu werden. Schließlich sind die Preise so kalkuliert, daß lediglich noch der Abverkauf inbegriffen ist. Was will der Kunde eigentlich? Sparen oder Händchenhalten? Dann soll er sich bitte auch nicht beschweren, wenn für Freundlichkeit und Service keine Zeit bleibt. Vom persönlichen Interesse des Verkäufers einmal ganz abgesehen. Und schließlich steckt man als Verkäufer doch nie selbst im Detail. Was weiß man davon, ob die Produktbestückung fehlerfrei gelaufen ist oder nicht. Was kann man denn dafür, wenn etwas fehlt oder defekt ist. Das kann doch immer einmal passieren. Im Verkauf wird nun einmal nur der Umsatz gezählt. Und Reklamationen sind eigentlich die Angelegenheiten anderer.

Fehlt da noch etwas? Ach ja! Da ist ja noch der Kunde, der mit seinem in bar bezahlten PC gar nicht arbeiten kann, weil irgendein Kabel nicht paßt. Ja, wo soll ein Ersatz jetzt plötzlich hergenommen werden? Zehn andere Kunden wollen außerdem gerade kaufen. "Sie! Mit Ihrem Kabel! Haben Sie die Rechnung mit?" Diese Frage zieht. Obwohl erst gestern gekauft, ist der "Beleg" zunächst das wichtigste Kundenabwehrmittel in dieser Verteidigungsphase. "Wenn keine Rechnung vorhanden ist, können wir gar nichts machen. Kommen Sie bei Gelegenheit einmal mit Ihrer Quittung vorbei (oder besser: Vergessen Sie's!!)."

Hotline zur Abwehr unangenehmer Kundenanfragen

Bei Nachfragen zu bestimmten Softwareproblemen wird mit trockener Mine auf die in den Begleitpapieren ausgewiesene Hotline-Nummer verwiesen. Und wenn der Verkäufer dabei ernst bleibt, zeugt das von enormer Selbstbeherrschung. Der Kunde soll gefälligst begreifen, daß sich der Verkauf nicht mit Kinkerlitzchen befassen kann. Man hat anderes zu tun, als sich mit Laien über Installationsprobleme zu unterhalten. Außerdem ist das ganze Thema ohnehin so leicht zu begreifen, wie die Fernbedienung eines Selbststeuerungsautos. Vielleicht sollte ja einmal die Bedienungsanleitung gelesen werden! "Wie, ist nicht dabei gewesen? Na, dann wenden Sie sich doch an die Hotline."

Folgt man diesem Rat, so kommt schnell der Gedanke auf, daß es sich um einen Telefonanschluß handelt, dem zur Abwehr unangenehmer Kundenanfragen ein automatisches Zählwerk vorgeschaltet wurde. Dieses soll Sorge tragen, den Anrufer erst in die erste von sechs Warteschlangen hineinzulassen, wenn er mindestens 579 Einzelversuche unternommen hat. Kommt er vielleicht wirklich einmal durch, steht meist auch der Gesprächspartner auf der anderen Seite im Dunkeln und kann noch nicht einmal selbst das Problem erfassen oder entschuldigt sich, weil er doch nur eine studentische Aushilfe ist und gestern gerade seinen ersten Tag hatte.

Resignation? Warum denn! Es ist doch eigentlich ganz einfach. Schließlich wurde innerhalb des Verkaufsgespräches dem PC-Sachunkundigen angeboten, eine Vollinstallation durchzuführen - gegen einen saftigen Aufpreis. "Umsonst ist bei uns nichts mehr." Der Preis läßt sich dabei noch vortrefflich in schwindelnde Höhen schrauben, da der eine oder andere Kunde vielleicht schon einmal erfahren hat, was ein Ausschlagen dieses Angebotes für Folgen nach sich ziehen kann. Darum sollte er es besser wahrnehmen, denn es ist eigentlich eines nach sizilianischer Manier, eines, das er nicht ausschlagen kann.

Nach erfolgter Barzahlung werden dem Kunden ... falsch, ab jetzt ist er ja keiner mehr ... die Kartons in die Arme gedrückt. Ein "Auf Wiedersehen" ist jetzt schon kaum noch machbar. Dem Kampf mit der schmalen Eingangstür, vorbei an sympathievortäuschenden Diskettenständern und beleuchteten Broschürenhaltern, wird mit müdem Interesse zugeschaut. Nicht etwa, um gegebenenfalls den Augenblick einer möglichen Hilfestellung zu erkennen, vielmehr weil man gewettet hat, ob dieser Kunde es allein schafft oder nicht. "Heute hatte ich zwei Knöchelverstauchungen." "Ich hatte eine Platzwunde am linken Jochbein." "Hah: Und ich hatte sogar eine Vollbauchlandung, mit Abschürfungen und zerschlissenem Anzug - her mit dem Tagesgewinn."

Unser Kunde ist König

Dabei wäre doch alles so schön einfach zu gestalten: Unser Kunde ist König. Er ernährt unsere Familien und sorgt für unsere Wohlbeschäftigung. Seine Zufriedenheit ist unsere Arbeitsplatzgarantie. Seine Nachfragen sorgen für die Absicherung unseres Folgegeschäftes. Seine Empfehlung schafft Wachstum. Seine Probleme sollten schnell ausgeräumt werden, da sie nicht gut für unser Image sind. Qualität sorgt für Kundenzufriedenheit. Zufriedene Kunden machen uns glücklich, weil unser Chef dann glücklich ist. Und dessen Kreditgeber auch.

Fehlt es unserer Gesellschaft wirklich so an adäquatem Service-Bewußtsein? Ist es der "Deutsche", der arrogant und serviceunwillig ist? Ist Dienstleistung in unseren Verkaufsstellen wirklich ein Instrument zur sozialen Erniedrigung des Verkaufspersonals? Wodurch entstehen solche Strömungen?

Problemursachen

Da steht zum einen der Kostendruck im Problemfeld. Der Wettbewerb ist hart und fordert den Mut zu immer niedrigeren Margen. Personalkosten sind da ein enormes Steuerungsmoment. Möglichst wenig Verkäufer, die möglichst wenig verdienen und möglichst viel verkaufen.

Diese Milchmädchenrechnung geht jedoch nicht auf. Verkauf, und das ist der nächste Aspekt des Gesamtproblems, ist nicht nur der Prozeß des Rechnungsschreibens und Kassierens. Verkauf versteht sich in vielen Phasen, was der eine oder andere Verkäufer sicherlich schon einmal unter "Pro-Sales", "Sales" und "Pre-Sales" vernommen haben mag. Der Kunde selbst hat zudem eine wesentlich länger wirkende "Beziehung" zum Verkäufer (oder dessen Firma) aufgebaut, als auf den ersten Blick vermutet wird. Schließlich ist es das Produkt, dessen Güte und Macken direkt mit dem Handel verknüpft werden. Läuft der PC nach einem Jahr nicht mehr, richtet sich der erste Hilfeschrei an den einstigen Verkäufer oder dessen Kollegen.

Das dritte Problem in der Sache ist die "soziale Kompetenz" des Verkäufers selbst. Mag ja sein, daß dieser ein guter PC-Spezialist ist. Aber leider kann er mit Kunden nicht so einfühlend wie erforderlich umgehen, ist introvertiert oder permanent schlecht gelaunt. Ein Verkäufer im IT-Handel benötigt eine ebenso hohe Affinität zum Verkauf und zur Kundenarbeit, wie die Kundenberaterin in der Damenoberbekleidung.

Verkäufer gezielter schulen

Würden die IT-Verkaufsmitarbeiter gezielter ausgewählt, geschult und auch nach ihrem Service-Verhalten beurteilt, könnte eine ganze Menge im Sinne der Unternehmenszielsetzungen erreicht werden. Dahinter sollten die Service-Angebote, die vollmundig vor dem Verkauf verkündet werden, hinterher auch eingehalten werden. Dazu zählt auch die Qualitätskontrolle, die dem Verkäufer selbst eine ganze Menge Mühe erspart.

Damit wären wir am vierten und letzten Punkt der Problematik angelangt, der in der grundlegenden Einstellung der Unternehmensleitung besteht. Diese muß die Fäden zusammenhalten und die Vorgaben sowie Leitgedanken für die Kunden- und Servicearbeit, das Qualitätsdenken und die Leistungen des Verkäufers prägen. Fangen wir mit unserer Optimierung deshalb - auch wenn es als das Naheliegendste erscheint - nicht immer am tiefsten Punkt der Pyramide an. Hier ist nur der gesamte Druck zu tragen. Die Unternehmensleitungen sind es, die von den Kunden angesprochen werden sollten.

Also: Auf gehts. Kann ja nur besser werden.

* Stefan Rohr ist geschäftsführender Gesellschafter der r&p management consulting Hamburg/Düsseldorf/Frankfurt

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