Abschied vom Kollektivgeist

Der "Sozial-Kitt" bricht weg - na und?

11.03.2009

Heutzutage gibt's wenig zu verteilen

In Boom-Zeiten ist das kein Problem. Denn dann ist genug zum Verteilen da. Anders ist dies in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Dann zeigt sich: Die Ressourcen jedes Unternehmens sind begrenzt und die (Unternehmens-)Führung unterliegt Sachzwängen, denen sie sich nicht entziehen kann.

Für die meisten Mitarbeiter ist diese Erkenntnis nicht neu. Sie erachten den Appell an das kollektive "Wir" ohnehin als Führungsrhetorik und die glatt gebürsteten (Führungs-)Leitlinien sowie Mitarbeiterpostillen entlocken ihnen nur ein müdes Gähnen. Denn sie wissen: Was im Unternehmensalltag letztlich zählt, ist Leistung ... und das, was unter dem Strich übrig bleibt.

Für manche Mitarbeiter ist das Wegbrechen des Sozial-Kitts in Krisenzeiten aber eine Desillusionierung. "Haben unsere Chefs nicht gesagt, dass ...?" oder "Steht in unseren Leitlinien nicht ...?" Sie fühlen sich verraten und verkauft. Also gehen sie innerlich auf Distanz zu ihrem Arbeitgeber, was auch ihre künftige Arbeitshaltung prägt.

Deshalb sollten Führungskräfte im Führungsalltag möglichst selten an das kollektive "Wir" appellieren. Statt diese verschleiernde Führungsrhetorik zu gebrauchen, sollten sie im Gespräch mit ihren Mitarbeitern klar herausarbeiten:

- Welche gemeinsamen Interessen haben wir und wo divergieren diese? Und:

- Welche Interessen lassen sich (nur) unter bestimmten Voraussetzungen unter einen Hut bringen?

Dann können sie leichter ein solides Fundament für eine Zusammenarbeit legen, die auch in schlechten Zeiten trägt. Denn die Mitarbeiter spüren: Mein Chef ist ehrlich. Er verschweigt mir nicht, dass das Erzielen von Gewinn zu den undiskutierbaren Zielen des Unternehmens zählt. Er akzeptiert aber auch, dass meine Ziele teils andere als seine und die des Unternehmens sind. Und er versucht diese - soweit möglich - unter einen Hut zu bringen.

Also sind die Mitarbeiter zwar enttäuscht, wenn ihr Vorgesetzter ihnen zum Beispiel verkündet: "Tut mir leid, unsere Umsätze und Erträge sind eingeknickt. Deshalb kann ich nicht ..." Dies belastet aber nicht ihre Beziehung zu ihrem Vorgesetzten (sowie zum Unternehmen). Denn er war ihnen gegenüber ehrlich und hat ihnen nicht ein X für ein U verkauft.

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