Der Streit um Microsofts Lizenzpolitik geht am Thema vorbei

11.10.2001

Die IT-Flaute ist real. Maßnahmen, wie sie überwunden werden kann, sind gefragt. Die Mittel, die Unternehmen haben, sind bekannt: produktive Anwendungen. Dafür liefern Softwarefirmen stabile Werkzeuge.

Doch betrachtet man die gegenwärtige Diskussion zwischen Microsoft-Anwendern und Microsoft, hat man den Eindruck, dass sie diese Grundlagen des Handelns weniger beschäftigen als die Frage der richtigen Lizenzpolitik. Beider aktueller Standpunkt lautet nämlich: "Ich bekomme nicht, was ich will, und der andere ist Schuld."

Anlass des Jammerns ist die Neuregelung der Unternehmenslizenzverträge (siehe Seite 12), die seit dem 1. Oktober gültig ist. Die Unternehmerseite klagt über erhebliche Mehrkosten. Bis zu 1,3 Milliarden Dollar will man allein in Großbritannien errechnet haben. Und Microsoft sagt, das neue Lizenzprogramm werde missverstanden. Denn die Simplifizierung der Lizenzbestimmungen bedeute für vier Fünftel der Unternehmen keinerlei Mehrkosten.

Die Positionen sind bezogen, beide Seiten fühlen sich im Recht, und beide zeigen sich enttäuscht, dass der Andere, da er nur den eigenen Standpunkt zugrunde lege, den des anderen übersehen habe.

"Unsere Partner wollen, dass wir ihnen Administration und Logistik abnehmen", versucht nun Wolfgang Ebermann, Mitglied der deutschen Microsoft-Geschäftsleitung, Unternehmen zu ködern. Diese würden langsam die Übersicht über ihre Lizenzen, Rahmen- und Aktualisierungsverträge verlieren, weshalb Microsoft zu ihrem eigenen Wohl die "Software-Assurance" eingeführt habe. Dass diese Begründung an ein Argumentationsritual erinnert, das im Verhältnis Eltern/Kind (aber nicht nur in diesem) eine bis heute bedeutende Rolle spielt: "Ich will Dein Bestes. Da Du es noch nicht begreifst, muss ich es tun und darauf warten, bis Du es später begreifst", übersieht Microsoft. Dass Unternehmen diese Art der Bevormundung für verfehlt halten, wundert nicht.

Doch ebenso zeigt die gegenwärtige Argumentation der Firmen, dass sie nur eine betriebswirtschaftliche Sicht auf ihre Software-Parks kennen. Statt von Redmond Garantien für stabil laufende Anwendungen zu verlangen und erst für diese einen angemessenen Preis zu zahlen, geht es ihnen um Besitzstandswahrung. Auch wenn dies am Zustand ihrer heterogen IT-Parks nichts ändern wird.

Doch diese Haltung, auch wenn sie im uralten Geschäft der Vertragsverhandlung normal erscheint, ist angesichts der momentanen IT-Flaute unproduktiv. Es geht darum, welche Konsequenzen man inmitten dieser Talfahrt ziehen kann. Die Kontrahenten sollten sich auf ihre jeweiligen Aufgaben besinnen: bessere Software und produktive IT-Investitionen. Und für die Verwirklichung dieser Ziele gehören beide Seiten an einen Tisch!

Darüber hartnäckig zu verhandeln würde sich wahrlich lohnen. Der Streit um die Lizenzpolitik dagegen erscheint derzeit sekundär.

Wolfgang Leierseder

wleierseder@computerpartner.com

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