Die Zukunft der IT-Branche liegt in horizontalen Geschäftsmodellen

12.09.2002
Statt immer nur die Wirtschaftskrise für ihre Misere verantwortlich zu machen, sollten sich die IT-Hersteller auf eine noch mehr von Margen und Wettbewerbsdruck geprägte Zukunft einstellen und ihre Geschäftsmodelle dementsprechend überdenken. Das fordert die Unternehmensberatung PwC Consulting.

Verticom Technologies ist eine imaginäre Firma im imaginären Raum irgendwo in Amerika. Verticom steht für viele IT-Unternehmen, die in dem verzweifelten Versuch, die Rezession 2000 bis 2002 zu umfahren, ihre Produktpalette vertikal diversifizieren, statt sich auf die eigene Kernkompetenz als Technologieführer in einem bestimmten Produktbereich zu besinnen und diese horizontal in strategische Partnerschaften zusammenzuführen. Als alles scheitert, bleibt Verticom nur noch der Rückzug in einen kleinen, aber hochtechnologischen Nischenmarkt.

Abschied von der Vertikalen

So oder so ähnlich könnte es laut PwC Consulting vielen Herstellern ergehen, die wie Verticom an proprietär und vertikal orientierten Geschäftsmodellen kleben. Die Zukunft liege vielmehr in horizontalen Geschäftsmodellen. Mit "vertikal" meint die Studie die Ausrichtung nach den sieben Produktgruppen, welche die Hightech-Industrie bestimmen. Diese sind PCs, Server, Storage, Netzwerk- und Kommunikationsgeräte, Consumer-Elektronik und medizinisches Gerät. "Horizontal" bezeichnet die Hauptebenen innerhalb einer vertikalen Produktgruppe. Dazu gehören Halbleiterausrüs-tung, Halbleiter und Komponenten, Hardware und Assemblierung, Betriebssysteme, Anwendungssoftware und Systemintegratoren sowie andere Service-Provider.

Außerdem müssten sich die Hersteller, so heißt es in der Studie, auf noch mehr Wettbewerbs- und Preisdruck einstellen, der es erfordere, dass heutige Konkurrenten zum Wohle ihres Überlebens je nach ihren Fähigkeiten zusammentun. Statt also nur zu jammern und die aktuelle Wirtschaftslage für ihre Misere verantwortlich zu machen, sollten die Unternehmen heute schon strategisch planen und sich auf eine möglicherweise noch schlimmere Zukunft vorbereiten.

"Zukunftsorientierte IT-Unternehmen sollten sich öffnen und die Zusammenarbeit mit anderen Play-ern im Markt - auch und gerade in Bezug auf ihre eigenen Lösungen - forcieren", meint Rolf Sackmann, IT Solutions Leader Central Europe bei PwC Consulting. "Denn das Aufbrechen von IT-Lösungen auf Komponenten- und Layer-Ebene treibt die Entwicklung von kompatiblen und kosteneffizienten Lösungen voran." Teamgeist, wie von den Mitarbeitern stets gefordert, sollte sich also auch auf Unternehmensebene fortsetzen.

Preis-Leistungs-Rennen

Nur das beste Preis-Leistungs-Verhältnis werde künftig das Rennen in dem immer stärkeren Wettbewerb machen. Man denke nur an Apple: Seit Anfang der 90er-Jahre immer ein wenig teurer als vergleichbare PCs, ist der Marktan-teil der Mac-Computer seither von fast 50 auf unter 10 Prozent abgerutscht. Neue Konkurrenten können sich zunächst nur über den Preis etablieren - siehe etwa Dell.

Der sich bei Speichermedien und Prozessoren bereits abzeichnende Wandel in der Wertschöpfungskette greift immer mehr Raum. Produkte und Dienstleitungen innovativer Komponentenhersteller und Solution Provider werden in diesem Szenario zunehmend an Bedeutung gewinnen. Design und Assemblierung tragen nicht länger zur Er-zielung hoher Margen bei. "Im Gegenteil", sagt Sackmann. "Der Hauptteil der Wertschöpfung wandert in zwei entgegengesetzte Richtungen, nämlich ,upstream‘ zu innovativen Komponentenherstellern (Hardware und Software) und 'downstream' zu den lösungsorientierten Integratoren (Solution Integrators). Das Resultat: Die Wertschöpfung wird entlang der Kette neu verteilt."

Während sich die Produkte immer stärker ähneln, werden sie sich künftig hauptsächlich über die Marke und den Kunden-Support differenzieren. Die "weichen" Faktoren wie Branding, Service und Kundenbindung werden entscheidend für einen anhaltenden Erfolg. Wer im Netzwerkgeschäft bestehen will, muss innerhalb der Wertschöpfungskette nach strategischen Partnerschaften suchen. Virtuelle Konsortien werden entstehen, um gemeinsam die globalen Kundenanforderungen zu bewältigen.

Was die Globalisierung angeht, sei diese nach außen schon weit gehend abgeschlossen, es fehle jedoch an der inneren Globalisierung. Globale Organisationen haben ein vitales Interesse an weltweit verfügbaren Services, SupportLeistungen und Lieferkonditionen. Dies erfordere auf Anbieterseite einen hohen Grad der internen Vernetzung. "Hier geht es in erster Linie um das Aufbrechen lokaler Königreiche. Bevor hier nicht umgedacht wird, wird es keine wirklich global agierende Organisation geben", betont Sackmann.

Bisher konkurrieren die IT-Hersteller weit gehend auf der vertikalen Ebene: Sun Microsystems, und Hewlett-Packard/Compaq auf dem Servermarkt, Nortel Networks, Lucent sowie Cisco bei Netzwerken und Kommunikation. Sie alle müssen sich aber auf das Entstehen lösungsorientierter Integratoren einstellen, die quasi als Universalanbieter auftreten, womit auch wieder neue Player in den Markt eintreten. Was bei vielen Unternehmen letztendlich fehlt, sind strategische Visionen.

www.pwcglobal.com

ComputerPartner-Meinung:

Das Beispiel der imaginären Hightech-Schmiede Verticom scheint tatsächlich nicht aus der Luft gegriffen zu sein. Viele IT-Unternehmen diversifizieren heute um der lieben Marktanteile willen auf Teufel komm raus, statt sich auf ihre Kernkompetenzen zu besinnen und langfristige strategische Synergien zu suchen. (kh)

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