Digital verlagert seine Hausmesse auf die Systems '97

25.04.1997
MÜNCHEN: Gerhard Rock ist in der Branche besonders für ein Faible bekannt: Er veranstaltet mit Leidenschaft Hausmessen. Da ist er in seiner Position als Leiter Marketing Services Group (Systems Business Unit) bei Digital Equipment gerade richtig. Doch die Messelandschaft verändert sich, und um alle Anforderungen von Vertriebspartnern und Kunden - aber auch von der eigenen Finanzabteilung - unter einen Hut zu bringen, plant er Ungewöhnliches.? Was halten Sie für den Sinn und Zweck von Hausmessen?

MÜNCHEN: Gerhard Rock ist in der Branche besonders für ein Faible bekannt: Er veranstaltet mit Leidenschaft Hausmessen. Da ist er in seiner Position als Leiter Marketing Services Group (Systems Business Unit) bei Digital Equipment gerade richtig. Doch die Messelandschaft verändert sich, und um alle Anforderungen von Vertriebspartnern und Kunden - aber auch von der eigenen Finanzabteilung - unter einen Hut zu bringen, plant er Ungewöhnliches.? Was halten Sie für den Sinn und Zweck von Hausmessen?

ROCK: Wir veranstalten jetzt seit fünf Jahren Hausmessen. Der Hintergrund war, daß die normalen Publikumsmessen unsere Zielgruppe - hochprofessionelle IT-Spezialisten - nicht mehr erreichten.

? Das mag sicher für die CeBIT gelten. Wie sieht es bei der Systems aus?

ROCK: Na ja, die positionieren sich als Fachmesse, da ist aber auch viel Marketingstrategie der Veranstalter dabei - genau wie bei der IFABO in Wien beispielsweise. Das Problem ist doch - da kommen die Kunden zum Exponat, haben nur ein paar Minuten Zeit - und nach spätestens drei Stunden sind sie so erschlagen vom Überangebot, daß Fachgespräche fast nicht mehr möglich sind.

? Das Kaufhaussyndrom, meinen Sie?

ROCK: Ja, das ist ein guter Vergleich. Unsere IT-Spezialisten, die wir zu solch einem Event für viel Geld geladen haben, wollen mehr als das. Und aus dieser Überlegung heraus ist die Hausmesse entstanden. Der Clou dabei ist, wirklich alle Digital-Systeme anzubieten. Ein Kunde will beispielsweise 30 neue Workstations. Die findet er. Dann braucht er noch einen Server - und geht nur ein paar Schritte weiter. Als nächstes fällt ihm das entsprechende Betriebssystem ein - und letztendlich sagt er sich, das muß ja auch irgendjemand managen. Ich will das outsourcen - mal sehen, ob es bei Digital jemanden gibt, der das für mich übernimmt. Und so weiter.

? Damit kann man schlecht auf Tour gehen.

ROCK: Ja. Unsere Veranstaltungen hatten von jeher eigentlich einen Digital-Fachmesse-Charakter. Und das kam gut an.

? Warum wollen Sie das Konzept dann ändern?

ROCK: Im letzten Jahr haben wir beispielsweise den riesigen Parkplatz vor unserem Unternehmen in Johanneskirchen komplett überdacht und drei riesige Zelte hingestellt. In zwei Zelten waren die Exponate, im dritten fanden die zusätzlichen Events statt - wie Catering, Podiumsdiskussionen, die Abendveranstaltungen und so weiter. Da mußte eine riesige Infrastruktur hingestellt werden - der Aufwand für eine solche Hausmesse ist enorm.

? Was kostet denn den Veranstalter so eine Messe?

ROCK: Das ging in die Millionen - und das war auch ein Grund, warum wir das Konzept weiterentwickelt haben.

? Weiterentwickelt - nicht zurückgeschnitten?

ROCK: Weiterentwickelt - Sie werden sehen. Die Dinge, die gut angekommen sind und erfolgreich waren, wollen wir ja in das Systems-Konzept hinüberretten. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise extrem stark unsere Partner miteingebunden. Rund 80 Partner haben mitausgestellt. Die Besucher waren potentielle und bestehende Kunden. Wir laden immer unsere ganze installierte Basis ein, das sind rund 30.000 Kunden.

Die Partner, die ausstellen, haben bislang einen Slot bekommen, für rund vier- bis fünftausend Mark konnte man teilnehmen. Auf der Messe im Herbst werden wir den Partnern einen kompletten Messearbeitsplatz zur Verfügung stellen, groß genug, um auch Besprechungen abhalten zu können.

? Viele Hersteller richten bei solchen Gelegenheiten ihren Partnern Messestände aus, die verdächtig an "Jugend forscht" erinnern...

ROCK: Das werden wir sicher vermeiden. Wir bieten Platz und vor allem keine uniformen Stände. Wer sich mehr engagieren möchte, investiert eben auch mehr. Wir bieten jedem einen Quarter - also rund zehn Quadratmeter Fläche, für rund 6.500 Mark. Das ist - wenn man die Fläche hochrechnet - sogar weniger als bei unserer Hausmesse, da hatte er rund vier Quadratmeter. Dafür ist er dann in Halle 12 auf der Systems. Wenn er mehr haben möchte: Das kann er haben. Aber das ist natürlich auch einer der Gedanken bei dem Systems-Vorhaben: Der Partner soll sich personell und finanziell stärker beteiligen.

? Neben den hohen Unkosten - welche Gründe haben Sie noch, Ihre Hausmesse auf die Systems zu verlegen?

ROCK: Mit den Hausmessen im traditionellen Sinn wird im wesentlichen nur unsere installierte Kundenbasis erreicht. Unsere Partner haben die bisherigen Veranstaltungen immer sehr positiv aufgenommen, aber klar moniert, daß eine Neuakquise so nicht möglich sei. Mit der Verlegung auf die Systems erreichen wir nicht nur die bestehende Klientel, sondern auch andere, die nur mal bei uns reinschauen - und dableiben.

? Und wie wollen Sie die festhalten?

ROCK: Sie müssen Eye-Catcher haben. Podiumsdiskussionen - einmal anders, beispielsweise. Richtige Streitgespräche. Drei Leute auf der einen Seiten, drei auf der anderen, keiner darf sitzen, alle müssen stehen - da ist man aggressiver. Für die Systems planen wir zum Beispiel einen "heißen Stuhl". Stellen Sie sich einmal vor, da sitzt dann ganz oben, drei oder vier Meter hoch, jemand von Microsoft und muß Stellung beziehen und sich der Konkurrenz stellen.

Keine ablesenden Vortrager, keine Folien, da steigt das Publikum aus. Statt dessen bieten wir Freibier, Musik, intellektuell anregende Gespräche. Mir ist vor allem wichtig, daß unsere Vertriebspartner wissen: Den Event machen wir für Dich und Du mußt Dich jetzt auch einmischen. Das funktioniert.

? Das klingt nach einem Image-Wechsel.

ROCK: Ja genau. Und das ist neben dem Kosten- und Neukundenargument der dritte Grund für die Verlegung auf die Systems: Das Imaging und Branding von Digital und seinen Produkten ist auf einer Fach-publikumsmesse wie einer Systems wesentlich besser möglich.

? Sie zielen auf ein jüngeres Publikum?

ROCK: Das sind die Käufer von morgen. Deshalb werden wir beispielsweise ein Intranet-Café einrichten, die Leute sollen ja länger bleiben. So eine richtige futuristische Kaffeehaus-Atmosphäre. Am besten wäre, sie verbringen einen ganzen Tag nur in unserer Halle. Da muß das Catering natürlich phantastisch sein. Wir diskutieren derzeit, ob wir nicht versuchen sollten, auch Fernsehstationen zu gewinnen.

Oder wir überlegen, ob wir nicht einen Streetball-Trainer mit reinholen und Besucher anlocken. Wir wollen einfach bewußt progressiver auftreten.

? Noch einmal zurück zu den Partnern, die mitausstellen. Was soll die - außer der größeren Fläche - dazu bewegen, auf der Systems mitzumachen?

ROCK: Zum einen sparen wir durch die Verlagerung ja eine Menge. Dieses Geld wird - und das ist sicher - in Partnerprogramme während der Veranstaltung investiert. Wir wollen auch weniger selber ausstellen, sondern überall da, wo ein Partner ein Exponat hat und Digital ein ähnliches - fliegt das Digital-Exponat raus.

Wir gründen derzeit übrigens einen Hallenbeirat - und da sind jetzt schon drei unserer Vertriebspartner drin.

* Das Interview führte ComputerPartner-Redakteurin Ute Dorau

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