Erstes Händlerziel heißt Überleben

07.02.2002
Kaum noch ein europäischer IT-Händler ist sich seiner Zukunft sicher. Im elften Channel Tracker Report zeigen Morgan Stanley & Global Touch auf, welche Auswirkungen die aggressiven Preiskämpfe der Hersteller, Rezession und Margenverfall auf den Fachhandel haben.

Gemeinsam mit dem Channel-Consultant Global Touch hat der Marktforscher Morgan Stanley nun den elften "Channel Tracker Report" veröffentlicht. Dazu wurden insgesamt 495 Fachhandelspartner zum Jahreswechsel nach ihrer Einschätzung des Marktes und ihren Erfahrungen im vierten Quartal des Jahres 2001 befragt. 229 der Interviewten sind in den USA ansässig, mit 266 die Mehrheit in Europa. Letztere setzen sich aus Distributoren (22 Prozent), VARs (68 Prozent), Systemintegratoren (neun Prozent) und Retailern (ein Prozent) zusammen. Ihr gesamtes Umsatzvolumen beträgt 153 Milliarden Dollar.

Entgegen der Marktprognosen von IDC, wonach der PC-Markt in Westeuropa im vierten Quartal massive Verluste einfuhr (siehe dazu ComputerPartner 04/02, Seite 30), gehen die europäischen Channelpartner für Q4/01 von einem Plus von fünf Prozent aus. Damit liegt die durchschnittliche Bewertung dieses Zeitraumes tendenziell unter der des dritten Quartals. Knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) gaben an, dass die PC-Verkäufe jedoch unter ihren Erwartungen lagen. Im dritten Quartal waren nur 39 Prozent enttäuscht. Für das erste Halbjahr 2002 hat die Mehrzahl (71 Prozent) der europäischen Befragten sicherheitshalber ihre Umsatzerwartungen deutlich zurückgefahren.

Der IT-Markt wird von drei wichtigen Faktoren nachhaltig beeinflusst: Vom durchschnittlichen Verkaufspreis, von den Umsätzen (beziehungsweise Stückzahlen) und von den Margen.

Ähnlich wie die US-Kollegen empfanden die Europäer den Preisverfall von 5 bis 15 Prozent etwas aggressiver als im Vorquartal. Während der Preisrutsch im Mobile-Bereich mit acht Prozent eher moderat ausgefallen ist, fiel im (Unix-)Server-Bereich der Preiskampf spürbar aggressiver aus. Im Desktop-Segment wurde die Preisgestaltung der Hersteller nur etwas kämpferischer als im dritten Quartal empfunden. Für die erste Jahreshälfte 2002 erwarten die Fachhändler für alle Formfaktoren weitere Preiskämpfe.

Auch Morgan Stanley & Global Touch ist der selben Meinung. Die Analysten befürchten dabei, dass es zu langanhaltenden Konsequenzen für die IT-Channel-Struktur kommt. Die Auswertungen zeigten, dass die Hersteller in den letzten Quartalen ihre partnerschaftliche Beziehung zum Fachhandel ihrem massiven Wunsch, Verkäufe abzuschließen, opfern würden. Dennis Sangster, Präsident und CEO von Global Touch erklärt: "Derzeit sehe ich kaum Chancen, dass sich die Einnahmensituation der Fachhändler in absehbarer Zeit erholt. Die Preise und die Margen sind derart unter Druck geraten, dass die Channelpartner vor massiven finanziellen Herausforderungen stehen. Sie werden nicht mehr vor der Frage stehen "Wie kann ich die neueste Technologie am besten verkaufen?" sondern "Wie kann ich mein Geschäft am Leben halten und einen Bankrott abwehren?"

Die wenigsten der Befragten vertrauen bei dieser Aufgabe auf Desktops. Mehr als 40 Prozent (fast doppelt so viel wie im dritten Quartal) glauben, dass der Handel mit den Standgeräten zu Umsatzeinbrüchen führen wird. Auch die Hoffnungen auf profitable Geschäfte mit Notebooks und Server haben sich relativiert. Tendenziell werden hier keine Schwankungen nach oben oder unten erwartet.

Zeit ist Geld, das gilt erst recht für die Lagerverweildauer preissensitiver IT-Produkte. Während die US-Händler in der Regel die PCs drei bis vier Wochen auf Lager haben, liegt die durchschnittliche Verweildauer in Europa bei drei bis fünf Wochen, wobei die Server tendenziell etwas länger zwischengelagert werden als im dritten Quartal.

Apple-Produkte bleiben ähnlich lange auf Lager wie im dritten Quartal, wobei die genaue Bewertung nicht möglich ist, da der Anteil der Antworten "Keine Antwort" überproportional von etwa 30 auf 50 (bei Portables sogar auf 55) Prozent gestiegen ist. Compaqs Server und Desktops erfahren in der Regel eine normale (drei bis vier Wochen) Lagerphase, während die Notebooks sogar tendenziell etwas schneller drehen. Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei Hewlett-Packard sowie bei IBM ab.

www.morganstanley.com

ComputerPartner-Meinung:

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste - und Unsicherheit wohl das Los der IT-Händler. Die Hersteller scheinen so sehr mit sich beschäftigt zu sein, dass sie ihre Partner und deren Nöte aus den Augen verlieren. Gerade der Preisdruck und der damit einhergehende Margenverfall beschäftigt die meisten IT-Fachhändler in den USA genauso wie in Europa. Jetzt heißt es, selber nach sicheren Einnahmequellen, wie etwa qualifizierter Service, suchen. (go)

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