Fur den Privatanleger zählt vor allem die Story

04.01.1999

MÜNCHEN: Internet-Aktien sind für Anleger gleichermaßen begehrt wie gefürchtet. Die irrationale Bewertung einzelner Titel sollte allerdings nachdenklich stimmen.Das hatte sich Peter Macnee anders vorgestellt. Der Vorstandschef der New Yorker Internet-Gemeinschaft Fortune City wollte sein Unternehmen nicht an der Nasdaq, sondern am Neuen Markt in Frankfurt gelistet sehen. Der Grund: An der Wallstreet wäre man nur einer von mehreren Playern in dieser Internet-Division gewesen. Doch anders als erwartet profitierte der neue Titel diesmal nicht von der Internet-Phantasie der Anleger. Die mit 15 Euro ausgegebene Aktie legte am ersten Handelstag nur um fünf Euro zu und lag am 24. März nur knapp über Emissionspreis.

Während der Kurs von Fortune City quasi gegen die Wand lief, gibt es auf dem Frankfurter Kurszettel aber auch neue Internet-Namen, deren Notierungen am ersten Handelstag buchstäblich durch die Decke gingen. So geschehen bei der Frankfurter I:FAO AG, einem Entwickler von Software für Geschäftsreisen. I:FAO erzielte im Geschäftsjahr 1998 einen Umsatz von 33,5 Millionen Mark.

Obwohl das Unternehmen wie in den vorausgegangenen Jahren immer noch Verluste macht (1998: zwei Millionen Mark) und schwarze Zahlen nicht vor 2001 erwartet werden, gelang der mit 21 Euro ausgegebenen Aktie am ersten Handelstag ein Sprung auf 95 Euro. Wer allerdings zu diesem Kurs einstieg, hat fürs erste das Nachsehen, denn die Aktie befindet sich momentan im freien Fall und notierte am 24. März nur mehr bei bei 68 Euro.

Geschäftszahlen interessieren Privatanleger kaum

Die Internet-Euphorie der Anleger dürfte auch bei der Aktie der Endemann Internet AG, Neuss, zu einer irrationalen Bewertung geführt haben. Ein Blick auf die Geschäftszahlen des Suchmaschinen-Winzlings verdeutlicht warum. 1998 kam das Small-Cap-Unternehmen durch Werbeeinnahmen auf mickrige 1,3 Millionen Mark Umsatz. Unterm Strich sprang ein kleiner Profit von 180.000 Mark heraus. Endemann sei das Unternehmen, das zwar Gewinn mache, allerdings keinen Umsatz, witzelten denn auch Branchenbeobachter im Vorfeld des Börsengangs.

Doch am ersten Handelstag wurde mit dem neuen Internet-Wert eine Kursrakete gezündet, die von 23 auf 104 Euro hochschoß (24.3: 89,5 Euro). Beispiele wie diese legen den Schluß nahe, daß sich vor allem die Privatanleger bei Internet-Aktien weniger für die fundamentalen Unternehmensdaten oder Planungssicherheiten interessieren. Was zählt, ist einig und allein die Story des Unternehmens. Shooting-Stars aus dem Cyberspace haben dabei gute Karten. Die aktuelle Börsenbewertung von Endemann liegt übrigens bei 414 Millionen Mark (24.3.).

Kleine Player mit Horrenden Bewertungen

Doch auch bei anderen Unternehmen mag das Verhältnis von Umsatz und Börsenkapitalisierung irritieren. Beispiel: Infomatec. Das seit Juli 1998 am Neuen Markt notierte Unternehmen hat aktuell (24.3.) einen Börsenwert von 2,476 Milliarden Mark bei einem Umsatz von rund 20 Millionen Mark im Geschäftsjahr 1998. Die Augsburger verstanden es, sich durch beinahe schon wöchentliche Ad-hoc-Meldungen geschickt als Internet-Company zu verkaufen und so eine Kursrallye zu starten. Noch im letzten Jahr stammten jedoch 70 Prozent der Einnahmen vorwiegend aus der Implementierung von SAP-R/3-Systemen.

Wie auch in den Vereinigten Staaten steht heimischen Internet-Newcomern der eigentliche Härtetest erst noch bevor. Viele Firmen müssen zunächst beweisen, daß sie den hohen Bewertungen auch tatsächlich entsprechen und hier nicht die Erwartungen der Anleger auf lange Sicht vorweggenommen sind. Aktionäre, die sich dem Run auf diese Aktien anschließen, müssen sich angesichts der anhaltenden Kurskorrekturen auch in Zukunft auf eine erhöhte Volatilität (Schwankungsbreite) einstellen. Bei denjenigen Firmen, deren Gewinne noch Zukunftsmusik sind, besteht nicht nur erhöhtes Crash-Potential, die Geduld der Aktionäre kann mitunter auch auf eine harte Probe gestellt werden. (god)

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