Gainward gegen Actebis: Ein Schlagabtausch nimmt seinen Lauf

01.08.2002
Mal wieder Zoff in Soest: Diesmal tragen Lieferant Gainward und der ehemalige Vertriebspartner Actebis ihren Streit in der Öffentlichkeit aus. Die eine Seite will Geld, die andere aber nicht den geforderten Betrag zahlen. Eine gütliche Einigung scheint dabei in unerreichbare Ferne gerückt zu sein.

Beim Anruf der ComputerPartner-Redaktion vergangenen Donnerstag gab sich Actebis-Chef Michael Urban völlig baff. Nein, von der Gainward-Pressemitteilung wisse er noch nichts. In seinen zwölf Jahren Distributionserfahrung habe er so was noch nicht erlebt, meinte Urban später dann etwas angeschlagen.

Was dem Unternehmenslenker Urban, eigentlich schon genug gebeutelt durch diverse interne Probleme wie erheblichen Managerschwund im eigenen Haus, den Tag komplett verdorben haben dürfte, war die oben erwähnte Pressemitteilung seines Lieferanten Gainward. Überschrift der veröffentlichten Erklärung: "Gainward verklagt Actebis - fällige Rechnungen wurden nicht bezahlt." Es folgte eine detaillierte Auflistung des offenen Rechnungsbetrags (25.000 Euro), der Restbestände bei Actebis (85.000 Euro) und harte Vorwürfe in Richtung Soest. So habe der Distributor den Absatzschwund von Gainward-Produk-ten "mutwillig" herbeigeführt und den Lieferanten mit einem "Bestell- und Zahlungsboykott" belegt. Daher klage Gainward jetzt beim Landgericht Arnsberg auf die Zahlung von 25.000 Euro.

Actebis-Chef Michael Urban sah das natürlich anders und erklärte gegenüber ComputerPartner: "Wir hatten beschlossen, Gainward auszulisten, weil die erforderlichen Umsätze mit den Produkten nicht generiert wurden. Das ist in der Distribution ein ganz normaler Vorgang. Bereits im Juni wurde der Distributionsvertrag gekündigt. Und wir haben die offenen Rechnungen bezahlt, die gerechtfertigt sind."

Actebis brachte dann noch in einer offiziellen Erklärung vom Donnerstagabend seine "Verwunderung" zu den Gainward-Vorwürfen zum Ausdruck. "Der tatsächlich noch offene Rechnungsbetrag ist um ein Vielfaches geringer, als in der Gainward-Mitteilung aufgeführt", konnte man in dem von Michael Urban unterzeichneten Statement aus Soest lesen. Begründung: "Das ist jedoch nicht auf einen Zahlungsboykott, sondern auf noch zu klärende offene Punkte zurückzuführen, die im normalen Geschäftsalltag täglich vorkommen und selbstverständlich von Actebis nach Prüfung beglichen werden - wie alle anderen Lieferantenrechnungen auch."

Die ausgelöste "Verwunderung" in Soest über seine Vorwürfe teilte Gainward-Deutschlandchef Hans-Wolfram Tismer nun überhaupt nicht: "Am 5. Juli haben wir angekündigt, dass wir Klage einreichen und dann auch eine Pressemitteilung verschicken, wenn Actebis nicht zahlt. Herr Urban lügt, und damit können Sie mich auch zitieren." Damit nicht genug, Tismer legt noch einen drauf: "Die Distributoren können sich nicht alle Frechheiten rausnehmen. Bei Actebis mussten wir immer auf unser Geld warten: Das Unternehmen ist ein schwarzes Schaf, was die Zahlungsmoral betrifft", wettert Tismer, früher immerhin selbst in der Broadline-Distribution bei Computer 2000 beschäftigt, weiter.

In einem der ComputerPartner-Redaktion vorliegenden Schriftwechsel zwischen Actebis und Gainward wird klar, woran Gainward seine finanzielle Forderung aufhängt: In einem Brief vom 24. Juni bezieht sich Tismer auf den Distributionsvertrag und verweist darauf, dass die Vertriebsehe "genau 90 Tage vor dem 15. August 2002 (am 17. Mai 2002)" von Actebis hätte gekündigt werden müssen. Darauf antwortet Stephanie Babiel, Leitung Rechtsabteilung Actebis, am 26. Juni: "Wir sind der Auffassung, dass es sich bei der Kündigungsmöglichkeit für beide Parteien mit einer Frist von 90 Tagen um eine Kündigung ,for convenience‘ handelt, die in internationalen Verträgen, vorzugsweise in amerikanischen, durchaus üblich ist." Auf eine solche Regelung will sich Tismer nicht einlassen: Der Vertrag laufe jetzt automatisch weiter bis zum 15. August 2003, und erst dann dürfe Actebis Gainward-Produkte an den Lieferanten zurückgeben, die nicht älter als 100 Tage sind, betont er ausdrücklich in seinem Schreiben vom 24. Juni.

Actebis reagierte mit Unterlassungserklärung

Auch am vergangenen Freitag war noch kein Ende des Schlagabtauschs in Sicht: Während der Hersteller in einer offiziellen Mitteilung mit dem Titel "Gainward stellt richtig" auf die vorangegangene Actebis-Erklärung antwortete, sig-nalisierte Urban Freitagabend noch mal Gesprächsbereitschaft unter vier Augen: "Da es auf Seiten der Firma Gainward scheinbar weiteren Klärungsbedarf gibt, werden wir unsere Anstrengungen darauf konzentrieren, diesen Vorfall intern so schnell wie möglich gemeinsam mit Gainward zu lösen, statt Zeit auf das Schreiben von Gegendarstellungen zu verwenden."

Trotz der öffentlich erklärten Bereitschaft "diesen Vorfall intern so schnell wie möglich zu lösen" flatterte Gainward kurz danach eine "Strafbewehrte Unterlassungserklärung" ins Haus. In dem Schreiben, das der ComputerPartner-Redaktion vorliegt, fordert Actebis von Gainward keine "Zitate aus vertraulicher Geschäftskorrespondenz (...) publik zu machen, zu verbreiten, in Verkehr zu bringen". Außerdem solle der Hersteller keine "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach §17 UWG wie Umsatzzahlen" mehr in Umlauf bringen. Bei "Zuwiderhandlung" werde eine Vertragsstrafe in Höhe von 20.000 Euro fällig.

www.gainward.com

www.actebis.de

ComputerPartner-Meinung:

Nach dem öffentlich ausgetragenen Schlagabtausch ist das Verhältnis zwischen Gainward und Actebis zerrüttet und nicht mehr zu retten. Das notwendige Vertrauen für eine funktionierende Geschäftsbeziehung ist schon jetzt den Bach runter. Steht im Distributionsvertrag zwischen Gainward und Actebis, dass Actebis nur "genau 90 Tage vor dem 15. August" die Vereinbarung kündigen kann, muss Urban nach Einschätzung von Branchenkennern zahlen.

Gainward-Chef Tismer hat dann zwar sein Geld erhalten, aber den einzigen großen Distributor im deutschen Markt verloren. Für beide Kontrahenten dürfte also ein bitterer Nachgeschmack bleiben: Egal, wer den Streit letztendlich für sich entscheiden kann. (ch)

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