Gang an den neuen Markt und die Nasdaq

10.01.1998

FRANKFURT/MAIN: Pünktlich zum zehnjährigen Jubiläum machen sich die Gründer der Ixos Software AG selbst das schönste Geschenk: Der Grasbrunner Spezialist für elektronische Archivsysteme im R/3-Umfeld geht an die Börse - und das gleich doppelt. Ab dem 7. Oktober werden die Ixos-Aktien sowohl am Neuen Markt der Frankfurter Wertpapierbörse als auch an der New Yorker Nasdaq gehandelt.Die Sommerpause ist vorüber. Während im August in puncto Going Public am Neuen Markt weitgehend tote Hose herrschte, erfolgt nun wieder eine Neuemission nach der anderen - und das, obwohl es an den internationalen Börsenplätzen drunter und drüber geht. Der japanische Nikkei-Index verzeichnete unlängst den tiefsten Stand seit zwölf Jahren, die Rußland-Krise ist noch nicht ausgestanden - und nun sorgen auch noch die amerikanische Schlammschlacht um die Sex-Affären von Bill Clinton und die jüngste Veröffentlichung der Videobänder über seine Aussagen vor der Grand Jury für zusätzliche Berg- und Talfahrten im Wertpapierhandel. Die Anleger brauchen derzeit also ein ausgeprochen starkes Nervensystem.

Dies alles scheint an Eberhard Färber und Hans Strack-Zimmermann, den Gründern von Ixos, einem Dokumentenmanagement-Systemspezialisten im SAP-R/3-Umfeld, wenig zu beeindrucken. Die Freude über ihr bevorstehendes Debüt auf dem Börsenparkett ist ungetrübt. "Was Bill Clinton da in den USA macht, ist mir ziemlich egal. Für uns ist der Börsengang ein stolzer Moment!", wischte Technik-Vorstand Zimmermann das Thema auf der Pressekonferenz am 21. September anläßlich des Startschusses für die Bookbuilding-Phase schnell vom Tisch. Und Vorstandssprecher Färber schob nach: "Natürlich wäre es schöner gewesen, vor sechs bis acht Wochen an die Börse zu gehen. Dafür aber wird es für unsere Investoren interessanter."

Bis zum 5. Oktober soll die Zeichnungsfrist laufen. Bis dahin gilt es, 605.000 Aktien in der Preisspanne von 165 bis 195 Mark an den Anleger zu bringen und den höchstmöglichen Emissionspreis zu erzielen. Trotz der andauernden Börsenkapriolen dürfte dies nicht schwerfallen. Denn zumindest die deutschen Anleger lassen die Krisenzeiten kalt, sie kaufen weiter, was das Zeug hält. Und so waren - wie schon in der Vergangenheit üblich - auch die Papiere der jüngsten Neue-Markt-Kandidaten bereits nach wenigen Tagen mehrfach überzeichnet - beispielsweise die der sächsischen Lintec Computer AG, die sich Anfang September ins Börsengetümmel stürzte (siehe auch ComputerParter Nr. 21/98, Seite 18). Daher dürfen sich auch die Ixos-Gründer zurecht Hoffnung auf einen warmen Geldregen auf höchstem Niveau, in ihrem Fall rund 120 Millionen Mark, machen.

US-Mitarbeiter sollen ebenfalls profitieren

Eher ungewöhnlich für deutsche Börsenkandidaten ist dagegen die Entscheidung der Grasbrunner, gleich an zwei Börsen zu debüttieren. So erfolgt die Neuemission am 7. Oktober sowohl am Neuen Markt als auch an der New Yorker Nasdaq. Die Ixos-Gründer sahen sich zu diesem Schritt veranlaßt, weil man bereits seit vier Jahren in den USA im kalifornischen San Mateo mit einer eigenen Niederlassung vertreten ist, dort immerhin 25 Prozent des Gesamtumsatzes macht und man gerade die aktienhungrigen US-Mitarbeiter nicht außen vor lassen wollte. Ixos-Chef Färber führte jedoch noch ein weiteres Argument für das Dual-Listing, das nach seinen Worten "ein hartes Stück Arbeit" ist, an: "Es hilft uns, in den internationalen Absatzmärkten das Image des deutschen Außenseiters abzulegen, das hiesigen Unternehmen immer anhaftet."

Und nicht zuletzt dürfte die Entscheidung auch mit Blick auf SAP erfolgt sein, die sich Anfang August an

die New Yorker Stock Exchange begaben. Seit 1992 schwimmt Ixos im Kielwasser des Walldorfer Softwareriesen. Damals beschlossen die Firmengründer, sich mit ihren Archivsystemen auf das R/3-Umfeld zu fokussieren. Das derzeitige Flaggschiff "Archive" wurde eigens für R/3 entwickelt. 1993 kaufte sich SAP mit zehn Prozent bei Ixos ein. Diese enge Verbandelung bedeutete für die Grasbrunner seither aber auch manchen Kraftakt. So mußten sie beispielsweise in die internationalen Fußstapfen der Walldorfer treten. "Wir konnten und können uns nicht in Deutschland verstecken", so Strack-Zimmermann. "Wenn man mit der SAP läuft, ist es klar, daß man sich ähnlich aufstellt." Derzeit ist Ixos mit 19 Vertriebs- und Kundendienstbüros in den USA, Europa und im asiatisch-pazifischen Raum vertreten. 22 Prozent der insgesamt 508 Mitarbeiter arbeiten im Ausland. Mit dem frischen Kapital aus dem Börsengang will der Dokumentenmanagement-Systemspezialist denn auch den Ausbau der internationalen Vertriebs- und Marketingaktivitäten vorantreiben. Allerdings in Eigenregie, vor Übernahmen scheuen die Ixos-Gründer aufgrund der "enormen Risiken" (noch) zurück.

Das forcierte Engagement auf den Weltmärkten ist auch dringend nötig, will Ixos das steile Wachstum des zurückliegenden Geschäftsjahres in Zukunft wiederholen. Immerhin gelang es den Bajuwaren im Fiskaljahr 1997/98 (Ende: 30 Juni), ihren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um rund 60,7 Prozent von 69,5 auf 111,7 Millionen Mark zu steigern. Der Jahresüberschuß sprang um stolze 178,6 Prozent von 1,4 auf 3,9 Millionen Mark.

Und auch in Sachen Marktdurchdringung wartet auf Ixos noch jede Menge Arbeit. Während im Moment weltweit rund 16.100 R/3-Systeme im Einsatz sind, kommen die Grasbrunner mit ihrem Dokumentenmanagement-System Archive auf gerade mal 530 Installationen. Damit halten sie nach eigenen Schätzungen im R/3-Business-DokumentenmanagementSysteme-Markt zwar einen weltweiten Anteil von 65 Prozent und sind damit die Nummer eins, doch beläuft sich die Ixos-Durchdringung bezogen auf die R/3-Installationen lediglich auf 3,3 Prozent. So gestand Technik-Vorstand Strack-Zimmermann denn auch ein: "Da gibt es noch viel zu tun." (bk)

Die Führungscrew der Ixos Software AG freut sich auf den Börsengang und weiteres Wachstum: Vorstandschef Eberhard Färber, Finanzvorstand Vijay Sondhi, Ex-Lotus- und Ex-Novell-Topmann Willy Söhngen, bei Ixos Leiter Vertrieb und Marketing, Hanns-Martin Meyer, Leiter Professional Services, Markus Seyfried, Leiter Forschung und Entwicklung, Hans Strack-Zimmermann, Technikvorstand (von links nach rechts).

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