IBM will schwächelnde iSeries-Abteilung wieder flottmachen

30.01.2003
Mit neuen "iSeries"-Servern und einem neuen kundenfreundlichen Preismodell versucht IBM, das laue - durch kaum einen Neukunden geprägte - Midrange-Servergeschäft wiederzubeleben.

Nein. Bei IBM ist man weit entfernt davon, die neuen "iSeries"-Rechner (ehemals AS/400) als Volks-Server verkaufen zu können. Doch die neu angebotenen Midrange-Server, in denen, wie in den Unix-Rechnern ("eSeries"), Power-Chips werkeln, werden laut Big Blue bis zu 80 Prozent weniger kosten, als bisher für vergleichbare Leistungen zu zahlen war.

Al Zollar, Ex-Lotus-Chef, seit einem Monat weltweit verantwortlich für das keineswegs im Sinne von IBM laufende "iSeries"-Geschäft, begründet diese erstaunliche Offerte, die IBM mit einem Marketingtrommelfeuer bei Kunden und Händlern begleiten will, gleich zweifach: Zum einen wolle seine Abteilung altgedienten Kunden, die, obwohl bemerkenswert treu, trotzdem mit einem Absprung Richtung Itanium-Konkurrenz liebäugeln, mit einem verbesserten Preismodell bei der Stange halten. Zum zweiten versuche IBM händeringend, Neukunden für seine seit 25 Jahren angebotenen Server zu gewinnen. Das erscheint dringend nötig: Laut Marktforscher Gartner konnte der IT-Riese im vergangenen Jahr Neukunden fast an einer Hand abzählen. Gerade zwei bis drei Prozent der iSeries-Umsätze, die IBM weltweit rund 2,5 Milliarden Dollar einbrachten, wurden mit Erstbenutzern gemacht. Mit der Folge, dass immer weniger, doch nach IBM-Darstellung genügend, Softwareentwicklungen für die Midrange-Server geschrieben werden.

Neues Preismodell

Doch die Erosion des "iSeries"-Geschäfts der mittelständischen Kundenbasis zu Intel-Servern hin darf Zollar nach dem Willen IBMs nicht hinnehmen. Gestärkt durch 500 Millionen Dollar Investitionen in den nächsten zwei Jahren, so der Manager, werden ab sofort in einem wichtigen ersten Schritt die Lizenzmodelle für die Rechner geändert. Das von vielen Midrange-Kunden so lautstark beklagte Lizenzmodell für Host-basierende 5250-Teminal-Sessions (als preistreibender "interactive Workload" sattsam bekannt) werde zu Gunsten eines vergleichsweise moderaten, Terminal-unabhängigen CPU-Modells ersetzt. Ersparnis: bis zu 80 Prozent, wie Zollar vorrechnet. Ungeachtet der Einwände amerikanischer Kunden, die vorrechnen, dass das neue Preismodell lediglich für über eine Million Euro kostende Enterprise-Version mit 16- bis 32-Wege-Server gelte und Neukunden kleinere Versionen womöglich mehr zahlen müssten als bisher.

Nicht weniger wichtig erscheint Big Blue, dass sein Händlerkanal zu vermehrten "iSeries"-Aktivitäten bewegt werde. Rund 20 Millionen Dollar Marketing werden dem Kanal zufließen - sei es in Form von Roadshows, Kundenansprache oder spezifischen Trainingsseminaren. Dass damit der iSeries-Umsatzstrom garantiert oder sogar vermehrt werden kann, steht derzeit dennoch dahin.

Denn der Mittelstand, den IBM neuerdings mit allen Mitteln zu umgarnen versucht, schielt längst nach Standardrechnern, Marke Intel, Stichwort Itanium, und De-facto-Standardapplikationen, wie sie so zahlreich für Windows entwickelt werden. Windows-Entwickler und -Administratoren sind außerdem einfacher zu finden, schnell ersetzbar zudem.

Auch dieser Entwicklung versuchen Zollar und seine Abteilung zu trotzen. Die alte proprietäre Welt der "iSeries"- Rechner sei definitiv vorbei, IBM werde, wie angekündigt, für eine offene Infrastruktur in den Rechner sorgen. Schon heute laufe auf den Servern neben OS/400 natives Windows, Linux und demnächst Unix (AIX). Und wer die Highend-Mo-delle "i870" und "i890 - ab 78.000 Dollar - ordere, bekomme neben vielem anderem einen integrierten "xSeries"-Server für zentrales Win- dows-Management. Entsprechend wird Ex-Business-Partner-Managerin Petra Laißle, seit Anfang dieses Jahres IBM Direktorin "iSeries" Vertrieb Central Region, für die neuen Offerten werben. "Integrationsplattfom", "Serverkonsolidierung" und - wie gehabt - einfach zu handhabende Komplettlösung für den Mittelstand werden die zentralen Stichwörter für das Marketing sein. Ob der Mittelstand der Verwandlung der proprietären Arbeitspferde in standardkonforme Server für bare Münze nimmt und deshalb mehr Order als bisher nach Stuttgart senden wird, ist offen. Ein Schritt in die Richtung ist aber gemacht.

www.ibm.de

ComputerPartner-Meinung:

Mit 500 Millionen Dollar Investitionen will Big Blue in den nächs-ten zwei Jahren die Mittelstandsabteilung "iSeries" aufmöbeln. Die legendäre Ex- AS/400-Abteilung hat ihren Glanz verloren; selbst treue Kunden schielen nach Intel-Rechnern; Neukunden gibt es fast nicht mehr. Doch Mittelstandskunden zu verlieren, kann sich IBM zurzeit nicht leisten. Zuviel Geschäft ist mit diesen Kunden zu machen.

500 Millionen Dollar Investitionen lohnen sich für Big Blue, ebenso das neue Preismodell. Seltsam erscheint nur, warum Letzteres erst jetzt kommt. Die allgemeine Unzufriedenheit mit dem alten Preismodell ist so lange bekannt, dass der Sinneswandel von Big Blue einen mächtigen Anlass haben muss: den mit Abwanderung drohenden Kunden. (wl)

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