IBMs Software Symposium: erfolgreiche Leistungsschau mit kritischen Tönen

30.05.2003
Nach zwei Jahren nimmermüder "Websphere-Kampagne" lässt IBM seine profitablen Softwareabteilungen wiedereinzeln zu Wort kommen. Das gerade abgehaltene europäische "Software Symposium" demonstrierte aber auch, dass die neuen Alleingänge der fünf Softwareabteilungen nur möglich sind, da IBM bereits glaubt, diese auf den richtigengemeinsamen Kurs bei der Integration von Unternehmenssoftware gebracht zu haben.

"Natürlich waren die vergangenen beiden Jahre hart für uns", erinnert sich ein Tivoli-Mitarbeiter in München. Zwei Jahre ausschließliche "Websphere"-Kampagne plus Linux-Flirt zehren. Sie hatten die einzelnen Abteilungen der derzeit rund 24.000 Mitarbeiter zählenden Softwaresparte IBMs zeitweise wie liegen gelassene Baustellen aussehen lassen. "Wer mit ein paar Dutzend Mitarbeitern über 1.000 Partner betreuen soll, weiß, was das heißt", orakelt ein Lotus-Kämpfer.

Doch während dieser 24 Monate war die aus MQS Series entstandene Middleware Websphere durch einen brutale Entwicklungsleistung, begleitet von einem milliardenschweren Akquisitionskraftakt, zur standardbasierenden, Betriebssystem-unabhängigen Plattform für den Austausch von Applikationsdaten in Unternehmensnetzen und via Internet verwandelt worden. Im Gleichschritt waren die mit 13,1 Milliarden Dollar Umsatz (Jahr: 2002) weltweit zweitgrößten Softwerker darangegangen, ihre Ma-nagement-, Datenbanken- und Kommunikationsplattformen Web-sphere-kompatibel zu machen. Für die früher so selbstverständlichen Einzelleistungen der Abteilungen aber hatte IBM den Geldhahn zugedreht.

Jetzt, nachdem Websphere Marktführer geworden ist und zugleich die IT- und ökonomische Krise Unternehmen dazu zwingt, aus den vorhandenen IT-Lösungen geschäftsentscheidende Anwendungen zu programmieren, hat die Software-Abteilung von Big Blue die Aufgabe, marktweit zu erklären, dass sie genau das mit ihren Produkten könne.

So legte der eigens nach München geflogene Steve Mills, weltweit bei IBM für die Softwareabteilung verantwortlich, anhand drei Dutzend eng beschriebener Powerpoint-Folien den rund 1.000 Partnern dar, dass IBM so weit fortgeschritten sei in seiner Offerte, unternehmsweit Austauschplattformen für Daten anzubieten, wie kein anderer Softwerker.

Breitseite gegen Microsoft und Dotnet

An Beweisen dafür mangelte es dem energischen Mills nicht. Beispielsweise wirft die anfangs des Jahres für 2,1 Milliarden Dollar zugekaufte Entwicklerfirma Rational mit dem "Rational Rapid Developer" ein Entwicklungswerkzeug in die Waagschale, das Softwerker in heterogenen Umgebungen einsetzen können - also auch in Microsoft-Landschaften, inklusive "Dotnet".

Von der Datenbankabteilung DB2 kommt mit dem "Information Integrator" ein Programm, mit dem Daten über verschiedene Datenbanken und Formate hinweg gesammelt, verwendet und gespeichert werden können. Eine Breitseite gegen Microsoft SQL und Oracles 9i-Datenbanken.

Die Systemmanagement-Abteilung Tivoli scheint auch wieder aus ihrem Dämmerzustand erwacht zu sein. Sie präsentierte sich ganz im Sinne der von Big Blue propagierten "On Demand"-Strategie mit Software, die die automatische Verwaltung und den Zugriff auf IT-Ressourcen deutlich vereinfachen soll. Dass die Abteilung den Trendwörtern "Autonomic computing" und "selbstheilend" (self healing) breiten Raum einräumte, überraschte wenig, nachdem diese für die derzeitige IBM-Marketingstrategie eine zentrale Rolle spielen.

Und nachdem auch die Lotus-Abteilung sich mit der E-Mail-Software "Workplace Messaging", und dem Lotus-Obersten Ambul Goyal persönlich zu Wort meldete, war in München deutlich zu merken: Der fünftägige, hochkarätige IBM-Auftritt auf dem Systems-Gelände diente vor allem dazu, den europäischen Partnern und Kunden zu zeigen, dass der IT-Riese mittlerweile umfassend Software anbieten kann, die Unternehmen erlaubt, ihre IT flexibel auf ihre Geschäftsprozesse einzurichten.

Die Früchte dieser Entwicklung einzusammeln gelinge IBM immer besser, erklärte Jochen Moll, Vice President IBM SoftwareGroup Central Region, gegenüber ComputerPartner. Vor allem der Mittelstand frage bei Big Blue vermehrt an, sodass Moll, auch wenn er keine konkreten Zahlen nennen dürfe, einen wirklich ordentlichen Middleware-Zuwachs feststelle. Trotz allgemeiner Investitionsblockade? "Unternehmen. die ihre IT-Infrastruktur unter dem Aspekt ihrer Integration in Geschäftsprozesse betrachten, kommen zu dem Schluss: Da ist viel zu tun", weiß Moll.

Der vormalige Business-Partner-Chef konstatierte, dass im Moment Neugeschäfte - "über viele neue Partner" -, Upgrades und intensive Beratung das Geschäft bestimmten.

Kritische Töne der Partner

Das Partnergeschäft aber, dargestellt in einer Showcase-Halle fernab des Hauptstroms der "Symposium"-Besucher, scheint allen positiven Szenarien IBMs zum Trotz weiterhin ein weites, von verschiedenen Ansprüchen zerklüftetes, Terrain zu sein.

Da ist auf der einen Seite die "Zugmaschine IBM", wie ein Partner formulierte. Natürlich sei der Name IBM ein "Türöffner" im Softwaregeschäft, "die vielen Marketing-Millionen helfen uns in jedem Fall bei der Projektakquisition", bekannte ein langjähriger Groupware-Applikationsanbieter.

Auf der anderen Seite mache IBM es seinen Partner "ausgesprochen schwer", klagte dieser Partner. Als Beispiel nannte er "unsinnige Umsatzvorgaben" für Softwareanbieter. Er verkaufe nun mal keine Hardware, sondern Programme, die über Wartung und andere Dienstleistungen Umsätze einbringe.

Ein anderer Partner beklagte, dass die SMB-Akquisition, VAP (Value Advantage Plus) genannt, bislang dadurch zunichte gemacht werde, dass IBM Neukunden in einer hausinternen US-Datenbank als Altkunden ausweise. Mit der Folge, dass Partner von diesen Software-Erstkunden Rabatte zurückfordern müssten. "Machen Sie das mal nach Vertragsunterzeichnung!"

Auch um den Kundenschutz sei es bei IBM nicht so bestellt, wie es sich Partner wünschten. "Ab 100.000 Euro Lizenzgeschäft muss ich mit dem Konkurrenten Global Services rechnen", stöhnte ein Partner. Trotzdem wünsche IBM, von seinen Partnern "Kundenadressen, sogar Ansprechpartner" zu erhalten. "Paradox!"

Dass der Partner, der auch Microsoft-zertifiziert ist, IBM dennoch treu bleiben werde, sei für ihn ausgemacht. "Bei den anderen Anbietern treffe ich auf ähnliche Schwierigkeiten", habe er festgestellt. "Das Partnergeschäft ist einfach hart." Aber man kann es gewiss leichter machen.

www.ibm.de

ComputerPartner-Meinung

Vor insgesamt 2.000 Partnern und Kunden demonstrierte die mit rund 1.000 Mitarbeitern vertretene IBM, dass sie mittlerweile ein fast konkurrenzlos durchgängiges Softwareangebot für die IT-Infrastruktur von Unternehmen ab 100 Mitarbeitern offerieren kann. Das hörten die deutschen Partner gerne.

Doch forderten sie den IT-Riesen auf, sich wieder um die Partner-Feinarbeit zu kümmern. Lokalisierung der Programme, Abstimmung mit IBM-eigenen Prozessen und das Fernhalten der Global-Services-Abteilung von SMB-Kunden wurden am häufigsten gefordert. Die IBM-Angaben zufolge stark wachsende Abteilung um Software-Chef Jochen Moll und den Partner-Verantwortlichen Erwin Jung hat, so der Eindruck in München, noch viel zu tun, um die Partner zufrieden zu stellen. (wl)

Zur Startseite