Immer geringeres Wachstum: Bricht der PC-Markt bald zusammen?

01.02.2001
Sogar die vorsichtigsten Schätzungen der Auguren zeigen deutlich den rasanten Abwärtstrend im PC-Markt an. Besonders stark betroffen ist der europäische Markt. Erstmals erwarten die Marktforscher, dass in einigen Ländern die Absatzzahlen sogar schrumpfen.

Selbst das traditionell umsatzträchtige vierte Quartal konnte den PC-Markt in 2000 nicht retten. Besonders schlimm hat es wieder einmal den europäischen Markt betroffen. Ersten Schätzungen von Dataquest zufolge erreichte der PC-Markt in Europa im Q4 gegenüber dem Vergleichsquartal 1999 ein Miniwachstum von 5,3 Prozent. In Stückzahlen ausgedrückt sind das rund elf Millionen verkaufte PCs.

Brian Gammage, Analyst bei Gartner/Dataquest, relativiert diese Zahlen aber noch weiter nach unten, denn: "Es gibt eine deutliche Differenz zwischen den Wachstumsraten in Ost- und Westeuropa. Das starke Wachstum in Osteuropa von rund 15 Prozent erklären wir vor allem durch den Boom in Russland." Westeuropa hingegen weist laut Gammage ein weitaus flacheres Wachstum auf, das seiner Schätzung nach bei knapp drei Prozent liegt. Einige Länder, darunter Frankreich und die Niederlande, erwarten sogar ein "negatives Wachstum" - auf deutsch also einen schrumpfenden PC-Markt.

Die Dataquest-Zahlen für die USA und den weltweiten Markt sehen etwas besser aus, geben aber auch keinen Grund zum Jubeln.

Während weltweit dank Kaufwütiger in Asien und Lateinamerika laut Dataquest über das gesamte Jahr 2000 noch ein Wachstum von 14,5 Prozent erreicht wurde, lag das Plus in den USA nur bei mageren 10,3 Prozent. Im Boomjahr 1999 lagen die Zuwächse noch bei 23,3 Prozent weltweit und 21,7 Prozent in den USA. Bei der Suche nach Erklärungen für die Kaufunlust sprechen die Analysten von einer "fundamentalen Veränderung" im Markt. So haben Nicht-PCs mit Internet-Zugang wie Handies, Settop-Boxen, PDAs und Surf-Terminals den PC-Markt ihrer Ansicht nach schneller gesättigt als bislang erwartet. Dazu komme die Übersättigung durch immer schnellere Computer. Den meisten Konsumenten genüge das bestehende System selbst für anspruchsvolle Anwendungen, so dass man keinen neuen PC mit Gigahertz-Prozessor kaufen müsse.

Auf der Grundlage vorläufiger Zahlen errechneten die Analysten folgende Rangliste im weltweiten PC-Markt: An erster Stelle liegt wie gehabt Compaq mit einem Marktanteil von etwa 12,8 Prozent und rund 17,2 Millionen verkauften Einheiten. Dell liegt mit 14,5 Millionen Stück und einem Marktanteil von 10,8 Prozent dicht auf. Mit 10,2 Millionen PCs und 7,6 Prozent liegt Hewlett-Packard an dritter Stelle. Es folgen auf den Plätzen IBM mit 6,8 Prozent Marktanteil und 9,1 Millionen verkauften PCs, NEC mit 4,3 Prozent (5,8 Millionen PCs) und Gateway mit 3,8 Prozent (5,1 Millionen Stück). Die große Gruppe der Namenlosen, darunter auch Apple, erwirtschaftete mit insgesamt 72,6 Millionen PC-Einheiten einen Marktanteil von 53,9 Prozent.

Zum europäischen Markt liegen nur wenige Schätzungen vor, die sich durch Nachmeldungen der PC-Hersteller noch ändern können. Derzeitiger Stand laut Marktforscher Context: Compaq führt auch hier die Rangliste an, und zwar mit einem Marktanteil von 13,8 Prozent. Den zweiten Platz hält Fujitsu Siemens mit neun Prozent, dicht gefolgt von Dell mit acht Prozent.

Gartner/Dataquest bestätigt mit seinen Zahlen für das vierte Quartal die Context-Schätzungen. Wie schon in den vergangenen zwei Jahren immer wieder zu sehen war, liegt das Wachstum des Klassenprimus Compaq unter dem Marktdurchschnitt. Die Texaner haben es aber geschafft, diese leichte Reduzierung der Marktanteile um 0,2 Prozentpunkte gewinnbringend umzusetzen, Compaq konnte in den USA das vierte Quartal 2000 mit einem Gewinnanstieg um 55 Prozent auf 515 Millionen Dollar deutlich besser abschließen als noch im Dezember erwartet. Die Europa- respektive Deutschland-Zahlen liegen noch nicht vor. Doch die Dornacher hatten ja selbst aus dem schlechten Abschneiden im dritten Quartal in Deutschland (Minus 24 Prozent Marktanteil) noch einen fiskalischen Gewinn ziehen können.

Anders sieht es wohl bei Fujitsu Siemens aus. Die Augsburger schneiden im europäischen Vergleich mit Abstand am schlechtesten ab und verlieren 8,9 Prozent ihres Marktanteiles. Es steht noch nicht fest, wie einschneidend sich dieser Verlust auch im Finanziellen niederschlägt. Eines ist aber sicher: Uli Kemp, Ex-HPler und Nachfolger des scheidenden FSC-Chefs Achim Berg, tritt ein delikates Erbe an. Hewlett-Packard scheint hingegen der Gewinner des Quartals zu sein. Die Böblinger vergrößerten ihren Marktanteil um 16,7 Prozent. Und als Sahnehäubchen oben drauf: HP verdrängte nach langen Jahren IBM vom vierten Platz im europäischen Ranking. (go)

www.dataquest.com

www.context.com

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