Intel: mehr Flops als Tops im ablaufenden Jahr

30.11.2000
Bis vor gut einem Jahr war die Welt noch in Ordnung. Intel war unbestrittener Krösus im Prozessorgeschäft, und AMD dümpelte vor sich hin. Doch nun hat der Erzrivale gewaltig aufgeholt und lehrt Intel das Fürchten.

Was kümmert’s den Mond, wenn ein Hund ihn anbellt." Dieses Zitat könnte man ohne Probleme auf Intel übertragen. Bis vor kurzem war dem Chip-Giganten die Konkurrenz, sprich AMD, schlichtweg schnuppe. Auch als AMD vor etwa einem Jahr mit dem Athlon eine ernsthafte Konkurrenz für den Pentium herausbrachte, machten sich die Manager bei Intel noch keine großen Sorgen. Sie glaubten, der Athlon habe keine Basis (keine Motherboards) und würde nicht so schnell im Markt Fuß fassen.

Intels Manager vertrauten voll und ganz auf ihre Entwickler und wollten mit einem neuen Prozessor kontern. Doch zuerst sollte eine neue Speichertechnologie den Markt erobern: Rambus.

Intels Entwickler hatten nämlich richtig erkannt, dass der Speicher auf dem Motherboard bei den immer schnelleren Prozessoren zum Flaschenhals wird. Moderne Prozessoren arbeiten mit Taktfrequenzen von über 1.000 MHz. Der Frontside-Bus (FSB) wird jedoch nur mit 100 oder bestenfalls 133 MHz getaktet. Das bedeutet, der Prozessor rechnet ungefähr zehnmal schneller, als er seine Daten bekommt oder als er seine berechneten Daten wieder loswerden kann. Diesem Manko versuchen die Entwickler mit internen Caches zu begegnen. Die arbeiten heute mit voller Prozessorgeschwindigkeit, sind aber in der Kapazität begrenzt. Einen weiteren Ausweg bieten so genannte Prediction Pipelines (siehe Kasten). Doch einzig ein wesentlich schnellerer Speicher würde das Problem restlos beseitigen. Und hier versuchte Intel, eine neue Technologie durchzudrücken. Doch Rambus erwies sich als zu kompliziert, zu teuer und vor allem: Kein Hersteller konnte sich so richtig mit Rambus anfreunden.

Chronologie eines Misserfolges

Im Oktober letzten Jahres schmiedete Intel bereits ein Bündnis mit verschiedenen Halbleiterherstellern, die Rambus-Module produzieren sollten. Ziel der Allianz sei es, Rambus-Speicher günstiger zu machen, erklärte Intel-Vize Pat Gelsinger auf dem Intel Developer Forum in Palm Springs. Alle IntelVerbündeten produzierten jedoch auch SDRAM-Module, die in direkter Konkurrenz zu Rambus stehen.

Bereits einen Monat später stoppte Samsung schon die Produktion der Rambus-Bausteine. Als Grund gaben die Verantwortlichen von Samsung die Verschiebung des Camino-Chipsatzes 820 an. Wegen gravierender Fehler hatte Intel die Vorstellung des neuen Chipsatzes in letzter Minute abgesagt. In bis zu 100.000 PCs mussten die Hersteller die Motherboards wieder ausbauen.

Aber nicht nur mit dem Speicher hat Intel Ärger. Knapp zwei Wochen später musste der Chip-Gigant einen Fehler bei den gerade auf den Markt gekommenen Pentium III-Prozessoren einräumen. Der Feh-ler bestand darin, dass der Prozessor nicht sofort bei einem Druck auf die Einschalttaste den PC startetet, sondern zweimal gedrückt werden musste. Intel-Sprecher Hans-Jürgen Werner erklärte, dass der Fehler nur in seltenen Fällen auftrete und zu diesem Zeitpunkt nur unter Laborbedingungen nachvollziehbar sei.

Nach Außen schwört Intel der SDRAM-Technologie ab. Doch eine einheitliche Meinung scheint intern nicht vorhanden zu sein. Nach einer Meldung des Online-Dienstes "The Register" im März 2000 geht aus einem White Paper des Chipkonzerns hervor, dass große Speichersysteme mit SDRAM den gleichen Datendurchsatz wie RambusSpeicher liefern können. Diese Information ist deswegen brisant, weil alle großen PC-Hersteller derzeit, vor allem aufgrund der hohen Rambuspreise, einen Umstieg auf die neue Technologie scheuen.

Megahertz-Krieg

Gleichzeitig kämpft Intel an einer anderen Front. Das Unternehmen hat sich auf einen Megahertz-Krieg mit seinem nun nicht mehr zu unterschätzenden Rivalen AMD eingelassen. Beide stellten voreilig Mitte März die ersten serienreifen GHz-Prozessoren vor. Doch Glück für Intel, auch AMD konnte diesen Superprozessor nicht in Stückzahlen liefern.

Zum gleichen Zeitpunkt machten auch Notebook-CPUs von Intel von sich reden. Toshiba warnte seine Vertriebspartner vor Notebooks mit defekten CPU-Modulen von Intel. Die Module überhitzten, und das Laptop schaltet daraufhin ab. Nach der Meldung von mehreren hundert Schadensfällen gab Intel einen Bugfix heraus, der das Problem lösen soll.

Die Pannenserie geht weiter

Ende April musste Intel bereits die nächste Schlappe eingestehen, die mit Rambus zusammenhing. Nun waren es Bootprobleme mit Motherboards mit 820-Chipsatz. Ursprüng-lich war dieser Chipsatz nur für Rambus-Module vorgesehen. Aufgrund des Drucks der PC-Hersteller spendierte Intel dem Chipsatz ein weiteres Feature, den MTH (Memory Translation Hub), der SDRAM unterstützt. Der MTH übersetzt den Datenstrom vom Rambus in das SDRAM-Protokoll. Nach ersten Querelen, wobei der Chip instabil arbeitete, trat nun ein neues Problem auf. Und zwar erkannte der Chip SDRAMs ohne Serial Presence Detektor nicht. In diesem kleinen Chip stecken Informationen über den jeweiligen SDRAM-Baustein. Fehlt der oder werden die Informationen falsch gelesen, hängt der PC oder stürzt ab.

Intel versuchte das Problem auf die Speicherhersteller zu schieben, die sich nicht an die Spezifikationen gehalten haben sollen. Die wiesen den Vorwurf zurück mit dem Argument, dass der Fehler mit anderen Chipsätzen nicht auftreten würde.

Rückrufaktion

Aufgrund des instabil arbeitenden MTH startete Intel Mitte Mai eine großangelegte Rückrufaktion. Der Austausch der Motherboards könnte Intel im schlimmsten Fall bis zu 100 Millionen Dollar kosten, vermuteten Analysten. Die Probleme waren seit Februar bekannt, und Intel wies zunächst daraufhin, dass der Fehler nur selten auftreten würde. Mittlerweile hat der Chip-Gigant offenbar kalte Füße bekommen und ruft die Boards zurück.Die Kosten der Rückrufaktion bezifferte Intel Ende Juni mit 253 Millionen Dollar, da rund eine Million Boards zurückbeordert wurden. Das ist aber immer noch viel weniger, als Intel für die Rückrufaktion des falsch rechnenden Pentiums 1994 ausgeben musste. Diese Aktion kostete Intel damals rund 475 Millionen Dollar.

Pannen beim MHz-Rennen

Auch beim MHz-Rennen hatte Intel dieses Jahr Pech. Ende Juli stellte Intel einen 1,13-GHz-Pentium-III-Prozessor vor, den das Unternehmen bereits Anfang September wieder zurückzog. Fehlerhafte Software im Chip gibt Intel als Grund an. Insider schätzen, dass Intel etwa 10.000 CPUs ausgeliefert hat. Die Massenproduktion sollte gerade gestartet werden. Besonders schmerzt es Intel, dass AMD zu diesem Zeitpunkt bekannt gab, die Massenproduktion des Gigahertz-Athlon sei gerade angelaufen.

Mit dem Pentium 4 soll das aber alles anders werden. Mit 1,4 bis 1,6 GHz getaktet, will Intel wieder aufholen und sich vom Erzrivalen AMD deutlich absetzen.

Doch auch hier schlägt der Fluch der Rambus-Bausteine wieder zu. Denn Intels neues Flaggschiff, am 20. November der Öffentlichkeit vorgestellt, kann zur Zeit nur mit Rambus-Bausteinen arbeiten. Und die sind vielen PC-Herstellern einfach zu teuer. Obwohl ein amerikanisches Marktforschungsinstitut schon im September berichtet hatte, Intel wolle PC-Hersteller, die Rechner mit dem Pentium 4 bauen, mit 70 Dollar in diesem Jahr pro System belohnen.

Letztens hatte sogar Intel CEO Craig Barret zugegeben, dass man mit Rambus einen Fehler gemacht habe.

Erst im nächsten Jahr, wenn Intel den neuen Chipsatz mit DDR-Unterstützung vorrätig haben wird, könnte die Pannenserie abgeschlossen werden. (jh)

www.intel.de

Prediction Pipeline

Vorhersage leicht gemacht

Mit Hilfe einer Prediction Pipeline versucht die CPU, anhand eines Befehles die nächst folgenden zu "erraten". Schließlich hat sie ja rund zehn Taktzyklen Zeit, bis wieder Speicherzugriffe erlaubt sind. Geht das Erraten des nächsten Befehls schief, wird das Ergebnis verworfen und wieder neu begonnen. Stimmt die Vorhersage jedoch, kann die CPU gleich weitermachen. Von diesen Pipelines sind in modernen Prozessoren mehrere vorhanden, und die Länge beträgt beispielsweise beim brandneuen Pentium 4 zwölf Stufen.

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