Interview mit Comtech-Gründer und -Geschäftsführer Joachim Bäurle

12.10.1998

WAIBLINGEN: Nach dem Konkurs von Schadt sowie den Problemen bei Vobis ist die Waiblinger Comtech-Gruppe die einzige PC-Handelskette, bei der anscheinend kein Sand im Getriebe ist. Die ComputerPartner-Redakteurinnen Susann Naumann und Ute Dorau wollten von Comtech-Chef Joachim Bäurle wissen, wie es sich im Zeitalter von Media-Markt und Aldi als PC-Händler lebt und womit man eigentlich noch Geld verdienen kann.

Vor gut einem Jahr haben Sie mit der IBM eine Kooperation zur Fertigung und Vermarktung von Aptiva-PCs gestartet. Ihre Zielvorgabe, in den ersten zwölf Monaten 100.000 PCs abzusetzen, erschien damals mehr als optimistisch. Wie ist es denn gelaufen?

BÄURLE: Wir liegen voll im Plan. Im ersten Jahr konnten wir sogar mehr als 100.000 Aptivas verkaufen.

Außerdem haben wir die Vertriebsbasis extrem verbreitert. So gibt es zum Beispiel im Dezember den Aptiva zu einem Superpreis im Promarkt.

Der Preis ist ja genau der Knackpunkt im PC-Consumermarkt. Bisher waren A-Brands, wie eben auch Ihr IBM Aptiva, noch um einiges teurer als No-name-Geräte.

BÄURLE: Das ist richtig. Wir arbeiten aber daran, IBM Aptivas zum gleichen Preis wie No-name-PCs anbieten zu können. Die Promarkt-Offerte zum Beispiel ist vergleichbar mit No-name-Preisen.

Welche Stückzahlen schweben Ihnen denn im kommenden Jahr mit dem IBM-Projekt vor?

BÄURLE: 150.000 Aptivas müßten locker über uns und Vobis, die ja auch mit im Boot sitzen, zu verkaufen sein. Dabei darf man auch nicht vergessen, daß wir weitere Vertriebskanäle erschlossen haben. So wird der Aptiva zum Beispiel ab dem kommenden Jahr über einen Katalog-versender zu haben sein. Und wir sind dabei, mit Einkaufs-kooperationen wie Ruefach oder Interfunk Verträge abzuschließen.

Ein neuer Weg, den Sie derzeit bei der Vermarktung der IBM-PCs gehen, sind Mitarbeiterprogramme. Ein erstes wurde soeben mit Bosch vereinbart (siehe ComputerPartner 31/98, Seite 104). Ist dies das Konzept der Zukunft, um die Aptivas in großen Stückzahlen loszuschlagen?

BÄURLE: Nein, aber es ist ein Baustein in unserer Vertriebspolitik. Wir arbeiten hier mit einer Behindertenorganisation zusammen, die für uns die kompletten Mitarbeiterprogramme abwickelt. Mit dem Aptiva haben wir dafür das perfekte Produkt.

Trotz des positiven Trends in Richtung Marken-PCs wächst der Consumermarkt in diesem Jahr vor allem durch Aldi und Lidl. Gerade vor wenigen Tagen wurden 220.000 PCs über Aldi verkauft. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

BÄURLE: Zunächst einmal ist wohl unbestritten, daß Aldi ein Traumimage quer durch alle Bevölkerungsschichten hat und deswegen für solche Aktivitäten geradezu prädestiniert ist - allerdings nur als ein- oder zweimaliges Event. Sobald Aldi diese Aktionen viermal im Jahr bringen würde, sähe es problematisch aus. Das bedeutet, daß die Volumen, die über Aldi abgewickelt werden, über die kommenden Jahr konstant bleiben. Außerdem glaube ich nicht, daß Aldi unterm Strich wirklich so negativ für die Branche ist. Vor allem in den ersten beiden Aktionen waren unter den Kunden vorwiegend Erstkäufer, was nichts anderes bedeutet, als daß Aldi neue Käuferschichten

erschließt. Im Prinzip hilft Aldi dadurch mit, die PC-Penetration in Haushalten zu verbessern.

Sie sehen also die Aldi-Aktionen mit einem lachenden und einem weinenden Auge?

BÄURLE: Genau. Einerseits nimmt Aldi natürlich ein gewisses Marktvolumen weg. Andererseits wirkt die Lebensmittelkette wie eine Schleuse. Außerdem kann man ja auch auf Aldi-Offerten reagieren und ein gutes Produkt zu einem aggressiven Preis dagegen setzen. Aldi ist auch nicht allmächtig. Was aber stimmt, ist die Firmenphilosophie, die heißt: Markenprodukte zu Top-Preisen. Wie wäre es dann also mit einem IBM Aptiva für 1.990 Mark bei Aldi?

Planen Sie solch eine Aktion?

BÄURLE: Nein, das sollte nur mal eine provokante Frage sein. Aber fest steht doch, daß das mit diesem Preis gehen würde. Für einen Aldi wäre ein A-Brand die Krönung.

Aber dann ist doch wieder nicht der A-Brand, sondern der Preis das Kaufkriterium. Ist es dem Aldi-Käufer nicht egal, was auf der Kiste steht, wenn der Preis stimmt?

BÄURLE: Nein, denn der Käufer setzt den Markennamen mit gewissen Attributen wie Zukunftssicherung oder Qualität gleich. Das ist doch genau das gleiche, was Vobis jetzt mit ihrer Aufrüstgarantie zu suggerieren versucht. Bei einem Brand muß man so etwas gar nicht vermarkten, das setzt der User voraus.

Mit Ihren Bemühungen, im Consumermarkt mit Marken-PCs zu gewinnen, sind Sie nicht allein. Auch Compaq versucht sich hier mit ihren Presarios zu etablieren. Wie beurteilen Sie deren Vorgehen?

BÄURLE: Das kann man gar nicht vergleichen. Natürlich ist Compaq ein Wettbewerber zu meinem IBM-Projekt. Mein Konzept hat aber schon von daher eine ganz andere Klasse, weil es in allen Belangen auf das Forschungs- und Entwicklungs-Know-how der IBM zurückgreifen kann. Derzeit bauen wir zum Beispiel in Augsburg eine PC-Fertigung, die komplett IBM-zertifiziert ist. Künftig können dort bis zu 250.000 Aptivas produziert werden.

Sie verkaufen in Ihren Filialen auch noch Ihre eigene Handelsmarke "Comtech". Wie läuft die denn neben den IBM-PCs?

BÄURLE: Die Eigenmarken sind nach wie vor ein wichtiges Segment. Allerdings nimmt der Anteil am Umsatz immer mehr ab. Trotzdem werden wir dieses Jahr rund 130.000 PCs unserer Eigenmarke verkaufen. Gut kommen in diesem Zusammenhang auch unsere Event-PCs an, wie der "Blade-PC" oder der "Verrückt-nach-Mary-PC". Wir arbeiten hier mit der Kinowelt München zusammen.

Sie hatten nach der Übernahme von etwa 90 Escom-Filialen mit Ihren eigenen Läden knapp 200 Standorte. Derzeit sind es nur noch 130. Was war der Grund für diese Reduzierung?

BÄURLE: Nach der Übernahme der 90 Escom-Läden mit 25 Mega-Stores war klar, daß wir eine Flächenbereinigung vornehmen mußten. Zumal einige von unseren Läden neben einem Escom-Geschäft lagen. Wir haben daher kleinere Comtech-Flächen gegen größere von Escom ausgetauscht. Durch den Abschluß des Vertrages mit der Mobilcom AG müssen wir unsere Ladenflächen aber noch einmal überdenken, da wir zum Beispiel künftig Shop-in-Shop-Konzepte anstreben.

Sie sprechen gerade an, daß Comtech kürzlich mit Mobilcom einen Fünf-Jahres-Vertrag abgeschlossen hat. Was erwarten Sie sich davon?

BÄURLE: Einen PC kann man heute nicht mehr ohne den berühmten Value-Add verkaufen. In unserem Fall könnte das das Internet sein. Vielleicht wird es dann irgendwann einmal einen IBM Aptiva mit lebenslang kostenlosem Internet- und ISDN-Anschluß geben. Außerdem wird dieses Geschäft, was ich jetzt mit Mobilcom habe, unsere Gewinnsituation traumhaft beflügeln.

Wie schaut es denn diesbezüglich bei Comtech aus?

BÄURLE: Dazu kann ich nichts sagen. Aber ich glaube, daß wir das einzige restrukturierte Einzelhandelsunternehmen sind, das schwarze Zahlen schreibt.

Im vergangenen Jahr ist der Umsatz bei Comtech nur mäßig von 432 auf rund 450 Millionen Mark gestiegen. Ihr Ziel war, im Jahr 2000 ein Ein-Milliarden-Mark-Unternehmen zu sein. Das dürfte nach dem eher dürftigen Umsatzwachstum mittlerweile schwierig werden.

BÄURLE: Wir sind zwar in der Tat noch ein ganzes Stück davon entfernt, aber es ist nach wie vor zu packen. Viel wichtiger ist doch aber, daß wir unser Geschäft erfolgreich restrukturieren konnten. Das hat uns allerdings eine ganze Menge Geld und mich einige Anteile gekostet.

Haben Sie weitere Comtech-Anteile an Ihren französischen Investor Pallas verkauft?

BÄURLE: Ja, ich halte heute nur noch 58 Prozent der Anteile.

Wie beurteilen Sie denn allgemein die Zukunftsaussichten der Comtech-Gruppe?

BÄURLE: Ich könnte mir nach wie vor vorstellen, mit Comtech an die Börse zu gehen. Im Moment ist das zwar noch nicht möglich, aber als Familienunternehmen kann Comtech auf Dauer nicht geführt werden. Bis dahin möchte ich mein Unternehmen so aufstellen, daß wir vielleicht in ein bis zwei Jahren die große Alternative zu Kanälen wie Media-Markt oder Aldi sind. Und wir werden sehr intensiv daran arbeiten, eine noch stärkere Integration unserer Mitarbeiter mit dem Unternehmen zu erreichen. Denn die Mitarbeiter sind neben strategischen Partnern für ein Unternehmen am wichtigsten.

Trotz Ihrer positiven Einschätzung gibt es böse Zungen, die behaupten, daß Comtech nach Escom und Schadt der nächste Konkurskandidat ist. Was würden Sie denen entgegnen?

BÄURLE: Glauben Sie wirklich, daß ein Unternehmen wie Mobilcom mit uns einen Vertrag abschließen würde, wenn hier nicht jede Zahl überprüft worden wäre? Das gleiche gilt auch für den IBM-Vertrag. Und außerdem kann ich Ihnen noch einmal versichern: Wir schreiben ganz dick schwarze Zahlen.

Comtech-Geschäftsführer Joachim Bäurle: "Wir sind das einzige restrukturierte Einzelhandelsunternehmen, das schwarze Zahlen schreibt."

In Waiblingen bei Stuttgart ist der PC-Händler Comtech seit seiner Gründung im Jahr 1985 beheimatet. Heute beschäftigt das Unternehmen rund 800 Mitarbeitern.

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