Kabelmodems: Ein Markt mit Zukunft

03.04.1999

MÜNCHEN: Die letzte Meile ihrer Odyssee durchs Internet legen die Daten meist noch via Telefonleitung zurück. Modems und ISDN-Karten bilden hier die Brükke zum PC des Surfers. Doch mit den Möglichkeiten des TV-Kabels eröffnen sich dem Fachhandel neue Absatzmärkte. Seien es Kabelmodems für die Rechner oder Settop-Boxen für Fernseher: Endanwender, aber auch Geschäftskunden müßten sich für den Internet-Zugang via TV-Kabel völlig neue Geräte anschaffen.Quälend langsam baut sich das Bildchen im Browser auf, und das trotz ISDN. Viele Surfer im Netz der Netze werden auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Da nutzt es dem Handel auch nichts, noch schnellere Modems oder ISDN-Karten zu verkaufen, die höchstmögliche Übertragungsrate von 56 beziehungsweise 64 Kbit pro Sekunde wird im Internet ohnehin kaum erreicht.

Denn es ist wie bei einer Stereo-Anlage, die nur so gut sein kann wie die schwächste Komponente. Da kann man dann noch soviele Tausender für den Verstärker ausgeben - sie sind einfach rausgeschmissen, wenn die billigen Lautsprecher-Boxen nur krächzende Töne von sich geben.

Und im Internet bestimmt eben das schwächste Glied in der Kommunikationskette die Datenübertragungsgeschwindigkeit. In den allermeisten Fällen handelt es sich bei dieser schwächsten Komponente um die sogenannte letzte Meile, also den Kupferdraht der Telefonleitung bis zum Teilnehmer. Sicherlich, mit ADSL (Asynchronous Digital Subscriber Line) existiert eine Technologie, die es erlaubt, Daten im Mbit/s-Bereich über den altehrwürdigen Kupferdraht zu schleusen. Doch bisher ist dies nur in geschlossen Netzwerken möglich. Sobald die Signale eine Vermittlungsstelle der Telekom passieren, ist es Schluß mit der Mbit/s-Herrlichkeit. Die hochfrequenten Signale, die erst die hohen Übertragungsraten ermöglichen, werden einfach herausgefiltert.

All dies verwundert nicht, denn die Telekom verdient ja am Minutenpreis, und der ist von der zu übertragenden Datenmenge unabhängig. Dann ist es für den ehemaligen Monopolisten doch viel bequemer, nur maximal 64 Kbit/s zuzulassen. Die Werbung für diese ach so tolle ISDN-Geschwindigkeit erscheint deshalb wie Hohn.

Telekom schützt ihre Netze

Dabei gibt es doch neben dem Telefonnetz seit knapp 30 Jahren eine Infrastruktur, die Datentransferraten von mehreren MBit pro Sekunde leicht zuläßt: das TV-Kabel-Netz. Leider befindet sich dessen Backbone (Netzebene 3) zu mehr als 80 Prozent in der Hand der Deutschen Telekom. Und genau hier liegt der Hund begraben.

Denn der rosa Riese wird sich wohl kaum selbst Konkurrenz machen wollen, also seine Kabel-Infrastruktur dem Internet öffnen und auf die kräftig sprudelnden Einnahmen aus den klassischen Fernsprechverbindungen verzichten.

Doch mittlerweile moniert sogar die EU-Kommission, daß die Telekom ihr Kabelfernsehnetz verkümmern lasse, um ihr Hauptgeschäft mit dem Telefonnetz zu schützen. Denn bis auf wenige Ausnahmen ist der Zugang zum Internet bisher ausschließlich über das Telefonnetz möglich.

Langsam, aber sicher dämmert es jedoch auch der Telekom, daß es so nicht weitergehen kann. Deshalb hat der Konzern Anfang dieses Jahres die Absicht bekräftigt, seine Kabelnetze zumindest teilweise zu verkaufen. Als aussichtsreichster Kandidat für diesen Deal gilt die Deutsche Bank. Aber auch einige regionale TV-Kabel-Betreiber zeigen gesteigertes Interesse.

Handel mit Kabelmodems in Bewegung

Somit könnte doch Bewegung im Handel mit den sogenannten Kabelmodems aufkommen. Bisher wurden diese Geräte nur sporadisch verkauft. Immerhin bieten Branchengrößen wie Cisco, 3Com und Nortel Networks derartige Geräte bereits an (siehe Kästen). Doch wie gesagt: Bisher gestaltet sich das Geschäft mit Kabelmodems hierzulande äußerst zäh.

Ganz anders in den USA. Dort ist der Web-Zugang über Kabel stark im Kommen. Kein Wunder, denn das dortige TV-Kabel verfügt auch über einen Rückkanal, über den der Surfen die Anweisungen zum Abrufen von bestimmten Inhalten im Internet absenden kann. Dies ist in Deutschland so überall noch nicht möglich. Hier muß der Kunde oft alle seine Mausklicks über ein konventionelles Modem und Telefon-leitung zu seinem Provider schicken.

Die angeforderten Daten bekommt der Surfer dann über das TV-Kabel mit mehreren MBit/s zugestellt, aber Telefongebühren fallen trotzdem an. Da darf die Telekom oder einer ihrer neuen Konkurrenten sich weiter freuen.

Genauso funktioniert übrigens das Angebot der Münchner Kabel & Medien Service KMS (siehe Grafik). Der Heimanwender benötigt nach wie vor sein konventionelles Modem oder eine ISDN-Karte, denn Web-Seiten anfordern oder E-Mails verschicken kann er nur auf diesem Weg (siehe ComputerPartner 4/99, Seite 36). Aber auch ansonsten stellt dieser Internet-Zugang übers TV-Kabel nicht ganz den derzeitigen "State of the Art" dar. Denn die maximal mögliche Download-Rate von 550 MBit/s liegt fast um einen Faktor 100 unter dem theoretisch möglichen Wert für Kabelmodems. Wen wundert's, hat doch das von der israelischen IBM-Niederlassung entwickelte interne Modem schon fünf Jahre auf dem Buckel. Mittlerweile stellt die israelische Firma Combox die ISA-Einsteckkarten her und vertreibt sie unter dem Namen "Dave" über den KMS-Partner New Media Communication. Auch zwei Wiederverkäufer sind an dem Deal beteiligt, tragen aber weniger als ein Prozent zum Umsatz bei. Wohl aus diesem Grund wollte die KMS-Geschäftsleitung die Namen dieser Fachhändler nicht nennen.

Die mit dem Modem ausgelieferte Software läuft ausschließlich unter Windows 95. Mac-, Unix und sogar NT-User bleiben da außen vor. Laut Michael Schätzle, Produktmanager bei Kabel & Medien Service, wird zwar mit Hochdruck an diesen Versionen der Software gearbeitet, doch wohl eher trifft die Vermutung zu, daß der Dienstleister gar nicht plant, eine Windows-98- oder NT-Version zu entwickeln. Denn dann könnten etwa Unternehmen die Bandbreite von bis zu 500 MBit/s dazu nutzen, um mit einem einzigen Account ein komplettes Firmennetz ans Internet anzubinden - bei 85 Mark volumenunabhängiger Monatspauschale plus 17,90 Mark Mietkosten pro Karte sicherlich eine lohnende Alternative.

Bisher haben sich lediglich 450 aus der Schar der 390.000 Haushalte im Münchener Raum für das Konzept begeistern kennen. Viele schrecken wohl doch vor den zusätzlich anfallenden Telekomkosten zurück, und so stagniert die Teilnehmerzahl seit einem halben Jahr.

Aber die Pläne von KMS gehen ohnehin viel weiter. Man setzt dort voll auf den neuen digitalen Standard.

"Aber die Telekom läßt uns nicht", beklagt Schätzle die mangelnde Bereitschaft des Ex-Monopolisten, digitale Inhalte über das Kabelnetz durchzuschleusen. Deshalb entschloß man sich bei KMS, eine eigene, rückkanalfähige Kabelinfrastruktur zu schaffen.

Im ersten Pilotprojekt wurde das Münchener Olympiadorf, Wohnstätte der Olympioniken 1972, neu vernetzt. 3.500 Haushalte bekamen einen modernen Kabelanschluß verpaßt. Sie sind in Zukunft nicht mehr aufs Telefonnetz angewiesen, denn über das Zwei-Wege-Kabel läßt sich selbstverständlich auch telefonieren.

Obwohl die endgültige Inbetriebnahme derzeit vonstatten geht, wird es laut Schätzle noch mindestens ein halbes Jahr dauern, bis auch die Internetanbindung steht. "Immerhin bekommen die Teilnehmer jetzt auch einen Rückkanal und brauchen keine Telefongebühren mehr zahlen"; so der KMS-Manager gegenüber ComputerPartner. "Da ist es notwendig, daß wir uns noch eine vernünftige Gebührenstruktur überlegen."

Noch vorsichtiger äußert sich Katharina Fürst von der KMS-Geschäftsleitung: "Es wird wohl noch ein bis zwei Monate dauern, bis das Ganze anläuft." Die Unternehmenssprecherin wollte auch keine weiteren technischen Details nennen. So waren bei KMS weder die geplanten Downloadraten zu erfahren noch die Namen der am Projekt beteiligten Partner - alles noch top secret. Von 3Com Deutschland war indessen zu vernehmen, daß dessen CMX-Kabelmodems dort zum Einsatz gelangen sollen (siehe Kasten: Komplettlösungen für Carrier und Kunden).

Über die angepeilten Kundenzahlen schweigt sich das KMS ebenfalls aus. Es sickerte zumindest durch, daß ein weiteres Projekt in Münchener Westend geplant ist.

Studentenwohnheime in der Vorreiterrolle

Eine völlig andere Strategie verfolgt die Münchener Firma Pentakom. Dort hat man sich auf die Verkabelung von Studentenwohnheimen spezialisiert. "Da ist die Akzeptanz dieser Internet-Zugangstechnologie am höchsten", glaubt der zuständige Projektleiter, Sascha Neuberger.

Über ihre Hochschule erhalten die Studenten meist einen kostenlosen Zugang zum Internet, so daß sie nur die Mietgebühren für das Kabelmodem zu begleichen haben. Telefonkosten fallen keine an, denn das Pentakom-Kabelsystem verfügt über einen eigenen Rückkanal. So belaufen sich die Ausgaben der Studenten auf 25 bis 38 Mark monatlich - je nach technischer Ausstattung. Trotzdem lohnt sich das Geschäft für Pentakom allein durch die hohe Nutzerzahl. Mitte 1998 hingen bereits zirka 2.000 Studenten am Kabel, wieviele es jetzt sind, war bei Pentakom leider nicht in Erfahrung zu bringen.

Das Reservoir an potentiellen Kabelkunden, die sofort ins Internet könnten, geht jedenfalls in die Millionen. Guido Schwartzfeld, technischer Referent beim Bonner Verband Privater Kabelnetzbetreiber ANGA, schätzt, daß bereits heute zehn Prozent der verkabelten Haushalte in Deutschland in der Lage wären, Daten bidirektional zu übertragen. Bei weiteren 15 Prozent ließe sich der Rückkanal innerhalb weniger Tage aktivieren - insgesamt mehr als fünf Millionen.

Die Gesamtzahl der Kabelmodemnutzer in Deutschland schätzt ANGA auf zirka 100.000. Sicherlich etwas hochgegriffen, nehmen doch Experten des US-amerikanischen CATV-Cyberlabs an, daß derzeit weltweit etwa 300.000 Teilnehmer ihr Kabelmoden zum Erforschen der unendlichen Weiten des Web einsetzen.

Es schlummert jedenfalls noch ein riesiges unerschlossenes Potential. Und die möglichen Anwendungen dieser Technologie wären recht vielfältig: So könnte der Fernseher endlich den PC als Zugangsgerät zum Internet ablösen. Die im Shopping-TV-Kanal präsentierten Waren könnte sich der Couch Potato dann etwa bequem per Fernbedienung sofort bestellen, der lästige Griff zum Telefonhörer entfiele. Über ein in der Settop-Box integriertes Modem würde er gar Video-Filme ("Video on demand") oder Digital-TV-Angbote ("pay per view") online anfordern.

Aber auch völlig neue Dienste sind im TV-Kabelnetz denkbar, etwa Sprachtelefonie oder Videokonferenzen. Damit wollen die einschlägigen Hersteller und Dienstleister der aus dem Telefonnetz lauernden Gefahr begegnen. So will etwa die Deutsche Telekom vom 1. Juli an die ADSL-Technologie bis zu 80.000 ihrer T-Online-Kunden anbieten. Diese sollen dann exklusiv bis zu 25 Stunden im Monat das "Fast-Internet"-Angebot nutzen und auf Daten mit 70facher ISDN-Geschwindigkeiten zugreifen können. Kostenpunkt des ganzen Spaßes: stolze 250 Mark.

Der weltführende Online-Dienst AOL plant, gegen diese Praxis des rosa Riesen Beschwerde bei der EU-Kommission einzulegen.

Vor der Weichenstellung

In den kommenden fünf Jahren wird es sich auf jeden Fall entscheiden, welche Technologie die Oberhand gewinnt und schließlich auch behält. Über den genauen Ausgang dieses Rennens sind sich die Marktauguren uneins. Während eine Studie der Allied Business Intelligence (ALI) der ADSL-Technologie einen Zuwachs von jetzt 6 auf 37 Prozent im Jahre 2004 vorhersagt, prophezeit sie dem Kabelmodem lediglich einen Anstieg seines Marktanteils von derzeit 16 auf 26 Prozent in den kommenden fünf Jahren.

Der amerikanische Marktforscher Harvey Morrison hält hingegen das Kabelmodem nach wie vor die beste Möglichkeit, schnell und günstig auf große Datenmengen im Internet zuzugreifen. Laut Dataquest ist der weltweite Umsatz mit Kabelmodems 1998 um 130 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen, und nach einer Marktuntersuchung der nordamerikanischen Kinetic Strategies Inc. soll bereits dieses Jahr das einmillionste Kabelmodem in den USA seinen Abnehmer finden (siehe Grafiken auf Seite 43). Weltweit rechnet das britische Forschungsintitut Ovum mit 4,5 Millionen Nutzern im Jahr 2000 und gar mit 20 Millionen fünf Jahre später. Diese Zahlen werden in Umfragen bestätigt. So zeigt eine Studie der Yankee Group, daß über 40 Prozent der verkabelten US-Haushalte an einem Hochgeschwindigkeits-Internet-Zugang interessiert sind. Hierzulande dürfte diese Quote auch bald erreicht sein. (rw)

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