Volkswagen – keine Verbrecherorganisation

Kein Schutz vor böswilligen Klagen

Dr. Johannes Fiala ist Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala, Fasolt-Str. 7, 80639 München
Diplom-Mathematiker Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung.

Fraglicher Schaden - höchst fraglicher Betrug?

Wenn 11 Mio. Fahrzeuge zu je nur 20.000 EUR Netto- Verkaufspreis betroffen sind, macht dies 220 Mrd. EUR Einnahmen, die auch mit der Werbung mit der Umweltfreundlichkeit entstanden sind.

Zudem konnte damit eine Markteinführung erreicht werden und ein Händlernetz sowie Produktionskapazität aufgebaut werden, weltweit, das die künftige Situation sichert. Erfahrungsgemäß werden Krisen dieser Art rasch überstanden - dann kommen die in dieser Zeit gewonnenen Vorteile zu Tage.

Rein wirtschaftlich gesehen könnte es also Sinn gemacht haben, diese Risiken sogar bewusst einzugehen, statt mit der Wahrheit zu arbeiten. Rechnete die Geschäftsleitung glaubhaft mit einem sicheren Gewinn, wird man wegen Vorsatzlosigkeit kaum zu einer Verurteilung kommen können.

Ggf. ist also gar kein Schaden entstanden, sondern es überwiegt der Nutzen. Ohne die damaligen Maßnahmen hätte VW vielleicht ein geringeres Vermögen heute und wäre weltweit für die Zukunft schlechter aufgestellt. Mit dann der Frage, wo die Basis sein soll, von jemand Schadenersatz zu verlangen, wenn nun ein vergleichsweise noch günstiger Preis für die erlangten Vorteile gezahlt werden muss. So könnte auch eine D&O argumentieren. Für einen Eventualpreis, den man für erlangte Vorteile bewusst zu zahlen bereit war, aber gerne doch auch noch eingespart hätte, zahlt doch keine Versicherung. Obwohl deren Zahlung natürlich auch Teil des Kalküls sein kann. Ebenso wie mit Winterkorns Gehalt dessen eingegangenes Risiko abgegolten werden konnte.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Az. 2 BvR 1235/11, Entscheidung vom 01.11.2012) entschied, dass aufgrund einer Pflichtverletzung nicht auf einen wirtschaftlich der Höhe nach vom Gericht zu beziffernden Schaden geschlossen werden darf (Verschleifungsverbot). Wenn künftig ein Sachverständiger feststellt, dass per saldo kein Schaden vorliegt, wären Pflichtverletzungen absehbar einerseits nicht unversichert und andererseits nicht als Vermögensdelikt wie etwa Betrug strafbar.

Objektiv keine Betrugsabsicht

Wenig glaubhaft erscheint, dass man von den Ereignissen überrascht wurde. Es ist unwahrscheinlich, dass man betrügen wollte oder dies auch nur in objektivem Sinn getan hat. Dass eine US-Behörde dies anders sehen konnte, lag aber im Bereich des Möglichen, wenn man die gesetzlichen technischen Vorgaben bis an die vermeintlich noch sicheren Grenzen ausgelegt hat. Fraglich ist, ob es irgendwo bei VW ein ausgearbeitetes Scenario für diesen Fall gab, das man heute finden könnte. Die Beseitigung einiger weniger "Schuldiger" ist jedoch ein effizientes Mittel, auch den Reputationsschaden weiter zu begrenzen.

Vorstand und Juristen können wohl jeden Techniker davon überzeugen, eine geeignete Neubewertung seiner vermeintlich erkannten "Rechts"Risiken vorzunehmen, oder es wird jemand anderes mit der Bewertung beauftragt und der Betreffende erfährt davon nichts. In einem arbeitsteiligen Unternehmen ist dies möglich. Sollte jemand dann doch nicht anderer Meinung sein, gibt es bei vielen Unternehmen Methoden, um zu überzeugen, und sei es nur, damit eingeräumt wird, dass die eigene Meinung evtl. auch falsch sein kann. Z.B. weil der Techniker seine eigene eigenwillige Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe unterstellt.

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