Keine Begeisterung bei Compaq-Händlern für neues Vertriebsmodell

16.12.1999
MÜNCHEN: Ein Referenzpreis für alle, geringe Lagerhaltung, Reduzierung der Lieferkosten, keine Marge mehr: Compaq wirft das bisherige Vertriebskonzept über den Haufen und bietet Kunden an, zukünftig direkt beim Hersteller zu kaufen.

"Wenn wir unser Vertriebskonzept nicht den geänderten Marktbedingungen des Internet-Zeitalters anpassen, verlieren wir und der Fachhandel die Kunden an die Direktanbieter." Compaq-Geschäftsführer Harald Stanzer macht klar, wo der Feind steht: "Die Marktanteile, die Dell und Gateway in den USA gewonnen haben, hat der Kanal verloren." Auf diese veränderten Rahmenbedingungen durch das Internet reagiert Compaq nun, indem das Unternehmen den Spagat zwischen Direkt- und Channel-Vertrieb wagt. Compaq will preislich mit den Direktanbietern mithalten, aber dazu müssen in der Wertschöpfungskette Kosten gespart werden. Deswegen ist es Compaqs Ziel, die Lagerhaltung im Channel, das heißt bei Distributoren und bei Partnern, zu verringern. Der PC-Anbieter hat diesen Bereich nämlich als Kostenquelle Nummer eins im Wettbewerb zwischen dem direkten und dem indirekten Vertriebsmodell identifiziert (siehe Grafik).

Das neue Vertriebsmodell sieht vor, daß die Kunden wählen können, ob sie bei Compaq direkt ordern oder weiterhin über Partner einkaufen. Der Clou dabei: Der Hardwarepreis wird über beide Wege gleich sein. Die Marge für die Vertriebspartner entfällt und wird durch eine Vermittler- oder Vertriebsprovision ersetzt (siehe Kasten). In welcher Höhe diese Provision ausfallen wird, steht noch nicht fest, weil Compaq mit den Partnern die Details des Modells noch ausdiskutiert.

Brisant ist es deswegen, weil sowohl die Distributoren als auch die Handelspartner dadurch verstärkt gezwungen werden, ihr Geld durch den Verkauf von Zusatzleistungen rund um Compaq-Produkte zu verdienen. Als Beispiele für solchen Mehrwert zählt Compaq Lieferkonditionen, Installation, Konfiguration, Training, Garantieleistungen oder Kreditfunktion auf.

Die ersten Reaktionen der Handelspartner auf diese Änderungen waren gemischt. Einige große Compaq-Partner äußern sich befremdet darüber, einfach nur durch einen Brief von den Neuerungen zu erfahren. "Mich überrascht dieser Schritt nicht. Wenn Compaq gegen Dell angehen will, müssen sie fast so reagieren", erklärt Rolf-Dieter Härter, Geschäftsführer der Inteco GmbH in Filderstadt. "Eigentlich kann man das Modell erst beurteilen, wenn feststeht, wie hoch die Provision ist", kommentiert Frank Garrelts, Vorstand von Akcent Computerpartner.

Viele Händler sehen allerdings die Schwierigkeit, allein vom Service- und Beratungsgeschäft zu leben. "Wir würden ja gerne ein reines Dienstleistungsgeschäft betreiben, dafür langt es aber noch nicht", plaudert ein Compaq-Partner aus dem Nähkästchen. Hardwareverkauf gehört einfach noch mit dazu. Compaq hält dagegen, daß die Partner ihren Mehrwert nun besser verargumentieren können, weil die Preise transparenter werden. Zudem sei es bisher schon gängige Praxis, die Hardware zum Einkaufspreis "durchzuschieben". "Partner ohne Dienstleistung werden vom Markt verschwinden", ist Stanzer überzeugt. "Dem Trend zum Direktvertrieb kann man sich nicht verschließen. Daß mit reinem Box-Shipping kein Geld verdient werden kann, ist nicht neu", kommentiert Michael Kaack, Vorstandsvorsitzender von Ingram Macrotron die Pläne von Compaq. Er erwarte eigentlich keine große Veränderung und sieht wie sein Kollege Karl Pohler, Chef von Computer 2000, Compaqs Plänen gelassen entgegen. Doch wenn Compaq keine große Lagerhaltung mehr im Kanal will, ist absehbar, daß die Zahl der Distributoren, wie in den USA bereits geschehen, reduziert werden wird. Ein offizielles Statement dazu gibt es nicht. Es würde auch bedeuten, daß Compaq viel stärker auf Bedarf produzieren muß, wenn in den Lägern der Distributoren nur noch bestimmte Grundmodelle vorrätig gehalten werden sollen.

Einige Handelspartner, die jetzt schon recht heftig von Fujitsu Siemens umworben werden, werden sich in Zukunft wahrscheinlich gut überlegen, mit welchem Anbieter sie zusammenarbeiten. Denn obwohl Compaq durch diese Ankündigung für die Partner "berechenbar" sein will, geht die Angst um, in einem Jahr komplett aus dem Boot gekippt zu werden, weil Compaq den Endkundenkontakt so deutlich sucht. (is)

Zur Startseite