Laue Sprüche am heißen Draht

04.04.2002

Wer kann sich nicht an seine Schulzeit erinnern? Das war im Großen und Ganzen eine feine Zeit. Man traf sich mit netten Leuten, war weg von der Straße, und jeder hatte wohl das ein oder andere Lieblingsfach, in dem er sich auskannte. Allein die Schulaufgaben und Ad-hoc-Tests konnten einem schon das Leben schwer machen. Vor allem, wenn man sich partout nicht mit dem ungeliebten Lernstoff auseinander gesetzt hatte und sich dann bei einem Test eine Fünf sowie einen Satz roter (Scham-)Ohren holte. Ähnliches passierte nun 14 Herstellern von Consumer-Notebooks nach dem katastrophalen Abschneiden beim neuesten Test der Stiftung Warentest (lesen Sie dazu auch den Artikel auf Seite 22).

Da wagten doch tatsächlich verdeckte Tester wegen möglicher Probleme mit Windows XP bei den Hotlines der Notebook-Hersteller anzurufen, obwohl deren Mitarbeiter doch so schöne und altbewährte Hilfestellungen bei Treiber- oder Bios-Problemen anbieten könnten. Aber nein, die Testanrufer mussten unbedingt -, kaum ist das neue Betriebssystem seit Monaten Standardausstattung der mobilen Rechner - praxisnahe Fragen zu Windows XP zu stellen. So eine Frechheit! Als ob die zahlreichen Studenten und Teilzeitkräfte an den Hotlines nichts Besseres zu tun hätten, als sich auf aktuelle Produkte einzustellen und den Hilfesuchenden in kurzer Zeit profunde Antworten zu geben. Immerhin, die meisten waren sehr freundlich, gesprächig und mitfühlend, nur eben keine echte Hilfe. Stattdessen vertändelten sie wertvolle Zeit der Anrufer.

Zeit ist Geld - selten war dieser schon reichlich abgenutzte Spruch so wahr wie bei den kostenpflichtigen Hotlines. Was nutzt es, wenn die Minute nur wenige Cent kostet, der Mitarbeiter am heißen Draht aber stundenlang mit äußerst geringem Hilfswert den Anrufer zuschwallt? Die Hotline ist keine Kontaktbörse für einsame Callcenter-Mitarbeiter, sondern eine Anlaufstelle für Kunden, die ein Problem haben, das gefälligst schnell und kompetent gelöst werden sollte!

Das ist übrigens kein Angriff gegen die oftmals schlecht bezahlten Mitarbeiter der Hotlines. Die Hersteller selbst sollten sich vielmehr dringend an die eigene Nase fassen und ihre Servicemitarbeiter regelmäßig und umfassend schulen. Es ist ein Unding, bei billig produzierten Consumer-Produkten auch noch am vielbeschworenen Service zu sparen. Da wirken Ausreden wie "Probleme mit der Umstrukturierung" und Entschuldigungen, man habe Windows XP erst seit kurzem in Angebot, genauso lahm wie die Erklärung, der Dackel habe das Heft mit den Hausaufgaben gefressen.

Auch für den Fachhandel ist dieses Debakel ein zweischneidiges Schwert: Nach solch frustrierenden Erlebnissen wird mit Sicherheit manch ein Soho-Kunde beim nächsten Kauf lieber direkt zum kompetenten Fachhändler gehen. Andererseits wird der Glanz so manchen Markennamens dank einer unfähigen Hotline etwas matt, sodass der Fachhändler noch mehr Zeit in die Presales-Beratung stecken muss, um den Kunden zum Kauf zu bewegen. Und, wie schon gesagt: Zeit ist Geld.

Ulrike Goreßen

ugoressen@computerpartner.de

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