Media-Markt-Chef Voigt übt heftige Kritik an Industriepartnern

24.01.2002
2001 war für die IT-Branche das Flautejahr. Klaus-Peter Voigt, COO Media-Markt, und Johannes Kempter, Geschäftsführer der neuen Media-Saturn IT-Management-Gesellschaft mbH, üben allerdings auch harsche Kritik an der Industrie: Lieferengpässe und ein zu vorsichtiger Forecast hätten Wachstum bei Herstellern und Handel verhindert. Mit den Media-Markt-Managern sprachen die ComputerPartner-Redakteure Damian Sicking und Cornelia Hefer.

Herr Voigt, freuen Sie sich schon auf den 14. März?

Voigt: Wieso?

Dann führt Microsoft die X-Box in Deutschland ein.

Voigt: Na klar freue ich mich darauf.

Welche Erwartungen verbinden Sie damit?

Voigt: Einen zusätzlichen Impuls für den gesamten Markt. Wenn ein großer Player wie Microsoft solch ein Produkt, über das schon im Vorfeld ausführlich berichtet wurde, jetzt endlich auf den Markt bringt, muss das ein Big Bang werden.

Herr Kempter, ist die X-Box mit 950 Mark preislich nicht zu hoch angesetzt?

Kempter: Nun ja, Microsoft tritt in Europa sehr selbstbewusst auf: Man ist der Meinung, dass man aufgrund der Technologie, der Vielseitigkeit, der Software und auch der Qualität hier durchaus 950 Mark nehmen kann. Im Vergleich zu den USA ist das deutlich teurer. Wir dürfen gespannt sein, wie der Kunde diesen Preis annimmt. Das Produkt selbst ist klasse: Gerade den Spielemarkt wird das erheblich beleben.

In den USA soll Microsoft bereits 1,5 Millionen Stück verkauft haben.

Voigt: Das sagt Microsoft. Auf jeden Fall werden wir die Ersten sein, die die X-Box in die deutschen Läden bringen.

2001 war sowohl für die IT- als auch für die UE-Branche ein mageres Jahr. Analysten schätzen, dass die Media-Saturn-Gruppe im dritten Quartal Umsatzeinbußen von 30 Prozent hinnehmen musste und im vierten Quartal nur einen Zuwachs von einem Prozent verbuchen konnte. War also im vergangenen Jahr nicht soviel drin, wie Sie geglaubt haben?

Voigt: Wenn dem so wäre, dann hätten wir uns schon längst die Kugel gegeben. Natürlich war 2001 nicht der Super-Hype, und wir hatten im Frühjahr auch mit einem hausgemachten Drama zu kämpfen. Aber das haben wir sehr schnell wieder bereinigt.

Sie meinen die Lagerabwertung bei Media-Markt?

Voigt: Genau. Und wenn wir ein Problem in dieser Größenordnung haben, müssen wir auch bereit sein, einen Schnitt zu machen und es schnell zu lösen. Das war zwar schmerzhaft, aber damit war die Sache erledigt. Und danach ging es bergauf. Worunter wir dann im Herbst wirklich gelitten haben - und nicht nur wir -, war die schlechte Verfügbarkeit. Wir haben händeringend versucht, die Ware heranzuschaffen.

In welchen Segmenten konnten die Anbieter denn nicht liefern?

Voigt: Desktop-PCs und Notebooks. Konkret gab es wohl Engpässe bei den CPUs ...

Kempter: ... und bei den DVD-Laufwerken. Möglicherweise weil sich die Hersteller auf den Spielekonsolenmarkt konzentriert haben: Playstation und X-Box sind mit DVD-Laufwerken ausgerüstet, ebenso fast alle ausgelieferten Notebooks. Zuerst hatten wir einen Absatzeinbruch im Oktober/November, dann eine gigantische Nachfrage. Darauf waren die Hersteller nicht eingestellt. Das heißt, die Industrie hat die geforderten Mengen auch nicht vorproduziert.

Wenn die Ware verfügbar gewesen wäre, hätten Sie dann 2001 ein besseres Geschäft gemacht als im Vorjahr?

Voigt: Ja. Anfang 2001 hatten wir mit einer allgemeinen Kaufzurückhaltung zu kämpfen, dazu dann im Herbst mit der mangelhaften Verfügbarkeit. Beide Punkte zusammengenommen haben sicherlich Wachstum verhindert.

Was ich noch ergänzen möchte: 2001 sind wir von unseren großen Lieferanten aus der Industrie wirklich enttäuscht worden. Das gab es noch nie: Die Hersteller haben Lieferzusagen nicht eingehalten, und Qualitätsstanddards, was die Produkte betrifft, sind nicht erfüllt worden. Die Industrie braucht sich über den Wachstumsknick nicht zu wundern.

Sie haben doch mit Ihren Lieferanten über diese Probleme gesprochen. Was waren die Gründe?

Voigt: Umstellung auf SAP. Der 11. September musste auch des Öfteren herhalten ...

Kempter: ... und dann gab es auch noch einen Taifun in Taiwan.

Welche Probleme haben die Engpässe bei Media-Markt ausgelöst?

Voigt: Ein klares Nein von Seiten eines Lieferanten oder Herstellers ist uns lieber, als wenn eine Zusage kommt und dann keine Ware. Es geht hier auch nicht um den Umsatzausfall, das ist eine leidige Randerscheinung.

Viel schlimmer ist, dass wir ja unsere Marketingmaschine angeschmissen haben: mit Media-Markt-Flyer, TV-Werbung, Rundfunkwerbung. Damit sind die Märkte sensibilisiert. Der Kunde wird heiß gemacht. Wenn dann keine Ware im Laden steht, schadet das unserem Image. Einen Umsatzausfall kann ich hochrechnen, bei einem langfristigen Imageschaden sieht es schon anders aus.

Haben Sie Konsequenzen gezogen?

Voigt: Natürlich haben wir sehr ernsthafte Gespräche geführt. Außerdem waren hinsichtlich der Qualität der Produkte nicht nur PCs, sondern auch Geräte aus dem digitalen Segment - wie DVD-Play-er, Digitalkameras oder Camcorder - betroffen. Daher werden wir künftig Tests in der Produktion durchführen.

Eigene Tests von Media-Markt, beispielsweise in asiatischen Produktionsstätten?

Kempter: Ja, daran arbeiten wir, und das ist auch nichts Verwerfliches. Das gehört einfach zum Geschäft. Schließlich schafft das beim Kunden wieder Vertrauen in den Produzenten. Und unterm Strich kostet uns das dann auch wieder weniger Geld, weil die Reklamationen weniger werden.

Noch einmal zurück zum vergangenen Geschäftsjahr: Sie bleiben also im IT-Segment unter Ihrem Ergebnis von 2000?

Voigt: Ja, wenn man die verkauften Desktop-Stückzahlen betrachtet. Allerdings konnten wir einiges über den Notebook-Absatz kompensieren, so dass es beim Umsatz wieder besser aussieht.

Außerdem muss man auch mal sagen, dass das Jahr 2001 gar nicht so schlecht war; eigentlich war es sogar ein super Jahr. Wir haben ein Gewitter gehabt, das uns die Möglichkeit gab, mal den ganzen Müll auszuräumen. So sauber waren wir am Lager noch nie. Und das vergangene Jahr hat auch - bedingt durch Frustpunkte, ausgelöst durch bestimmte Situationen - die Sinne wieder geschärft, egal, für welchen Produktbereich.

Und was macht dem Kunden Spaß - auch in Zukunft?

Voigt: Die gesamte multimediale Welt: Digitalfotografie, Organizer, Mobilkommunikation. Das sind wirklich klasse Produkte.

Und wie lief das Geschäft mit brauner und weißer Ware?

Voigt: Wir sind - auf unveränderter Fläche - mit einem schönen Plus im einstelligen Bereich nach Hause gegangen. Und das ist im Vergleich zum Wettbewerb schon klasse.

Kempter: Würden wir die Gesamtfläche zugrunde legen, könnten wir sogar einen zweistelligen Zuwachs ausweisen.

Welche Erwartungen haben Sie für das laufende Geschäftsjahr?

Voigt: Wir wissen noch nicht, wie lange der Kunde braucht, um sich an die neue Währung zu gewöhnen. Grundsätzlich bin ich aber überzeugt, dass er 2002 wieder mehr konsumieren wird. Vielleicht bleiben viele Konsumenten in diesem Sommer lieber zu Hause, statt zu verreisen, und geben ihr Geld dann für PCs oder Elektronik aus. Das ist derzeit schwer abzuschätzen.

Sie wollen also über dem prognostizierten Wachstum des Bruttosozialproduktes, das nach neuesten Angaben unter einem Prozent liegen soll, 2002 wachsen?

Voigt: (lacht) Ja, auf jeden Fall.

Ist auch Umsatzzuwachs über Expansion oder Neueröffnungen weiterer Outlets geplant?

Voigt: Ja, Media-Markt hat jetzt 154 Outlets, zehn bis zwölf werden dazukommen.

Seit dem 1. Januar gilt in Deutschland die verlängerte Gewährleistungsfrist von zwei Jahren. Was halten Sie davon?

Voigt: Es ist jetzt erst mal rechtlich klar formuliert, auch wenn der Endverbraucher das möglicherweise in seinem gesamten Umfang noch nicht versteht.

Im August hatten Sie angekündigt, Media-Markt wolle sich vom reinen Kistenschieben verabschieden und das Service- oder Dienstleistungsgeschäft ausbauen. War das ein Scherz von Ihnen, Herr Voigt?

Voigt: An der Basis sind wir Elektronikpower-Maschinen. Diese Positionierung ist einzigartig; was Preis und Auswahl betrifft, gibt es kein anderes Unternehmen wie Media-Markt in der Branche. Wenn wir von Service sprechen, dann meinen wir, dass wir uns dem Erklärungsbedarf der Ware anpassen: Der Kundenanspruch an die Beratung wird mit den neuen Produkten also immer höher, und dem müssen wir uns stellen. Das heißt, wir müssen dem Kunden eine Top-Beratung in dem jeweiligen Segment bieten. Wir wollen die Qualität der Beratungsleistung weiter verbessern.

Ihre Kooperation mit dem Service-Unternehmen Homejumper läuft weiter. Im Januar wollten Sie mit einem neuen Konzept starten. Was ist hier geplant?

Voigt: Wir planen eine Angebotsleistungserweiterung mit Homejumper. Gestartet sind wir im August 2000 damit, Service als Produkt anzubieten, und das hat der Kunde so nicht angenommen.

Kempter: Das Homejumper-Angebot, Service für den Kunden als zusätzliche Dienstleistung zu offerieren, ist eigentlich genial. Der Preis ist überschaubar und angemessen. Das Problem ist, diese Botschaft zum Kunden zu transportieren. Und hier treten wir nur als Vermittler auf. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, Homejumper beim Kunden zu positionieren.

Nimmt der Kunde das Homejumper-Angebot nur nicht an, oder will er überhaupt keinen Service, wenn er bei Ihnen einkauft?

Kempter: Das wissen wir nicht genau. Den Kauf von Service oder Dienstleistung verbindet der Kunde scheinbar nicht mit einem tollen Erlebnis.

Voigt: Psychologisch ist das auch Blödsinn: Ich kaufe das Produkt und den Service gleich dazu. Das passt einfach nicht zusammen. Wenn ich Ihnen heute ein Auto verkaufe und gleichzeitig den ersten Werkstatttermin, zweifeln Sie sofort an der Qualität des Autos.

Werfen wir noch einen kurzen Blick auf Ihre Wettbewerber. Die Kingfisher-Tochter Promarkt musste in den ersten neun Monaten 2001 einen Verlust von rund 30,8 Millionen Euro (60 Millionen Mark) wegstecken. Wie sehen Sie Promarkt derzeit?

Voigt: Besser Promarkt hat Probleme als wir. Ja, wir sehen sie natürlich nach wie vor als nationalen Wettbewerber. Über ihre Schwierigkeiten kann ich wenig sagen.

Und wenn Sie der Chef von Promarkt wären, wüssten Sie, was Sie anders machen würden?

Voigt: Selbstverständlich.

Verraten Sie uns das auch?

Voigt: Nein (lacht). Allgemein muss man aber sagen, dass der Wettbewerb in Deutschland wieder an Attraktivität gewonnen hat.

An welche Unternehmen denken Sie da?

Voigt: In den Einkaufskooperationen gibt es einige - derzeit noch wenige - Mitglieder, die das Geschäft beherrschen. Schließlich haben wir noch keine 100 Prozent Marktanteil.

Denken Sie dabei auch an Elektronik-Partner (EP)?

Voigt: Nein, nicht nur. Dort gibt es auch Starke und Schwache. Expert hat beispielsweise auch gute Händler. Es können aber auch unabhängige Solisten sein. Entscheidend ist, wer den Laden führt. Und da muss Überzeugung, Leidenschaft und Herzblut dabeisein.

Die EP-eigene PC-Kette Medimax will in diesem Jahr zwölf + x neue Filialen eröffnen. Intern soll die Parole lauten, dass man bis 2003 Media-Markt dicht auf den Fersen sein will. Müssen Sie sich jetzt Sorgen machen?

Voigt: Wer Angst vor dem Wettbewerb hat, hat schon verloren. Wenn Medimax entschieden hat, zu expandieren - ja, wunderbar, sollen sie kommen. Man könnte ja ausrechnen, wie lange sie mit den geplanten Neueröffnungen brauchen, um uns einzuholen. Außerdem, wie es so schön heißt: Konkurrenz belebt das Geschäft.

Herr Voigt, vor einem Jahr sagten Sie uns im Interview, Sie hätten "den geilsten Job der Welt". Jetzt sind Sie zum COO (Chief Operating Officer) für Media-Markt berufen worden. Ist das der Höhepunkt Ihrer Karriere?

Voigt: Ein Sprichwort sagt: Da, wo Deine Gaben liegen, liegen auch Deine Aufgaben. Also werde ich aus Überzeugung und mit gleicher Leidenschaft und Freude meiner neuen Aufgabe und der damit verbundenen Verantwortung gerecht. So wie bisher auch.

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