Mehr Sorgfalt bei Verträgen mit GmbH-Geschäftsführern nötig

20.04.2000
Die Stellung des Geschäftsführers einer GmbH hat immer wieder Anlass zu juristischen Auseinandersetzungen gegeben: Ist der Geschäftsführer Arbeitgeber? Oder ist er Arbeitnehmer der Gesellschaft? Bedeutung gewinnen diese Fragen in aller Regel dann, wenn die Gesellschafter sich von einem Geschäftsführer trennen wollen, weiß Kerstin Reiserer*.

Wird einem GmbH-Geschäftsführer das Dienstverhältnis gekündigt, taucht schnell die Frage auf, ob der Geschäftsführer sich auf das Kündigungsschutzgesetz berufen und vor dem Arbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung prüfen lassen kann. Dass es so schwierig ist, den Status des GmbH-Geschäftsführers zu bestimmen, liegt an seiner Doppelstellung. Zum einen ist der Geschäftsführer Organ der Gesellschaft und damit befugt, die GmbH nach außen zu vertreten. Neben diese so genannte Organstellung tritt aber regelmäßig ein Dienstverhältnis. Darin werden die persönlichen Beziehungen zwischen Geschäftsführer und GmbH geregelt, etwa die Vergütung, der Urlaub und die Altersversorgung.

Bisher galt es jedenfalls in der juris- tischen Praxis als klar, dass das Dienstverhältnis eines Geschäftsführers kein Arbeitsverhältnis sei. Da Geschäftsführer als oberstes Leitungsorgan letztlich Arbeitgeberfunktion für die GmbH ausüben, hat es der Bundesgerichtshof abgelehnt, ihnen die Arbeitnehmereigenschaft zuzusprechen. Dementsprechend hat auch der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluss vom 6. Mai 1999 (5 AZB 22/98) verneint, dass für Klagen eines GmbH-Geschäftsführers der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sei.

Eben dieser Fünfte Senat hat aber kurz darauf seine Auffassung geändert. In einer Entscheidung vom 26. Mai 1999 (5 AZR 664/98) hat er ausdrücklich festgestellt, das Dienstverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers könne auch ein Arbeitsverhältnis sein. Ob dies der Fall sei, beurteilte sich insbesondere danach, ob der Geschäftsführer "arbeitsbegleitende oder verfahrensorientierte Weisungen" erhalte. Mit anderen Worten: In Zukunft sind Geschäftsführerverträge anhand der allgemeinen Abgrenzungskriterien daraufhin zu überprüfen, ob es sich um ein Arbeitsverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis handelt. Damit sind die Kriterien, die für die Beurteilung freier Mitarbeiterverhältnisse entwickelt worden sind, nun auch bei GmbH-Geschäftsführern heranzuziehen. Auf den Umfang der Vertretungsmacht soll es daneben nicht ankommen.

Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin, eine stellvertretende Geschäftsführerin, dennoch keinen Erfolg. Sie hatte sich mit einer Kündigungsschutzklage gegen ihre Entlassung gewehrt. Das Bundesarbeitsgericht kam indes zu dem Ergebnis, die Klägerin habe die Modalitäten, unter denen sie ihren Aufgaben nachkam, "im Wesentlichen frei und selbständig" bestimmen können. Sie habe keinen Weisungen der Gesellschafter unterlegen und ihre Dienstleistungen "nicht in persönlicher Abhängigkeit erbracht". Folglich war sie keine Arbeitnehmerin.

Abgrenzungskriterien sind wichtig

Für die Praxis hat das Urteil gravierende Folgen. Gesellschafter einer GmbH können nach dieser Entscheidung nicht mehr sicher sein, ob der von ihnen verpflichtete Geschäftsführer nicht als Arbeitnehmer zu betrachten ist. Es muss also mehr Sorgfalt auf die Gestaltung der Dienstverträge verwendet werden. Ähnlich wie bei der Beauftragung eines freien Mitarbeiters muss die Gesellschaft in Zukunft auch im Verhältnis zu ihrem Geschäftsführer darauf achten, dass die Vertragsgestaltung keine arbeitsrechtlichen Weisungsmöglichkeiten enthält. Die zahlreichen Abgrenzungskriterien, die in der Rechtsprechung entwickelt worden sind, um die persönliche Abhängigkeit festzustellen und damit zwischen Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern zu unterscheiden, werden nun auch für den GmbH-Geschäftsführer wichtig: Besteht eine Pflicht zum regelmäßigen Erscheinen am Arbeitsort? Gibt es zeitliche Vorgaben? Unterliegt die Urlaubsgestaltung engen Grenzen? Kann der Geschäftsführer die übertragenen Aufgaben im Wesentlichen eigenverantwortlich erfüllen? Dabei gilt es zu bedenken, dass neben der reinen Vertragsgestaltung auch die tatsächliche Vertragsabwicklung, also die Handhabung der Zusammenarbeit in der Praxis, eine gewichtige Rolle spielt.

Nicht zuletzt die GmbH-Geschäftsführer selbst werden in Zukunft ihre Position bei Auseinandersetzungen mit der Gesellschaft ver- bessern können, indem sie auf ihre mögliche Arbeitnehmerstellung verweisen. Zwar scheidet der allgemeine Kündigungsschutz für sie gemäß § 14, Absatz 1 Kündigungsschutzgesetz auch dann aus, wenn sie als Arbeitnehmer qualifiziert werden. Es gibt jedoch eine Vielzahl anderer Regelungen, deren Einhaltung sie als Arbeitnehmer einfordern können. Das gilt etwa für den besonderen Kündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes, des Erziehungsgeldgesetzes und des Schwerbehindertengesetzes, für Einschränkungen zur Zulässigkeit von Vertragsbefristungen oder für die Grundsätze zur Haftungsbegrenzung im Arbeitsrecht, auf die sich nach der bislang herrschenden Auffassung der Geschäftsführer einer GmbH generell nicht berufen konnte.

Nimmt man die Aussage des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Mai 1999 hinzu, wonach Geschäftsführer auch dann nicht vor den Arbeitsgerichten klagen können, wenn ihr Anstellungsverhältnis tatsächlich ein Arbeitsverhältnis ist, so führt dies zu einem erstaunlichen Ergebnis: In Zukunft werden die ordentlichen Gerichte mit arbeitsrechtlichen Forderungen von Geschäftsführern zu tun haben.

*Dr. Kerstin Reiserer ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht sowie Partnerin der Sozietät Melchers Schubert Stocker Sturies, Heidelberg.

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