Microsoft spielt Grand mit Vieren

21.03.2002
Microsoft kündigte Ende Februar an, in das Anwendungsgeschäft für das Customer-Relationship-Management (CRM) einzutreten. Jetzt wird sich unter den mittelständischen Anbietern die Spreu vom Weizen trennen. Marktforscher sagen, welche Trümpfe Microsoft im Kampf um Marktanteile besitzt und wo seine Schwächen liegen.

Drei von vier CRM-Anbietern werden bis 2003 verschwinden. Das prognostizierte das Marktforschungsunternehmen Gartner bereits im August 2000. Mit dem Markteintritt von Microsoft wird diese Vorhersage wahrscheinlicher. Die Redmonder wollen ab dem vierten Quartal 2002 in den USA und ab dem zweiten Quartal 2003 der restlichen Welt Applikationen auf Basis von "MS Dotnet" anbieten, mit denen Unternehmen ihre Kundenbeziehungen managen können.

Die Gates-Company hat für den Kampf um Marktanteile gute Karten. Sie spielt einen Grand mit Vieren. Denn laut Gartner umfassen die Vorteile von "MS CRM" vier Punkte: Es handelt sich um eine Out-of-the-Box-Lösung mit einfachen Sales-Force-Automation- (SFA)-, Service- und Marketing-Tools. Außerdem fallen niedrigere Kosten im Vergleich zu Wettbewerbsprodukten an. Die Software lässt sich einfach installieren, managen und anwenden, und last but not least ist sie voll in Microsoft Office und Exchange/Outlook integriert. Letzteres sieht Bill Clough, Research-Manager bei IDC, sowohl als Vorteil als auch als Nachteil an: "Outlook stellt mit 93 Millionen Anwendern zum einen eine große Zielgruppe für MS CRM dar, zum anderen ist es das am meisten "gehackte" Programm, was Sicherheitsfragen aufwirft."

Dennoch: Kleine Unternehmen mit wenig IT-Expertise im eigenen Haus können mit der Microsoft-Lösung einfache Verkaufs- und Kundendienstaktivitäten abbilden. Für Softwarehersteller, die einen ähnlichen Funktionsumfang anbieten und dasselbe Marktsegment adressieren, wird das Leben durch den Markteintritt der Redmonder deshalb sicher nicht einfacher. Dazu zählen laut einem Bericht von ECCS (European Centre for Customer Strategies) Anbieter wie Frontrange und Interact. Bieten die Redmonder ihr Produkt unter dem Preis dieser Hersteller an, könnte Microsoft deren potenzielle Käuferschicht besetzen. Laut Bill Clough von IDC sei die Schlüsselfrage für kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) aber auch, wem die IT-Infrastruktur gehört. Bei KMUs gehören dazu das Netzwerk (kommt von Microsoft), das Betriebssystem (kommt von Microsoft) und die Desktop Application Suite, die ebenfalls die Redmonder herstellen.

Doch noch ist nichts verloren: Gartner rät Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern, in den USA bis 2003 und außerhalb Nordamerikas bis zum ersten Quartal 2004 auch andere Lösungen in Betracht zu ziehen. Hersteller, die mehr zu bieten haben als Ba-sis-CRM-Funktionalitäten, wie die Möglichkeit, Workflow-Prozesse abzubilden oder Sales Teams nach Gebieten, Produkten oder Kampagnen auszurichten, haben deshalb weiter gute Marktchancen. Denn Unternehmen, die ihre Lösung außerhalb von Microsoft-Umgebungen integrieren müssen, komplexe Verkaufs- und Kundendienstmodelle haben oder CRM-Features wie Personalisierung, Content-Management oder Konfiguratoren benötigen, werden laut Gartner bei den Redmondern nicht fündig. Deren erstes Release ermögliche weder eine tiefe Call-Center-Integration noch werde es stark individuell anpassbar sein. Deshalb werde MS CRM wahrscheinlich nicht die erste Wahl großer oder komplexer Unternehmen sein.

Doch wie lange wird der Vorsprung der Best-of-Breed-Hersteller halten? Mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,7 prognostizieren die Marktforscher, dass die Redmonder einen mittelständischen CRM-Anbieter aufkaufen werden, um bis 2004 anpassbare CRM-Anwendungen auf dem Markt offerieren zu können.

Insellösungen sind noch stark verbreitet

In Deutschland implementieren bislang vor allem große Unternehmen CRM-Lösungen. Eine Marktuntersuchung der Meta Group in Deutschland vom vierten Quartal 2001 ergab, dass nur 42 der insgesamt 432 befragten Unternehmen bereits eine CRM-Lösung eingeführt haben. Weitere 158 Firmen befinden sich zurzeit in der Planungsphase; 232 Unternehmen haben kein CRM-Projekt durchgeführt und planen auch in nächster Zeit keines einzuführen. Aufgeteilt nach Unternehmensgrößen ist CRM in Deutschland bis dato eindeutig ein Thema für Großunternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Gerade in diesen Firmen laufen die Planungen für ein CRM-System auf Hochtouren.

"Obwohl durchgängige CRM-Systeme in deutschen Unternehmen bisher eher selten anzutreffen sind, verfügt eine Vielzahl der Befragten über Einzellösungen, beispielsweise im Bereich Datenanalyse oder Sales Force Automation", stellt Frank Naujoks, Projektleiter und Consultant der Meta Group, fest. So haben 28 Prozent der Befragten bereits einzelne Tools zur Datenanalyse (Data Warehouse/Data Mining) installiert, weitere 25 Prozent verwenden ein Customer Interaction Center zur Kommunikation mit ihren Kunden, und 19 Prozent setzen Sales-Force-Automation-Lösungen ein. Diese Installationen seien teilweise schon 1998 oder früher implementiert worden, und die Unternehmen würden zunehmend an der Integration der Einzellösungen in ein Gesamtsystem arbeiten, um die Vorteile voll nutzen zu können. Überraschend sei der hohe Anteil an selbstentwickelter Software, der durchgehend über alle Module bei mehr als 50 Prozent liegt. "Die Hauptaufgabe der Unternehmen in diesem Jahr wird sein, Einzellösungen in die Systemlandschaft zu integrieren", berichtet Naujoks.

www.eccs.uk.com

www.metagroup.de

www.gartner.com

www.microsoft.com/crm

ComputerPartner Meinung

Der Software-Gorilla Microsoft will nicht allein den Lunch der anderen Hersteller verspeisen, sondern seine Essgewohnheiten verändern. Denn je mehr Kunden Webservices nutzen wollen, um ihre Kundenbeziehungen zu unterstützen, desto mehr Anwender verlangen nach der Microsoft-Plattform Dotnet. Deshalb gilt es für mittelständische Best-Practice-Hersteller zum einen, ihren funktionalen Vorsprung zu bewahren, und zum anderen, ihre Lösungen nicht nur für den Desktop, sondern auch für Webservices anzubieten. (hei)

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