Der Vertrieb als Sündenbock

Mit der richtigen Vertriebsstrategie zum Erfolg



Andreas Franken schreibt als Experte zu den Themen Strategie, Marketing und Vertrieb. Der IT-Branche fühlt er sich seit Ende der 1980er Jahre verpflichtet. Analog seiner Überzeugung müssen Geschäftsmodelle permanent an sich ständig verändernde Rahmenbedingungen angepasst werden. Seine Unternehmensberatung Franken-Consulting unterstützt Unternehmen in puncto Wachstum und Effizienz. http://franken-consulting.blogspot.de/
In vielen Unternehmen könnte der Vertrieb effektiver sein – das sagt zumindest die Geschäftsführung. Warum ein Schwächeln im Vertrieb aber nicht immer am Vertrieb liegt, ist einfach zu erklären.

Dass Menschen auch bei komplizierten Fragen nach simplen Erklärungen suchen, ist ebenso wenig neu wie die Tatsache, dass Schuld für das Nichteintreten gewünschter Ereignisse gerne mal projiziert wird. Hiermit leben Vertriebsorganisationen in allen Branchen seit ewigen Zeiten, denn "schließlich ist es die Aufgabe des Vertriebs, das Unternehmen zu ernähren". Aber ist denn der Vertrieb automatisch der Sündenbock, wenn die Vertriebsperformance schlecht ist?

Der Vertrieb ist schuld - wer sonst?
Der Vertrieb ist schuld - wer sonst?
Foto: Ollyy - shutterstock.com

Die aktuelle Studie "Bought not sold: Marketing and selling to digitally empowered business customers" der Unternehmensberatung Bain offenbart, dass rund 70 Prozent der Kaufentscheidungen im B2B-Vertrieb bereits vor dem Erstkontakt mit dem Verkäufer fallen. Diese Erkenntnis macht ein Überdenken der üblichen Schuldzuweisungen an den Vertrieb ebenso erforderlich wie das Nachdenken über die eigenen digitalen Fähigkeiten als Unternehmen.

Top-Performer im Vertrieb sind erfolgreich - trotzdem

Selbstverständlich kann ein Verkäufer in der Ausübung seines Berufs mangelhaft sein, wenn es um die Themen Wissen, Können und Fleiß geht. Aber es gibt auch viele Rahmenbedingungen, für die der Verkäufer selbst nichts kann wie Vermarktungsprozesse, Organisation und Angebotsportfolio. Ja, es gibt Top-Performer, die trotz suboptimaler Rahmenbedingungen in der Lage sind, ihre Arbeitgeber mit guten bis sehr guten Ergebnissen zu versorgen, aber nicht jeder ist ein Top-Performer.

Das mittlere Drittel der Vertriebsmitarbeiter und auch die Nachrücker benötigen heutzutage mehr als je zuvor Rahmenbedingungen und Geschäftsprozess, die es auch durchschnittlich begabten Menschen ermöglichen, gute bis sehr gute Vertriebsleistungen abzuliefern.

Wenn Unternehmen erfolgreich werden oder bleiben möchten, dann muss dem Management klar sein, dass das eigene Geschäftsmodell immer wieder aufs Neue an sich permanent verändernde Rahmenbedingungen anzupassen ist. Dies fängt bei den realistischen Zielen an und setzt sich über Strategie und Taktik bis hin zur Operational Excellence fort.

Vor allen anderen müssen B2B-Unternehmen ihre jeweiligen Vermarktungskonzepte neu denken, was die enge Zusammenarbeit zwischen Vertrieb und Marketing unverzichtbar macht. Schließlich fallen, wie bereits erwähnt, 70 Prozent der Kaufentscheidungen vor dem Erstkontakt mit dem Verkäufer.

Lernen Sie die neuen Marktregeln

Nur wer die Customer Journey seiner Zielgruppen kennt, kann auch erahnen, wo und wie ein potenzieller Kunde für das eigene Thema gewonnen und auf eigene Angebote aufmerksam gemacht werden kann. Kunden bilden sich ihre Meinungen sowieso - auch dann, wenn ein Unternehmen nichts macht. Wie uns der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick bereits lehrte, kann man nicht nicht kommunizieren. Also auch dann, wenn ein Unternehmen nicht digital positioniert ist, sind es die Kunden aber trotzdem und lesen Produktbewertungen, Testberichte und Beiträge im Social Web.

Man bedenke, dass der durchschnittliche Smartphone-Nutzer laut einer Tecmark-Studie pro Woche 1.500 Mal zu seinem Gerät greift, das heißt 214 Mal pro Tag. Direkt nach dem Aufstehen und kurz vor dem Schlafengehen, ständig wird auf das Smartphone geschaut. Den Unterschied zwischen online und offline sein gibt es schon lange nicht mehr. Die Menschen sind "always on" und somit hybrid, was ihr Kaufverhalten angeht. Online informiert und offline gekauft ist ebenso üblich wie umgekehrt. Informationen beschafft man sich bei Google und vertraut auf die Empfehlungen (virtueller) Freunde. Und dieser Trend nimmt ständig zu.

Da ist der Gedanke, möglichst frühzeitig und vor allem auch zielgerichtet auf die Meinungsbildung potenzieller Kunden einzuwirken doch naheliegend, oder? Dies geht einher mit dem Sammeln und Analysieren relevanter Daten (Big Data), einem strategisch angelegten Content-Marketing und dynamischen Verkaufsprozessen, in denen gut ausgebildete und motivierte Verkäufer unverändert eine unverzichtbare Rolle spielen. Aber eben nur eine Rolle als integrierter Bestandteil einer konzertierten Unternehmensleistung.

CEO´s von Unternehmen, die bereits im vorstehenden Sinne gut oder besser aufgestellt sind, dürfen sich bei mangelhafter Performance Schuldzuweisungen an ihren Vertrieb erlauben - alle anderen sollten sich zunächst an die eigene Nase fassen. (bw)

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