Mit freundlichen Grüßen

08.12.1999

Dr. Wieselhuber & Partner GmbHUnternehmensberatung

Herrn Dr. Norbert Wieselhuber

Königinstr. 33

80539 München

München, 09.08.1999

Sehr geehrter Herr Dr. Wieselhuber,

nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden werden in Deutschland rund 40 Prozent der Ehen wieder geschieden. Die Dunkelziffer der gescheiterten Ehen dürfte um ein vielfaches höher liegen, wobei eine Ehe dann als gescheitert gilt, wenn sich die ursprünglichen Erwartungen und Hoffnungen der Partner an den Bund fürs Leben nicht erfüllt haben. Nach einem abgedroschenen Bonmot ist das Wort "Ehe" ja ohnehin die Abkürzung für "Errare humanum est" (irren ist menschlich).

Wenn Unternehmen sich zusammenschließen und eine Ehe eingehen, sieht es noch düsterer aus. Rund 60 Prozent der Fusionen und Übernahmen erweisen sich nach Angaben aus Ihrem Haus im nachhinein als Flop. Und bei den Unternehmen der Informationstechnik ist die Mißerfolgsquote sogar noch höher. Fast zwei Drittel der an Übernahmen oder Fusionen beteiligten IT-Unternehmen berichten nach einer Untersuchung der Unternehmensberatung CMG von negativen Erfahrungen (vgl. hierzu unseren Beitrag auf Seite 36).

Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich - oder auch nicht. Jedenfalls ist diese Zahl erschreckend hoch. Wie kann das angehen? Denn im Gegensatz zur privaten Eheschließung, bei der man sich häufig von durchaus vergänglichen Gefühlen leiten läßt, sollte man meinen, daß bei einer Firmenübernahme oder Fusion der kalte Verstand regiert und auch der "Vollzug" der Ehe nicht in einer rauschhaften und eruptiven Umarmung stattfindet, sondern der gemeinsame Lebensweg kühl und nüchtern geplant wird. Doch das scheint ein Irrglaube zu sein. Zuweilen drängt sich der Eindruck auf, daß die Firmen bei der Wahl der Braut oder des Bräutigams genauso bauchgesteuert vorgehen wie Privat-leute. Amateure hier wie dort.

Ein Beispiel: Kürzlich beklagte sich der Geschäftsführer eines durchaus marktbedeutenden Systemhauses über die Probleme mit einem Unternehmen, das er vor zwei Jahren übernommen hat. Mit durchschnittlich fast 50 Jahren sei die Belegschaft total überaltert, das Gehaltsniveau der seit vielen Jahren im Unternehmen tätigen Mitarbeiter astronomisch hoch und die Produktivität miserabel. Da fragt man sich schon, warum er das Unternehmen überhaupt gekauft hat,

denn zumindest die ersten beiden Faktoren sollten ihm ja vor der Übernahme bekannt gewesen sein. Das ist so, wie wenn ein 25jähriges Mädchen einen 75jährigen Mann heiratet und sich dann darüber beklagt, daß es mit seiner Leistungsfähigkeit im Schlafzimmer doch nicht so weit her und sein Bankkonto auch nicht so prall gefüllt ist, wie sie

sich das gedacht hatte.

Dummerweise kommen die IT-Unternehmen, auch im Handelsbereich, um Übernahmen und Fusionen oftmals gar nicht herum. Denn das erforderliche Wachstum, um sich am Markt behaupten zu können, läßt sich mit den vorhandenen Bordmitteln nicht realisieren. Damit stecken die Firmen in einer Zwickmühle. Entweder sie bleiben klein und verlieren den Anschluß, oder sie kaufen zu und haben gute Chancen, sich in der Folge mehr mit den eigenen Problemen zu beschäftigen, als den Markt zu bearbeiten. Und wenn dann bei allem beruflichen Ärger auch noch die private Ehe der Fusionsmanager in die Brüche geht, dann fragt sich der ein oder andere vielleicht doch, warum er nicht Postbote oder Baggerführer geworden ist.

Das Grundproblem liegt nach meinem Eindruck darin, daß wir in unseren Schulen und Hochschulen alles mögliche lernen, aber wir lernen weder, wie man erfolgreich eine Ehe führt, noch wie man erfolgreich einen Firmenzusammenschluß meistert. Statt dessen wurstelt sich jeder so durch. Im Unternehmensbereich

entstehen dann sogenannte Wurstelbuden.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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