Mit freundlichen Grüßen ...

19.10.2000

ComputerPartner

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Intel GmbH

Geschäftsführung

Herrn Günther Jünger

Dornacher Str. 1

85622 Feldkirchen

München, 16.10.2000

Sehr geehrter Herr Jünger,

dieser Herbst ist ja wirklich total verregnet. Ab und zu hagelt es auch. Und zwar Gewinnwarnungen, Umsatzwarnun-gen, Verlustwarnungen. Besonders die USA sind davon betroffen. Jede Menge Niederschlag, und die Stimmung der Manager ist entsprechend: ziemlich niedergeschlagen halt.

"Gewinnwarnung" ist ja schon ein lustiges Wort, nicht wahr? Irgendwie unlogisch. Bei der "Sturmwarnung" ist der Fall klar: Achtung, so die Bedeutung, ein Sturm ist im Anzug, und zwar ein kräftiger. Die "Gewinnwarnung" warnt dagegen nicht, wie man denken sollte, vor einem besonders kräftigen Gewinn, sondern im Gegenteil vor dessen Ausbleiben. Das Muster ist bekannt: Etwas Negatives soll sprachlich möglichst positiv verpackt werden. So wie die Sache mit dem "Vergnügungspark", in dem man sich vergnügen kann, und dem "Entsorgungspark", wo man sich leider nicht seiner Sorgen entledigen kann, sondern der einfach eine andere Bezeichnung für "Müllkippe" ist.

Schuld an der Planverfehlung ist, behaupten die Amerikaner, Europa. Auch das amerikanische Intel-Management schob uns den Schwarzen Peter zu. Wir Europäer würden nicht genug investieren, heißt es. Mit Verlaub, sehr geehrter Herr Jünger, das ist natürlich Nonsens, und Sie wissen das. Das Problem ist ja nicht, dass wir Europäer weniger Geld ausgeben, sondern dass wir aufgrund des teuren Dollars weniger Gegenwert dafür bekommen. Wenn man hier also schon von Schuld spricht, dann liegt die doch wohl in den USA, oder wer hat den Dollar so teuer gemacht? Und eins können Sie mir glauben: Glücklich sind wir über diese Situation überhaupt nicht, das können Sie Ihren Bossen in den USA gerne ausrichten. (Es gibt eine Ausnahme: Das ist der Mann, dem auch die Benzinpreiserhöhungen völlig egal sind, weil er sowieso immer nur für 50 Mark tankt.)

Und was heißt eigentlich "unerwartet" in der Begründung der US-Companys, das Europageschäft sei "unerwartet schwach"? Sind die Firmen im Schlaf von dieser Entwicklung überrascht worden? Haben diese Hersteller keine Frühwarnsysteme, keine Experten für Konjunkturklimamessungen und Prognosen? Da muss man sich schon wundern. Ich meine, aus dem Fenster schauen und angesichts einer nassen Straße feststellen, dass es geregnet hat, das kann jedes Kind. Das ist keine Kunst. Aber aus dem Fenster schauen und vorhersagen, dass es regnen wird, dazu braucht man Erfahrung. Eigentlich habe ich gedacht, dass die US-Firmen wie Intel & Co in dieser Hinsicht etwas mehr drauf hätten. So sind sie wie der Bergwanderer, der auf seinem Weg nach oben von einem Sturm überrascht wird, weil er in der Talstation versäumt hat, die Wetterprognose einzuholen.

Für mich stellt sich jetzt die Frage: Wenn die Ursache für das schwache Geschäft der amerikanischen IT-Hersteller in Europa liegt, was bedeutet dies für das europäische Management, was bedeutet dies insbesondere für die Country-Manager, die Geschäftsführer in den verschiedenen Ländern? Der Druck wird sicher nicht geringer, und es ist damit zu rechnen, dass ein paar Sekretärinnen neue Chefs bekommen. Damit verbunden ist die Gefahr, dass die Hersteller aufgrund der schwierigen Lage wieder beginnen, an ihren Vertriebsmodellen zu schrauben. Gerne gibt man dann den Druck "nach unten" weiter, macht die Vertriebspartner für das unbefriedigende Ergebnis verantwortlich und will "die Sache jetzt selber in die Hand nehmen".

Davor kann man nur warnen. Derartige Rettungsversuche der Hersteller sind, das zeigt die Erfahrung, kontraproduktiv. Nur der Baron von Münchhausen konnte sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen, und selbst das war ein Schwindel. Was ich an Stelle der Hersteller tun würde? Also, als erstes würde ich mal aus dem Fenster schauen und gucken, wie das Wetter wird ...

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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