Personalmanagement

10.08.1998

MÜNCHEN: Viel Geld wird für die Personalbeschaffung ausgegeben. Über lange Monate wird der "Neue" gesucht, Honorare und Anzeigen bezahlt und mit großem Aufwand der "Richtige" ausgewählt. Tritt dann die neue Kraft die Stelle an, wird vielerorts versäumt, die Einarbeitung und die Integration des Betreffenden sorgfältig und sensibel zu gestalten. Der Effekt ist bekannt und von unzähligen Firmen bitter erlebt: Integrations- und Leistungsprobleme des neuen Funktionsträgers, die nicht selten mit einem frühzeitigen Wiederausstieg enden.Nach vielen Monaten der Suche und Auswahl ist es endlich soweit: Der neue Abteilungsleiter tritt seine Stelle an. Vorausgegangen sind diesem Event allerdings viele Kosten für Anzeigen, Honorare für den Personalberater oder Umzugszuschüsse für den Wohnortwechsel des "Neuen". Ein neues Firmenfahrzeug mußte zudem geleast werden und die Bewerberspesen der insgesamt interviewten Kandidaten waren auch nicht gerade ein Kleingeld.

Um nun all diese Aufwendungen möglichst schnell wieder zu amortisieren, obliegt nun dem neuen Mann die Pflicht, sich flugs einzuarbeiten und umgehend produktiv in die Wertschöpfungskette des Unternehmens einzugliedern. Das sollte doch kein Problem darstellen. Immerhin sind in seinem Büro alle Dokumente und Akten seines Vorgängers vorhanden, die Mitarbeiter sind sowieso die gleichen geblieben, und wenn es Fragen geben sollte, dann stehen ihm schließlich alle Vorgesetzten und Kollegen hilfreich zur Seite. Ran an den Speck, keine Zeit mehr verzögern, ein Sprung ins "kalte Wasser", Freischwimmen und nicht klagen. So ist nun einmal jeder Neubeginn in den meisten Unternehmen.

Gezielte Planung der Einarbeitungsphase

Allerdings geht das auch anders und wesentlich förderlicher. Grundsätzlich sollte in solchen Situationen ein einfacher Gedanke helfen: die Kostenbetrachtung. Nicht selten sind viele zigtausend Mark aufgewendet worden, um die einst vakante Position zu besetzen. Da spielen die wenigen, aber gezielten Aufwendungen für eine gute Einarbeitung wirklich kaum noch eine Rolle - im Gegenteil: Sie sichern die getätigten Cash-out in Form eines schnellen Return-on-Investment. Richtige Einarbeitung sichert nicht nur eine verkürzte Zeit bis zur Produktivität, sie sichert zudem die Übereinstimmung zwischen der funktionalen Zielsetzung und den erwarteten Leistungen eines neuen Mitarbeiters.

Unternehmen, die dieses nicht erkennen, erleben oft schmerzliche Erfahrungen. Dann heißt es immer: Der "Neue" ist nicht angewachsen, oder "die Chemie hat nicht gepaßt." Nicht nur, daß in derartigen Fällen erneut Kosten der Personalbeschaffung anstehen, es ist natürlich auch eine lange Zeit ins Land gezogen, in der die gewünschte Effizienz für das Unternehmen nicht eingetroffen ist. Letzteres kostet oft wesentlich mehr.

Die Einarbeitung richtig gestalten, heißt, planvoll und sensibel den Weg zu strukturieren, über den der "Neue" in seine Aufgabenstellung in gewünschter Weise hineinwachsen kann. So gilt es zuallererst, die wesentlichen Punkte einer Einarbeitung in einem Programm festzulegen, welches zu vereinbarten Terminen durchlaufen wird. Zur Entwicklung eines derartigen Programms sollte sich der Verantwortliche die Frage stellen: "Was muß der neue Mitarbeiter unbedingt wissen, damit er schnell im Geschäft ist?" Jedes Unternehmen wird hierbei seine individuellen Punkte aufstellen können, seien es das betriebswirtschaftliche Reporting, die Vertriebsstandards, die Personalführungsgrundsätze, bestimmte Artbeitsmethoden, Abstimmungsprozesse, Entscheidungs- und Zeichnungsregularien, Schnittstellen oder so triviale Dinge wie beispielsweise die Spesen- und Reisekostenregelung.

Ein weiterer Programmabschnitt sollte zum Beispiel die detaillierte Einarbeitung in die Produktwelt oder die Leistungsbereiche des Unternehmens sein. Je schneller eine neue Kraft mit den Erzeugnissen oder dem Angebot des eigenen Unternehmens vertraut ist, desto kürzer wird auch seine Zeitleiste sein, sich zu integrieren und die gewünschte Produktivität zu erzeugen. Es sollte also nicht davor gescheut werden, den "Neuen" in einem Schulungs- oder Trainingsprogramm mit dem unternehmenseigenen Angebot vertraut zu machen - auch dann nicht, wenn es sich um einen erfahrenen Profi handelt, dem man derlei Prozeduren kaum zumuten möchte oder davon ausgegangen wird, daß dieser all das doch eigentlich wissen müsse.

Vorstellung des neuen Mitarbeiters

Einen neuen Mitarbeiter stellt man natürlich im Unternehmen vor. Je nach hierarchischer Ansiedlung auch auf unternehmensweiter Ebene. Das Bekanntmachen bei Kollegen und übergeordneten Führungskräften ist dabei von ebenso grundlegender Bedeutung wie die Vorstellung im Kreise der Mitarbeiter, im Betriebsrat und den Schnittstellen, wie beispielsweise im Empfang, in den Sekretariaten, der Materialverwaltung oder auch beim Pförtner.

In einer Firmenzeitung oder im Internet kann zudem eine kurze Vita veröffentlicht werden. Auch das altbekannte "Schwarze Brett" wäre eine denkbare Möglichkeit der Publikation. Führungskräfte sollten zudem durch ein Rundschreiben des Vorgesetzten (zum Beispiel der Geschäftsführung) vorgestellt werden. In den nachfolgenden Führungsmeetings kann der "Neue" sich dann auch noch einmal kurz persönlich vorstellen und somit einen individuellen Eindruck prägen und innerbetriebliche Kontakte aufbauen.

In vielen Fällen liegen Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung und der eigentliche Einstellungstermin (zum Beispiel durch Kündigungsfristen) sehr lange auseinander. In solchen Situationen sollte das einstellende Unternehmen vorausblickend reagieren und Möglichkeiten schaffen, den neuen Mitarbeiter frühzeitig (auch vor dem eigentlichen Starttermin) in das Unternehmensgeschehen einzubinden. Gute Gelegenheiten sind dabei Firmen- oder Weihnachtsfeiern, ein gezielt vereinbarter Termin für die Werks- oder Unternehmensführung oder ein "spendiertes" Wochendende am neuen Tätigkeitsort, verbunden mit einem Abendessen im Beisein des künftigen Chefs. Auch die Unterstützung bei der Wohnungssuche, dem Umzug oder der Fahrzeugbeschaffung können helfen, den eingestellten "Neuen" bereits im Vorfeld in das neue Umfeld zu integrieren.

Auch die Formalien werden leider oft übersehen. Visitenkarten, ein gegebenenfalls auch persönliches Briefpapier (sofern nötig), die Anpassung des Organigramms, die Aufnahme in den Telefonregister, die Beschilderung an der Bürotüre oder die Zuweisung eines Parkplatzes sind dabei Punkte, die es dem neuen Mitarbeiter leichter machen, sich selbst schnell als integriert zu betrachten und ein gutes Klima zu empfinden.

Sollte es notwendig sein, auch die Kundenseite in die Einarbeitung und Integration der neuen Kraft einzubeziehen, so sind sicher auch diese Abläufe gut und stilvoll zu planen. Einerseits gilt es, den neuen Gesprächspartner dem Kunden vorzustellen (gegebenenfalls mit vorangegangener schriftlicher Ankündigung) oder es diesem zu ermöglichen, sich in entsprechenden Terminen selbst bekannt zu machen. Je nach Bedeutung des jeweiligen Kunden und des dortigen Entscheiders ist es sinnvoll, daß sich der vorangegangene Stelleninhaber oder der Chef des "Neuen" zusammen mit dem eingestellten Mitarbeiter in die Vorstellungsgespräche einbringen. Zudem gehört es zum guten Ton, sich bei Personalveränderungen für die gute Zusammenarbeit zu bedanken und dem Nachfolger die Türen zu öffnen. Auch der Kunde wird das so sehen. Sofern der neue Funktionsträger eine besonders exponierte Stellung im Unternehmen einnimmt, ist es auch ratsam, eine PR-Mitteilung (eventuell mit Foto) an die relevanten Zeitungen und Fachmagazine zu senden und hierdurch auf die personellen Veränderungen hinzuweisen.

Unterstützung durch den Vorgesetzten

Neben allen extern wirkenden Maßnahmen allerdings ist es besonders wichtig, die Integration des "Neuen" zu fördern und gezielt zu beobachten. Die jeweilige Führungskraft sollte sich anfänglich intensiv und regelmäßig um den Stand der Einarbeitung sowie um aufgetretene Probleme, Fragen und Klärungen erkundigen. Dieses kann besonders einfach und persönlich in extra hierfür eingerichteten Einarbeitungsmeetings erfolgen. Gelegentliche Nachfragen (telefonisch oder in einem kurzen informellen Gespräch), verbunden mit Empfehlungen, Ratschlägen oder faktischen Hilfestellungen, setzen den eigentlichen Coachingprozeß innerhalb der Einarbeitung und der Integration fort.

Mit zunehmender Zeit und Reife ist diese Betreuung immer mehr zu lockern und zu minimieren. Als Faustregel gilt: Betreuung während der ersten 100 Tage im neuen Unternehmen. In dieser Zeit sollte es sicher geschafft sein, den Betreffenden einzuarbeiten und nachhaltig zu integrieren.

Fazit

Einarbeitung und Integration sind ein Bestandteil der Firmenkultur. Derlei Abläufe sollten daher nicht dem Zufall überlassen bleiben und auch nicht nach dem individuellen Führungsstil oder dem Zeitkorsett des hierfür Verantwortlichen ausgerichtet sein. Gute Unternehmen stellen hierfür Regeln auf, Regeln, die diese Prozesse festlegen und die Verantwortlichen zwingen, die unabdingbaren Schritte auch verantwortungsbewußt im Firmeninteresse durchzuführen. All das aus gutem Grund: Zu viel Geld wird immer noch vergeudet, in dem mit viel Kraft und teilweise überdimensionaler Kostenphilosophie die gewünschten Mitarbeiter, Führungskräfte oder Spezialisten gesucht und eingestellt werden. Der Einarbeitungs- und Integrationsprozeß wird allerdings aus dem Handgelenk und mit der individuellen Bauchnote abgewickelt, dies teilweise sogar unwillig und ohne Verständnis für die Bedürfnisse auf Unternehmens- und auf Mitarbeiterseite. Gut investiertes Geld also, wenn ein hoher und wirtschaftlich orientierter Wert auf die einer Einstellung nachfolgende Einarbeitung und Integration gelegt wird.

Der Autor Stefan Rohr ist geschäftsführender Gesellschafter der r & p management consulting Hamburg/ Düsseldorf/Frank-furt/Speyer/Hannover/München/Zug

(CH)

Zur Startseite