VMware-Kauf durch Broadcom rückt näher

Perspektive der Partner auf die VMware-Übernahme

Peter Marwan lotet kontinuierlich aus, welche Chancen neue Technologien in den Bereichen IT-Security, Cloud, Netzwerk und Rechenzentren dem ITK-Channel bieten. Themen rund um Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen bei der Nutzung der neuen Angebote durch Reseller oder Kunden greift er ebenfalls gerne auf. Da durch die Entwicklung der vergangenen Jahre lukrative Nischen für europäische Anbieter entstanden sind, die im IT-Channel noch wenig bekannt sind, gilt ihnen ein besonderes Augenmerk.
Broadcom hat bei bisherigen Übernahmen viel verbrannte Erde hinterlassen. Beim Kauf von VMware scheint es sich das nicht leisten zu können. Trotzdem gibt es Sorgen - und bereits Notfallstrategien.
Nach Abschluss der Übernahme von VMware befürchten viele Kunden und Partner höhere Preise, mehr Druck auf den Channel und zumindest die "Konzentration auf Kernbereiche" - also das Aus für die eine oder andere, allerdings kleinere Produktreihe.
Nach Abschluss der Übernahme von VMware befürchten viele Kunden und Partner höhere Preise, mehr Druck auf den Channel und zumindest die "Konzentration auf Kernbereiche" - also das Aus für die eine oder andere, allerdings kleinere Produktreihe.
Foto: Michael Vi - shutterstock.com

Nach der Zustimmung der EU-Kommission ist die Übernahme von VMware durch Broadcom so gut wie sicher. Wie bei Transaktionen in der Größenordnung üblich und durch Regularien vorgegeben, fließen die Informationen, wie es nach dem "Tag X" weitergehen soll, nur spärlich. Selbst gute und große Partner von VMware bekommen keine Einblicke. Die meisten nehmen das mit Gleichmut hin, schließlich sind sie es von anderen Übernahmen gewohnt.

Dennoch rumort es im Markt. Denn nach den bisherigen Software-Akquisitionen, insbesondere CA Technologies und Symantec, aber auch nach dem Kauf der Netzwerkfirma Brocade, hat sich Broadcom jeweils schnell der als unwichtig oder unprofitabel erachteten Unternehmensteile und Produktreihen entledigt. Rücksicht auf bestehende Kunden- oder Partnerbeziehungen wurde kaum genommen.

Das hat sich rumgesprochen - nicht nur bei den direkt Betroffenen. Auch viele Systemhäuser, die vom rüden Geschäftsgebaren profitierten, indem sie verzweifelten Kunden beim Umstieg auf Alternativen unterstützen, erinnern sich daran. Bei der zentralen Rolle, die VMware-Produkte in vielen Unternehmen einnehmen, werden Wechsel allerdings seltener sein. Auch die Einschnitte im Portfolio fallen voraussichtlich moderater aus.

Konsolidierung ja - aber in Maßen

Dennoch rechnen einige von ChannelPartner befragte deutsche VMware-Partner zum Beispiel mit einer Konsolidierung des Security-Portfolios. Andere erwarten nur kleiner Einschnitten und rechnen nicht mit der Abkündigung von Produkten, die sie selber oder für VMware relevant sind. Sie schließen aber nicht aus, dass es den einen oder anderen spezialisierten Partner dennoch kalt erwischen könnte. Die Produkte, bei denen es Gerüchte gbt, dass sie möglicherweise nicht fortgeführt werden, tragen aber bei den breiter aufgestellten und von ChannelPartner befragten Partnern nur wenig zu den Umsätzen bei.

Während die meisten Partner die Folgen der Übernahme recht gelassen sehen, macht sich zumindest ein Teil der Kunden offenbar ernsthafte Gedanken. Manche Partner berichten, dass Kunden entweder "gezielt nach Alternativen fragen und sich diese auch vorstellen lassen" oder sogar "konkrete Exit-Strategien diskutieren und Konzepte dafür erarbeiten". Noch allerdings werden diese Pläne offenbar für die Schublade geschrieben.

"Allerdings sind sich die meisten Kunden auch bewusst, dass ein schneller Wechsel von VMware auf eine andere Lösung nicht möglich ist. Des Weiteren sind die möglichen Alternativen auch sehr eingeschränkt in Funktion oder 'Vertrauen' in den Hersteller, was viele Kunden dazu bewegt, bestehende Verträge zu verlängern und abzuwarten, wie sich die Übernahme entwickelt", berichtet einer der befragten VMware-Partner.

VMware bleibt wichtig - aber nicht alternativlos

Selbst sehen sich die Partner durch die Bank weg nicht in Zugzwang. Gerade weil ChannelPartner große VMware-Partner befragte, hatten die oft vor der Ankündigung der Übernahme Alternativen im Portfolio und könnten die auf Nachfrage auch anbieten. "Wenn Kunden einen Wechsel möchten, dann können wir diesen mit bestehendem ausgebildetem Personal abbilden", versichert einer der Befragten. Einen "Wärmepumpen-Fachkräfte-Mangel-Effekt" dürfte es also bei Virtualisierung nicht geben.

Microsofts Hyper-V als Alternative für VMwares Kernprodukte sehen weder Microsoft-Partner noch breiter aufgestellte Partner als echte Option. Im Enterprise-Bereich könnten "das Feature-Set und die Kundenanforderungen hinsichtlich Stabilität, Management, Performance, Kompatibilität und Support mit Hyper-V nicht erfüllt werden".

Dennoch könnte HyperV natürlich im Mittelstand Auftrieb erhalten. Außerdem erklärten einige Partner, dass sie sich - entweder schon vor oder seit Ankündigung der Übernahme - stärker mit KVM als Open-Source-Optionen und/oder mit Azure Stack HCI als Clpud-Option auseinandergesetzt haben. Immer wieder genannt wurde auch das Debian-basierende Proxmox - gerade im Zusammenhang mit Storage-Projekten.

Abkündigungen von Produkten sind aber nicht das einzige Damoklesschwert und der einzige Grund für Überlegungen zu einem Wechsel. Nicht unbegründet sind die Befürchtungen, dass Broadcom als neuer VMware-Besitzer sowohl die Daumenschrauben für den Channel anziehen als auch die Lizenzpolitik für die Kunden verschärfen wird.

"Kunden befürchten massive Preiserhöhungen, längere Entwicklungszyklen, schlechteren Support und weniger oder gar keine Flexibilität in Vertragsangelegenheiten", berichtet ein Partner. Ein anderer ergänzt knapp und deutlich: "Viele Kunden gehen von massiven Preiserhöhungen aus." Da liegt es schon nahe, zumindest für die Bereiche, in denen VMware nicht unverzichtbar ist, nach Alternativen Ausschau zu halten.

Härtere Gangart im Channel bereits angeschlagen

Befürchtungen, dass auch der Channel eine härtere Gangart kennenlernen wird, nähren sich auch aus den bereits im Frühjahr vorgenommenen "Anpassungen" am Partnerprogramm. Mit ihnen wurden die Umsatzziele teils massiv erhöht. Das neue Punktesystem erlaubt es immerhin, auch andere Leistungen anrechnen zu lassen, zum Beispiel Renewals, den Ausbau von Fähigkeiten und frn Erwerb zusätzlicher Spezialisierungen durch die Partner sowie Erfolge bei der Migration vom Lizenz- zum SaaS-Modell. Unterm Strich bleibt jedoch festzuhalten: Wer als VMware-Partner wettbewerbsfähige Discounts bekommen will, muss sich für den Hersteller stärker ins Zeug legen.

Der mit dem neuen Partnerprogramm nun auch durch Incentives dokumentierte Wandel des Geschäftsmodells - weg von klassischen Lizenzierung mit Support und Subscriptions hin zu Mietlizenzen oder SaaS - findet allerdings schon länger statt. Die Broadcom-Übernahme wirft lediglich ein Schlaglicht auf den Druck, den die Partner erfahren, diesen Weg mitzugehen.

Dass der Hersteller damit auch seinen Channel ausdünnt und die bekannte Broadcom-Politik der Fokussierung auf wenige große vorwegnimmt, sehen gerade die großen Partner gelassen. Unter anderem heißt es: "Viele Kunden vertrauen den Partnern mehr als den Herstellern. Das betrifft Supportunterstützung wie auch Implementierungsdienstleistungen. Broadcom muss mit Partnern arbeiten, da VMware intern die vielen Kunden-Installationen alleine nicht abdecken kann."

Allerdings ist aus Sicht anderer Befragter ein Wandel dennoch unvermeidlich: Man müsse sehen, "inwieweit Partner, die aktuell den reinen Lizenzverkauf ohne Mehrwert betreiben, noch relevant für VMware sind beziehungsweise in der aktuellen (großen) Anzahl in einer überschaubaren Region wie DACH überhaupt für das neue Geschäftsmodell noch notwendig sind."

Aus Symantec-Übernahme gelernt?

Bei VMware stehen also schon die Vorzeichen anders als bei früheren Broadcom-Übernahmen. Und vielleicht hat der bisher wenig kommunikative und recht unnahbare Konzern ja aus der Fahrt gegen die Wand mit Symantec ja doch etwas gelernt. Zumindest scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass Geschäfte nur mit den Top-1.000-Firmen der Welt alleine auch nicht glücklich machen und doch sehr zäh sein können.

Daher gibt es zum Beispiel bei "Symantec by Broadcom" inzwischen eine Art Rückbesinnung auf den Channel. Die Investitionen in eigenes Personal zur Channel-Betreuung sind zwar immer noch sehr überschaubar, aber es gibt sie. Außerdem stellt das Unternehmen offenbar seinen Distributoren, etwa Westcon, das die "Secure Web Gateway Plattform" vertreibt, Mittel zur Verfügung, um diese Aufgabe zu übernehmen.

Arrow ist für Symantec sogar viel mehr als ein Distributor. Der VAD fungiert seit 2022 in Europa quasi als verlängerter Arm des Herstellers. Offiziell heißt die Funktion "exklusiver Cybersecurity-Aggregator für das Symantec-Software-Portfolio für den kommerziellen Markt im europäischen Raum." Damit deckt Arrow das gesamte SMB-Geschäft ab - nicht nur, indem es die Produkte im Portfolio hat, sondern indem es sich abgesehen von der Produktentwicklung auch um alles kümmert, was klassisch der Hersteller tun würde.

Sogar auf die Produktentwicklung habe man Einfluss, erklärte Mathias von Bescherer im Rahmen des Arrow Forum 2023. Aus seiner Sicht sei die Übernahme von VMware durch Broadcom daher auch positiv. Als langjähriger VMware-Distributor sieht er sich in einer guten Position, ähnliche Aufgaben auch für VMware zu übernehmen, falls das gefragt sein sollte.

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