"Premium ja, elitär nein"

20.11.2006
Es gibt kaum ein Unternehmen, das es mit innovativen Produkten und Design so schnell vom B- zum A-Brand geschafft hat wie LG. Das spiegelt sich auch in den Verkaufszahlen wider, erklärte IT-Direktor Luc Graré im Gespräch mit ChannelPartner.

Von Klaus Hauptfleisch

"Sie haben es ja schon vor Monaten berichtet. Aber nun ist es definitiv: Wir gehen nicht zur CeBIT", ließ Luc Graré die Bombe platzen, die gerade erst vom LG-Headquarter in Seoul herüberkam. Auch aus deutscher Sicht teilt der Director Information System Products (ISP) diese Entscheidung. Denn es galt abzuwägen, welche deutsche Großmesse am ehesten ins LG-Konzept mit der stärkeren Ausrichtung auf Consumer und Konvergenz passt. Und da fiel die Wahl auf die IFA in Berlin. Unverzichtbar unter den Weltmessen seien die CES Anfang des Jahres in Las Vegas, die Mobilfunkmesse 3GSM in Barcelona Mitte Februar und die Computex Taipei im Juni. Die CeBIT liege insofern auch zeitlich ungünstig. Aber natürlich suche man etwa in Form von Roadshows die Lücke zu füllen, um dem Fachhandel die neuesten IT-Produkte vorzustellen.

Stolz ist Graré, seit drei Jahren im Unternehmen, in welch kurzer Zeit sich LG zum anerkannten A-Brand gewandelt hat. Allergisch reagiert er, wenn man ihn an den ursprünglichen Namen Lucky Goldstar erinnert: "Als ich vor einem Jahr Leute gefragt habe, ob sie nicht für uns arbeiten wollen, haben viele noch dankend abgelehnt, heute kommen sie von sich aus." Mit 240 Mitarbeitern und 650 Millionen Euro Umsatz ist LG auch schon eine große Nummer in Deutschland. Der große koreanische Mitbewerber Samsung hat allerdings 2005 mit 200 Mitarbeitern über 1,6 Milliarden Euro in Deutschland umgesetzt.

Innovative Design-Ideen wie das Chocolate-Handy, stilvolle Flachbildfernseher und TV-Werbung zur Fußballweltmeisterschaft haben das Image des koreanischen Herstellers in Deutschland innerhalb eines Jahres praktisch um 180 Grad gedreht. Wofür Samsung vier bis fünf Jahre brauchte, das hat LG in ein, zwei Jahren geschafft: den Aufstieg vom B- zum A-Brand.

Monitor-Vierter

Die Verkaufszahlen zeigen es. So hat LG Deutschland mit LCD-Monitoren in den ersten zehn Monaten 2006 laut Graré ein Stückwachstum von 67 Prozent und ein Umsatzplus von 32 Prozent hingelegt. Der deutsche Markt ist aber im Vergleich zum Vorjahr nur um sechs Prozent gewachsen, der Umsatz sogar um ebenso viel geschrumpft. Mit einem Marktanteil von acht Prozent sieht sich LG nach GfK im September vor Acer und Benq auf Platz vier. Stolz ist Graré auch darauf, dass die Distributoren für LG-Monitore eine um 30 bis 35 Prozent gesteigerte Kundenbasis auf Fachhandelsseite ausweisen. Dem erklärten Ziel, unter die Top Drei zu kommen, ist LG also schon ein gutes Stück näher gekommen.

Stark zurückgegangen ist der 17-Zoll-Bereich, so Graré, auch wenn es durchaus noch Nachfrage gebe. Um 51 Prozent gewachsen ist ihm zufolge das 19-Zoll-Segment, aber den größten Erfolg sieht Graré im 24-Zoll-Segment, in dem LG mit einem Marktanteil von 27 Prozent nach Apple auf Platz zwei sein soll. "Das wirkt natürlich dem Preisverfall entgegen", freut sich Graré.

Der Vertrieb von Monitoren über Media Markt & Co. sei stark zurückgegangen, der über Computershops habe aber gut zugelegt. Dazu beigetragen hat Graré zufolge die im Frühjahr 2006 eingerichtete neue Hotline "LG Connect". Interessant sei auch die Entwicklung bei den Online-Händlern. "Blu-ray ist eigentlich erst ein Thema für 2008, läuft aber derzeit 20 Mal besser über die E-Tailer als über die Flächenmärkte. Und im Internet findet sich auch nicht unbedingt nur Billigware oder das Billigste. Amazon zum Beispiel verlangt nach Marken. Media Online erzielt mit Notebooks im Schnitt einen höheren Verkaufswert als die Flächenmärkte", bestätigt Graré Aussagen von Ingram-Micro-Manager Christoph Dassau im ChannelPartner-Display-Roundtable (siehe ChannelPartner-Ausgabe 44, Seite 18).

Konvergenzthema Monitor-TV

Alle reden von Konvergenz, aber nur wenige Hersteller und IT-Händler begreifen oder nutzen die Chance, die Monitore mit integriertem TV-Tuner, sogenannte Monitor-TVs, bieten, so Graré. Bei LG machten solche Geräte wie die 19-Zöller der DFB-Edition hingegen schon elf Prozent aller Monitorverkäufe in Deutschland aus. Eine Umfrage bei 400 Endkunden und 100 Händlern habe ergeben, dass die meisten Kunden Monitor-TVs in der Computerecke suchen würden. Die besten Chancen für die Geräte würden sie aber in der TV-Ecke sehen. "Wenn IT-Händler nur Windows-Screensaver darüber laufen lassen, dann sehen die Kunden natürlich nicht, dass da ein TV-Tuner drin steckt. Die Präsentation ist sehr wichtig, geht aber am Computerfachhandel meist vorbei", meint der Sales-Profi.

TV-Markt: Kein IT-ler unter den Top Ten

Weitgehend an der IT vorbei entwickle sich auch der Fernsehmarkt. "Wer macht eigentlich das TV-Geschäft?", stellt Graré die rhetorische Frage und gibt gleich die Antwort: "Unter den zehn Top-Marken findet sich nicht ein Computerhersteller." Denn was viele von ihnen vernachlässigten, sei die geforderte Qualität.

Und da scheint LG einen guten Job zu machen. "Der deutsche Markt für LCD-Fernseher hat sich innerhalb eines Jahres verdoppelt. Wir konnten unseren Absatz dagegen um den Faktor 2,9 steigern, den Umsatz um den Faktor 2,8 und kamen im September auf einen Marktanteil von neun Prozent." Weltweit ist LG nach Samsung und Sony sogar auf Platz drei. "Mit unserem Panel-Werk (LG Philips LCD) der Generation 7.5 streben wir an, die 42-Zoll-Produktion deutlich zu optimieren", sagt Graré. Nachdem Sharp bereits ein 8G-Werk in Betrieb genommen hat, Samsung und Sony Mitte 2007 folgen wollen, gebe es bei LG Philips Pläne, auf mindestens 8.x zu gehen. Je höher der Generationsschritt, desto größer die Muttergläser, desto effizienter lassen sich große LCD-Panels mit 50 oder gar mehr Zoll Bilddiagonale herausschneiden. Im Bereich Plasma-TV habe LG mit "Premium-Geräten" nach Stückzahlen zwar nur um 19 Prozent zugelegt, nach Umsatz aber um 60 Prozent.

"Premium heißt nicht unbedingt der Teuerste oder elitär zu sein, sondern immer ein Stück erlebbaren Mehrwert, sprich mehr Nutzen zu bieten", erklärt Graré und verweist auf die Flachbild-TVs mit integiertem Festplattenrekorder, der ständig mitläuft, damit dem Fußballfan etwa beim Gang zum Kühlschrank auch ja kein Tor entgeht.

Das Notebook-Geschäft hat sich Graré leichter vorgestellt. "Aber wir haben klein angefangen im letzten Jahr, den Absatz mittlerweile verfünffacht und damit zum Teil auch das aufgefangen, was uns im Laufwerkgeschäft verloren gegangen ist." Vom ursprünglichen Ansatz, mit Notebooks nur über den Business-Channel zu gehen, habe man sich mittlerweile aber verabschieden müssen. Zunächst wurde der Vertrieb auf Kooperationen erweitert, dann auf Kaufhof und schließlich auch auf lokale Dependencen von Media Markt und Saturn, die im nächsten Schritt deutschlandweit beliefert werden sollen. Denn ein Trend, den Graré bei Notebooks erkennen will, ist, dass sie zunehmend die IT-Domäne verlassen und ins CE-Segment wandern.

Für 2007 plant LG bei Notebooks eine Absatzverdoppelung. "Dabei wollen wir den Premium-Anspruch aber aufrechterhalten", betont Graré und ist stolz, dass LG über dem marktüblichen immer noch einen Notebook-Durchschnittspreis von knapp 1.100 Euro erziele. "Mit 67 zertifizierten Händlern haben wir auch schon ein gutes Servicenetz. 18 bis 20 davon reparieren sogar", so der LG-Mann. Der verspätete Launch von Windows Vista hemmt zwar das Notebook-Geschäft, aber teilweise sind es auch Lieferengpässe, gibt Graré zu. Update-Gutscheine seien zum Beispiel wegen Feiertagen in China, wohin LG einen Teil der Produktion verlagert hat, zu spät ausgegeben worden.

LCD-TV dominiert die Preisentwicklung

Lieferengpässe beträfen aber auch Monitore und Laufwerke (Blu-ray zum Beispiel). "Vista wird bei Monitoren Widescreen fördern, aber eher im Consumer-Bereich und weniger im Unternehmenssegment. 22 Zoll ist da eine sehr schöne Größe, während mit 19 Zoll wide viele Anbieter gescheitert sind", sagt Graré. Nachdem LCD-TVs bereits mehr Panel-Fläche als TFT-Monitore brauchen, werden Fernseher zum dominierenden Faktor bei der Preisentwicklung. Die Erfahrung zeige, dass der TV-Markt im ersten Quartal nach unten geht, und das werde natürlich Auswirkungen auf die Monitor-Preise haben, die LG Electronics und andere große Anbieter im dritten Quartal nach gewissen Engpässen gerade erst angehoben haben, so der IT-Direktor. Ungewiss ist Graré zufolge die Zukunft der Anbieter, die nicht selber produzieren. Ein Unsicherheitsfaktor für die Marktentwicklung sieht er in dem, was einige andere ,Big Player‘ im Systemhausgeschäft planen könnten.

Aber er ist auch zuversichtlich, dass LG mit Argumenten wie gutes Design, Innovation und Kontrastraten von 2.000:1, den höchsten bisher, bei Monitoren weiter Marktanteile gewinnen werde.

Das Rennen um immer kürzere Reaktionszeiten habe sich mittlerweile ausgelaufen, nun gehe es eben um den Kontrast. "Die nächste Stufe werden Kontrastraten von 3.000:1 oder 4.000:1 sein, vielleicht werden wir auch mal 10.000:1 oder 12.000:1 sehen, bis das Thema ebenfalls ausgereizt ist", meint Graré.

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