Recycling mit "Gedächtnismetall"

27.09.2001
Nach Schätzungen der ITK-Industrie werden bis zum Jahr 2010 jährlich rund zwölf Millionen Tonnen Elektronikschrott anfallen. Zum Vergleich: 1998 waren es "nur" sechs Millionen Tonnen. Recycling wird also immer wichtiger. Um das kostenintensive Zerlegen der Geräte zu erleichtern, wollen Forscher nun Geräte entwickeln, die sich am "Ende ihres Lebens" selbst zerlegen.

Die Menge an Elektronikschrott wächst schneller als die jeder anderen Müllsorte. Ein Grund liegt darin, dass in Zukunft immer mehr alte Geräte ausgemustert und durch neue ersetzt werden. Ein großer Teil des heute anfallenden Elektronikschrotts landet auf den Mülldeponien oder wandert in die Müllverbrennungsanlagen.

Zurzeit werden allein in Deutschland rund zwei Millionen PCs, drei Millionen Faxgeräte und mehr als sechs Millionen Telefone und Handys pro Jahr entsorgt. Und diese Zahlen werden in Zukunft weiter steigen, da alljährlich in Deutschland rund sieben Millionen PCs und Notebooks, sechs Millionen Drucker und etwa 400.000 Faxgeräte verkauft werden. Das Umweltbundesamt geht von einer Steigerungsrate von fünf bis zehn Prozent pro Jahr aus.

Intelligente Geräte zerlegen sich selbst

Aufgrund der mehr oder weniger toxischen Bestandteile der Elektronik ist das aber ein unhaltbarer Zustand. Deshalb will die EU über die Elektronikschrottverordnung eine "artgerechte" Entsorgung einführen. Doch das wirft mehrere Probleme auf: Erstens ist es bei einem Großteil der Altgeräte gar nicht möglich sie zu entsorgen, da sie aus nicht wiederverwertbaren Materialien bestehen. Und zweitens kostet die fachgerechte Entsorgung eine Menge Geld, da die Geräte mühsam von Hand auseinander genommen werden müssen.

Bislang wurden Geräte nur für die Herstellung gestaltet, an das spätere Recycling wurden keine Gedanken verschwendet. Doch nun haben Wissenschaftler der britischen Universität Brunel eine Methode gefunden, wie sich elektronische Geräte am Ende ihres Lebens selbst zerlegen können, und zwar in diejenigen Teile, die für das Recycling wertvoll sind. Das Team um Projektleiter Joseph Chiodo hat innerhalb des von der EU und der Industrie geförderten Forschungsprojekts ein Handy entwickelt, das sich selbst zerlegt.

Der Trick bei diesem Handy besteht darin, die Klammern, welche die einzelnen Plastikschalen zusammenhalten, aus einem so genannten Gedächtnismetall herzustellen. Als solches wird eine spezielle Legierung bezeichnet, die erstaunliche Eigenschaften aufweist. In kaltem Zustand kann sie beliebig verformt werden. Wird das Metall anschließend wieder erhitzt - dazu reicht schon die Temperatur von kochendem Wasser aus -, nimmt es seine ursprüngliche Form wieder an.

Mit diesen Materialien lassen sich Haltewinkelklammern für Plastikgehäuse herstellen. Diese Metallstreifen werden zu Klammern gebogen und halten unter normalen Umweltbedingungen beispielsweise die beiden Halbschalen eines Handys zusammen. Erhitzt man nun das zu recycelnde Handy, öffnen sich die Klammern, und die Halbschalen fallen von allein auseinander.

Mehrere dieser "intelligenten" Klammern, die bei unterschiedlichen Temperaturen reagieren, erlauben nun eine automatische Trennung der einzelnen Bestandteile von Elektronikgeräten. Altgeräte müssten dann mit Gedächtnismetallen, die bei verschiedenen Temperaturen reagieren, lediglich über ein Fließband geführt werden, wo sie unterschiedliche Temperaturzonen durchlaufen. Das Gerät zerlegt sich dann automatisch, und die sortenreinen Kunststoffe können an den verschiedenen Temperaturzonen eingesammelt werden.

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten die ersten Produkte im Jahr 2010 auf den Markt kommen. Allerdings räumt Chiodo ein, dass sie nur dann eine Marktchance haben, wenn sie preislich mit anderen Produkten konkurrieren können.

ComputerPartner-Meinung:

Eine clevere Idee, die das Recyclingprogramm der EU gut unterstützen könnte. Allerdings ist es wichtig, dass sich die Hersteller auf einen Standard bei den verschiedenen Klammern einigen. Denn nur dann ließen sich auch Geräte verschiedener Hersteller in derselben Anlage vollautomatisch recyceln. (jh)

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