Seit 1. Mai grenzenlos kopieren?

27.05.2004
Mit der EU-Erweiterung stehen auch die neuen Mitgliedsländer in der Pflicht, die Richtlinie über die Verfahren zum Schutz geistigen Eigentums in nationales Recht umzusetzen. ComputerPartner sprach mit Francisco Mingorance, Director of Policy der Business Software Alliance Europe in Brüssel. Von ComputerPartner-Redakteur Hans-Jürgen Humbert

Der EU-Ministerrat hat Ende April der "Richtlinie über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum" endgültig zugestimmt. Die Mitgliedsstaaten der EU, dazu gehören auch die zehn neuen EU-Länder, stehen nun in der Pflicht, die Gesetzesvorgabe innerhalb der nächsten 24 Monate in nationales Recht umzusetzen.

Die Richtlinie eröffnet eine Reihe zivilrechtlicher Möglichkeiten, wie beispielsweise Durchsuchung, Beschlagnahme und einstweilige Verfügung. Weiterhin können Richter die Herausgabe von Kontaktdaten von Mittätern bei der Vervielfältigung und Verbreitung von Raubkopien fordern. Außerdem werden in der Richtlinie Schadensersatzregelungen vorgegeben.

ComputerPartner sprach mit Francisco Mingorance, Director of Policy der Business Software Alliance Europe.

Warum kommt die Richtlinie so spät? Nun haben die Mitglieder noch 24 Monate Zeit, bis sie Raubkopierer wirksamer angehen können.

Mingorance Die Richtlinie setzt ein einheitliches Maß an Urheberrechtsschutz in der erweiterten EU der 25 durch. Der Kampf um die Zustimmung für die Richtlinie wurde oft als Bedrohung des Verbraucherschutzes missverstanden, wodurch der Beschlussprozess verzögert wurde. Obwohl die Richtlinie noch nicht genug dafür tut, das Piraterieproblem in seinem ganzen Umfang anzugehen, ist ihre lang erwartete Verabschiedung ein wichtiger erster Schritt zum Ende der Piraterie in der erweiterten Union. Die BSA ist ebenfalls der Meinung, dass die Richtlinie dringend nötig ist und dass die schnelle Umsetzung zu begrüßen wäre.

Es wird Zeit brauchen, um die einzelnen nationalen Gesetze mit der Richtlinie in Einklang zu bringen. Der 24-Monats-Rahmen (der für alle Richtlinien der EU gilt) soll diese liefern. Die BSA geht die Piraterie auf mehreren anderen Ebenen an. Dazu gehören Informationskampagnen für Unternehmen oder die Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden bei Aktionen gegen Raubkopierer. Die getreuliche Umsetzung der Richtlinie wird, zusammen mit diesen Schritten, Deutschland und die anderen EU-Mitglieder dem Ziel näher bringen, ihre Vorteile aus einer gesenkten Piraterie-Rate zu ziehen. Dazu zählen eine gestärkte Wirtschaft, neue Arbeitsplätze und höhere Steuereinnahmen.

Worauf stützt sich die Zahl 35 Prozent an illegaler Software in Westeuropa? Ist sie geschätzt oder gibt es nachvollziehbare Erhebungen?

Mingorance Diese Zahl stammt aus der 8. Global Piracy Study, die von einem unabhängigen Marktforschungsinstitut nach einer festgelegten Methodologie erstellt wird. Sie analysiert die weltweite Piraterierate von Business-Software-Anwendungen und den damit verbundenen Umsatzausfall in 85 Ländern.

Ganz kurz gesagt wird der Anteil tatsächlich verkaufter Software mit dem Bedarf an Software verglichen, wobei Letzterer aus Zahlen der neu gekauften Rechner sowie der IT-Arbeitsplätze (und einer Reihe anderer Faktoren) ermittelt wird. Sonderfälle wie Upgrades, Portierungen und dergleichen werden einfaktoriert, Open Source als "legal" definiert. Aus dem Vergleich dieser beiden Zahlen lässt sich der Anteil illegaler Software ermitteln, der (über den Marktpreis für die raubkopierten Programme) als Grundlage für die Schätzung des Umsatzverlustes der Softwarehersteller dient.

Wie sieht es beim Einsatz illegaler Software in den neuen Mitgliedsstaaten aus?

Mingorance Die Piraterie-Rate liegt in den Beitrittsländern durchschnittlich bei 50 Prozent, was zwangsläufig dazu führt, dass die Rate in der EU ab Samstag, 1. Mai, ansteigt. Davon einmal abgesehen haben die neuen EU-Mitglieder bereits Schritte zum Schutz des Urheberrechts unternommen. Dies begrüßen wir, auch wenn alle EU-Mitglieder noch viel zu tun haben.

Gibt es in den anderen europäischen Ländern vergleichbare Institutionen wie die BSA?

Mingorance Die BSA ist der Sprecher der weltweiten und lokalen Softwareindustrie. Wir arbeiten mit den nationalen Verbänden anderer Rechteinhaber und mit dem Dachverband der Anti-Piracy Coalition zusammen, um ein Umfeld zu schaffen, in dem die Rechte an geistigem Eigentum umfassend gewürdigt werden.

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