Wirkungszusammenhänge erkennen

Strukturen und Prozesse im Unternehmen verändern



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Wir müssen unsere Strukturen ändern, damit wir unsere strategischen Ziele erreichen. Zu dieser Er-kenntnis gelangen Unternehmen immer wieder. Doch leider werden bei solchen Change-Projekten die Projektziele oft nur zum Teil erreicht. Eine zentrale Ursache hierfür ist: Bei der Projektplanung werden die kulturellen Aspekte jeder Strukturveränderung nicht ausreichend bedacht, sagt Dr. Georg Kraus.

Die meisten (Groß-)Unternehmen haben bereits viel Erfahrung im Managen von Projekten gesammelt, die auf eine Neuorganisation ihrer Organisation und ein Effektiveren der Arbeitsprozesse in ihr abzie-len. Deutlich lässt sich hierbei denn auch ein Zuwachs an Professionalität bei ihnen konstatieren. Trotzdem klagen die Verantwortlichen in den Unternehmen noch oft, dass bei solchen Projekten die strategischen und betriebswirtschaftlichen Ziele häufig nur teilweise erreicht würden.

Wer die Arbeitsprozesse in einem Unternehmen neu regeln will, muss auch die Strukturen der Firma anpassen.
Wer die Arbeitsprozesse in einem Unternehmen neu regeln will, muss auch die Strukturen der Firma anpassen.
Foto: Petair - Fotolia.com

Eine zentrale Ursache hierfür ist: Wenn Unternehmen die Arbeitsprozesse in ihrer Organisation neu strukturieren und effektivieren möchten, dann richten die Verantwortlichen beim Planen, Initiieren, Ge-stalten und Steuern der damit verbundenen Changeprojekte ihr Augenmerk meist vorrangig auf die Strukturen. Sie vernachlässigen jedoch die kulturellen Aspekte, die mit jeder Strukturveränderung ver-bunden sind, da sich in der Struktur eines Unternehmens auch dessen Kultur wiederspiegelt. Und dies wirkt sich wiederum auf den betriebswirtschaftlichen Erfolg der Projekte aus.

Jeder Change-Prozess hat viele Dimensionen

Übersehen werden zudem oft die engen Wirkungszusammenhänge zwischen den verschiedenen Di-mensionen eines Change-Prozesses. Diese seien an einem fiktiven, aber realitätsnahen Beispiel illus-triert.

Angenommen, bei einer Versicherung sollen die Außendienstmitarbeiter künftig auch die sogenannte Policierung vornehmen - das heißt, der Kunde soll, wenn er sich zum Beispiel für eine Haftpflicht- oder Hausratversicherung entscheidet, von dem Außendienstmitarbeiter auch sofort die Versicherungspolice erhalten. Dann ist den Verantwortlichen meist klar: Hierfür muss die IT der Versicherungsgesellschaft entsprechend umgestaltet werden.

Außerdem müssen die Außendienstmitarbeiter mit ihren Laptops Zugang zum zentralen Rechner der Gesellschaft erhalten, und sie müssen auch ihre Kundengespräche teils anders strukturieren. Also be-nötigen sie eine Schulung.

Nicht ausreichend bedacht, wird beim Planen solcher Projekte jedoch oft, dass sich dadurch, dass künftig die Außendienstmitarbeiter die Policierung vornehmen, sich auch die Arbeitsprozesse und -inhalte vieler Mitarbeiter in der Zentrale des Assekuranzunternehmens verändern - unter anderem, weil solche Arbeiten wie das Erfassen der Kundendaten und das Bearbeiten der Anträge entfallen.

Also müssen für die bisher hierfür zuständigen Sachbearbeiter, sofern sie nicht entlassen werden sol-len, neue Aufgabenfelder gefunden werden. Zum Beispiel als Kundenbetreuer im Kundenservice-Center der Versicherung. Das setzt bei den Sachbearbeitern, die in der Vergangenheit kaum Kunden-kontakt hatten, neben einem mentalen Turn-around auch zusätzliche Fähigkeiten und Fertigkeiten vo-raus. Entsprechend groß sind häufig ihre Ängste vor einer solchen Veränderung der Arbeitsprozesse und -stukturen, und - sofern hierauf nicht angemessen reagiert wird - auch ihre Widerstände.

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