Systeme gibt es inzwischen für jeden Geldbeutel

16.09.1999

MÜNCHEN: Die Verbreitung von Video-Camcordern nimmt zu. Für viele Haushalte gehört das Film-Equipment inzwischen genauso zur elektronischen Ausstattung wie der Videorekorder oder die Hifi-Anlage. Dementsprechend wächst auch der Markt für Systeme zur Nachbearbeitung der gedrehten Filme. Eine gute Chance für Fachhändler, mit Know-how und Beratungsqualität zu glänzen.Noch vor wenigen Jahren waren Produkte für die Videobearbeitung eine Domäne der Unterhaltungselektronik-Fachhändler. Kunden, die dieses teure Hobby betreiben wollten, mußten sich mit einem umfangreichen Gerätepark für Schnitt, Betitelung, Effekte und Vertonung eindecken. Dementsprechend war auch ein detailliertes Wissen der Fachhändler zur Videothematik zwingende Voraussetzung, um derlei Geräte verkaufen zu können.

Inzwischen hat sich die Welt der Videobearbeitung grundlegend gewandelt. Alles wird digital, was dem Computer als Basis für diese Anwendung in den vergangenen Jahren einen Siegeszug beschert hat. Der Markt für externe Produkte ohne PC-Anbindung ist, außer im Broadcast-Bereich (TV-Produktionen und Sendeabwicklung), tot.

Wie alles begann

Eines der ersten Schnittsysteme für den PC war Anfang der Neunziger die noch heute erhältliche "Video Machine" von Fast Multimedia aus München. Das inzwischen an weltweit 17.000 Schnittplätzen im Einsatz befindliche Produkt übernahm in seiner Ur-Version, in Form einer ISA-Steckkarte mit passender Software, lediglich die Laufwerkssteuerung der angeschlossenen Videogeräte.

Zusätzlich konnten Effekte und Titel in Echtzeit eingefügt werden. Der Endkundenpreis belief sich auf etwa 6.000 Mark. Mit diesem für damalige Verhältnisse recht günstigen Preis wurde die Tür zur PC-Welt erstmals auch im Consumer-Segment aufgestoßen.

Moderne Videoschnittsysteme bestehen nach wie vor aus Steckkarten oder externen Boxen, die an den PC angeschlossen werden (von Lösungen auf dem Prozessor ist man aufgrund der hohen Datenmengen noch weit entfernt), jedoch arbeiten sie inzwischen fast ausschließlich als sogenannte "nonlineare" Systeme. Das zu bearbeitende Rohmaterial wird dabei vom Camcorder auf die Festplatte überspielt, dort bearbeitet und anschließend auf Videoband, CD- oder DVD-Rom wieder ausgegeben. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das lästige Umspulen der Zuspielbänder und der damit verbundene Verschleiß entfällt. Außerdem wird durch die volldigitale Verarbeitung eine wesentlich bessere, oft sogar TV-taugliche Qualität erreicht. Solche Systeme gibt es in unterschiedlichen Ausführungen sowohl für analoge (Video-8, Hi-8, VHS, S-VHS) als auch für digitale Videogeräte

(DV, Digital-8).

Markt für PC-Nachbearbeitung explodiert

Durch die zunehmende Verbreitung von Computern und Camcordern in Privat-Haushalten erleben PC-basierende Schnittsysteme einen regelrechten Boom. Nicht zuletzt tragen die stark fallenden Preise zu einer stärkeren Marktdurchdringung bei. Bereits ab etwa 550 Mark erhält der Kunde inzwischen akzeptable Pakete mit Hard- und Software zur Bearbeitung seiner Urlaubsvideos. Je nach Anspruch an Qualität, Bedienungskomfort und Geschwindigkeit bewegen sich die Produkte im Consumerbereich bis etwa 6.000 Mark. So wuchs der Markt nach jüngsten Untersuchungen der führenden Marktforschungsinstitute 1998 wertmäßig um knapp 36 Prozent, in puncto Stückzahlen gar um 72 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Demnach wurden weltweit etwa 1,5 Millionen solcher Systeme abgesetzt.

Einer der Gewinner heißt Pinnacle Systems. Die Kalifornier konnten nach eigenen Angaben ihr Geschäftsjahr (30. Juni) mit satten 160 Millionen Dollar Umsatz und einer damit verbundenen Steigerung um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr abschließen. Pinnacle hatte im August 1997 den Digital-Video-Bereich der Miro Computer Products AG übernommen und dadurch seine Marktposition im Bereich des digitalen Videoschnitts weiter gefestigt.

Daß der Markt noch lange nicht ausgereizt ist, verdeutlicht allein die Zahl von mehr als zwölf Millionen europäischen Haushalten, die sowohl über einen PC als auch über einen Camcorder verfügen. Hier ist also noch ordentlich Luft für die Hersteller und auch für den Handel.

UE-Handel dominiert das PC-Videoschnitt-Geschäft

Die Struktur des Handels in Deutschland für EDV-gestützte Schnittsysteme wird jedoch nicht etwa vom PC-Fachhandel dominiert, sondern hauptsächlich von Fachhändlern für Unterhaltungselektronik (UE). Das hat verschiedene Ursachen. Einerseits beschäftigt sich der UE-Händler aufgrund seiner Struktur traditionell mehr mit der Videotechnik. Zum anderen ist für eine ordentliche Demonstration eines Schnittsystems eine Grundausstattung an Videogeräten vonnöten. UE-Händler haben hier lieferantenseitig bessere Zugriffsmöglichkeiten. Dies scheint sich jedoch gerade zu wandeln, da mehr und mehr Videoprodukte wie Camcorder oder Rekorder auch in Preislisten von PC-Distributoren auftauchen.

Auf jeden Fall bieten die Produkte eine gute Möglichkeit, sich vom Mitbewerb durch eine qualifizierte Beratung und Vorführung abzuheben. (akl)

An der Schwelle zum Massenmarkt: Videoschnitt am PC wird immer beliebter.

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