Tarnung ist alles

02.10.2000

Nicht immer setzt sich das beste Produkt am Markt auch durch. Bestes Beispiel aus der Vergangenheit ist der Standard bei Videosystemen. Obwohl Video 2000 die bessere Qualität lieferte, setzte sich VHS dank genialer Marketing-Strategien am Markt durch.

Microsoft beschäftigt nun bestimmt auch keine Anfänger in seinen Marketing-Heerscharen. Doch bei der Namensgebung des neuen Betriebssystems haben die Strategen einen kapitalen Bock geschossen. Bislang konnte sich der Anwender auf Microsoft bei der Platzierung der Produkte jedenfalls immer verlassen. Auf Windows 95 folgte Windows 98. Der Nachfolger sollte nun zumindest Windows 00 oder 2000 heißen. Doch weit gefehlt. Das neue Betriebssystem Windows 2000 ist kein Windows-98-Nachfolger, sondern soll Windows NT 4.0 ablösen. Damit haben die Marketing-Strategen das Produkt gleich auch gut getarnt.

Alle Welt redet von Windows 2000, ohne zu wissen, dass es sich dabei um ein Betriebssystem für den Einsatz im professionellen Umfeld handelt. Selbst Experten im Markt erliegen der Versuchung, aus Windows 2000 ein Massenprodukt zu machen. Sogar Compaq plant, den Internet-Rechner "Ipaq" mit Windows 2000 auszurüsten. Doch wofür braucht ein Internet-Rechner ein Betriebssystem, das Multi-Processing unterstützt und mehrere zig Megabyte Arbeitsspeicher benötigt? Hier kann doch nur ein Fehler vorliegen. Und wenn selbst Entscheider in so großen Firmen wie Compaq nicht genau wissen, für welchen Einsatz Windows 2000 programmiert wurde, woher soll es dann der Handel und erst recht der Endkunde wissen? Mit dem Namen Windows 2000 hat Microsoft im Markt eigentlich nur Verwirrung gestiftet. Alle großen PC-Zeitschriften berichteten in fast jeder der letzten Ausgaben von Fehlern und Bugs in diesem Betriebssystem. Aber auch an Lob fehlte es nicht. Dass Windows 2000 aber gar nicht für den Massenmarkt konzipiert wurde, verschwiegen sie bislang und tun es auch noch heute. Zum Beispiel werden Spieler mit Windows 2000 bestimmt nicht glücklich. Denn alle wichtigen Treiber zur 3D-Unterstützung befinden sich noch in rudimentärem Stadium (siehe Artikel "3D-Grafikunterstützung bei Windows 2000 mangelhaft" auf Seite 10).

Der Nachfolger von Windows 98 heißt übrigens "Millennium" und soll gegen Mitte bis Ende des Jahres auf den Markt kommen. Und das soll das optimale Betriebssystem für den Massenmarkt werden. Falls es mit dem geplanten Termin nichts wird - auch die Erscheinungstermine der Vorgänger sind öfters verschoben worden -, braucht sich Microsoft nicht zu beeilen. Denn das Millennium hat gerade erst begonnen, und in den nächsten tausend Jahren wird bestimmt auch das absolut ultimative Betriebssystem irgendwann einmal fertig. Warten wir es ab.

Hans-Jürgen Humbert

hhumbert@computerpartner.de

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