Die Grenzen der Anpassung

Top-Manager: Achtung - Authentizitätsverlust!

04.11.2008

Inspiriert durch diese Trainingserfahrung buchte er noch am Tag darauf ein Verkaufs- und Kommunikationsseminar. Natürlich, er strebte ja hohe Ziele an, bei Deutschlands härtestem und teuerstem Trainer auf diesem Sektor. Weniger wäre ja kaum gut genug. Er schärfte sich ein, im Umgang mit Kunden äußerste Selbstdisziplin zu wahren und gestrenger Herr über seine Gefühle zu sein - nur die Harten kommen in den Garten. Selbstbeherrschung und Höflichkeit sind das A und O will man ein souveränes Außenbild wahren. Der Manager sah das widerstandslos ein. Motivation gut und schön - Disziplin gehört eben auch dazu. In Gruppenarbeiten wurden der als störend empfundene Ärger und allzu persönliches Gefühl kanalisiert, in kleine Portionen geteilt und weggepackt. Sein daraus resultierendes, maßvolles Verhalten wurde im Arbeitsleben wohlwollend registriert. Vorgesetzte und Kunden waren doch sehr zufrieden mit ihm.

Nur nicht stehen bleiben …

Nur nicht stehen bleiben, dachte sich Peter K., und begab sich kurze Zeit später in die nächste Trainingseinheit. Gute Kenntnisse in Arbeitssicherheit sind zweifelsohne wichtig. Die im Seminar vorgetragenen Aspekte dazu waren ebenso einsichtig wie wichtig. Ein Unternehmen, und damit ganz besonders seine Führungskräfte, ist angehalten, Schäden an Gesundheit und Leben seiner Mitarbeiter zu vermeiden. Wer sollte das auch verneinen? Peter K. akzeptierte auch, dass Sicherheit nicht mit polizeistaatlich anmutenden Überwachungsmethoden erfolgen dürfe. Engagierte, sichere Führung, durchaus in Form von kontinuierlicher Ermahnung und Belehrung wurde gefordert. Selbstverständlich stets freundlich, konstruktiv, nie negativ, immer umsichtig, einfühlsam und proaktiv. In den Gruppenarbeiten des Seminars formulierte unser Manager ganz hervorragende Rundschreiben und Konzepte für Lehrgespräche zur Arbeitssicherheit.

Aufstieg auf der gefühlten Erfolgsleiter

Im nächsten Seminar stand Weiterbildung in modernem Marketing an. In Gesellschaft obligatorisch von Kopf bis Fuß schwarz gekleideter und passend schwarzbebrillter Kreativer lernte er erkennen, dass im Marketing-Mix jegliche Botschaft an den Markt crossmedial und zielgruppengerecht das Positive des Produkts herauszustellen habe. Dieses erhebende Gefühl der Lebensfreude und des Erfolgs galt es zu vermitteln. Der Zusammenhang schien ihm schon aus eigenem Erfahren heraus logisch und einsichtig. Wen interessiert schon die genaue Rezeptur eines Weichspülers, wenn einem doch Aromen der Harmonie oder der ländlichen Idylle mühelos in eine bessere Welt hinüber gleiten lassen. Ob sich dadurch sogar Scheidungsraten senken, eheliche Gewalt vermeiden und positiv eingestimmte, zukunftstaugliche Kinder erzeugen ließen? Die Möglichkeiten schienen grenzenlos! In Gruppenarbeiten gefielen Peter Ks. Slogans, in denen er sein langjährig erworbenes Fachwissen zu Produkten gekonnt beiseite schob und sich ganz und gar einfühlsam in die Mentalität "des Kunden" versetzte, dass sogar die schwarz gekleideten Mitteilnehmer im Seminar staunten und applaudierten. Peter K. stieg Stufe um Stufe auf der gefühlten Erfolgsleiter.

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