Trau, schau, wem: mangelndes Kundenvertrauen am Neuen Markt

11.10.2001
Die Qualität der Kommunikation von Unternehmen mit Anlegern und Finanzexperten ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für die Kursentwicklung. Das gilt besonders in der aktuellen Konsolidierungsphase des Neuen Marktes. Laut Pricewaterhouse Coopers klafft aber eine riesige Lücke zwischen Selbsteinschätzung der Firmen und dem Empfinden der Kunden.

In der aktuell angespannten Konsolidierungsphase des Neuen Marktes ist es für die dort gelisteten Unternehmen von existenzieller Bedeutung, das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen und die Entwicklung ihres Unternehmens glaubhaft darzustellen, dem Kunden und den Finanzexperten gegenüber.

Doch die Selbsteinschätzung der Unternehmen weicht in diesem Punkt sehr stark von der Beurteilung des Finanzmarktes ab. Insbesondere die Unternehmen des Neuen Marktes müssen sich künftig stärker an den Informationsbedürfnissen von Investoren und Analysten orientieren. Zu diesem Schluss kommt die Studie "Investor Relations und Shareholder Value am Neuen Markt", die Pricewaterhouse Coopers gemeinsam mit der Wolff & Häcker Finanzconsulting AG veröffentlicht hat.

Im Mittelpunkt der Studie steht die Qualität der Kommunikation mit Anlegern und Analysten. Die Studie zeigt auf, welche Erwartungen Investoren sowie Finanzexperten wie Fondmanager, Portfoliomanager oder Finanzanalysten an die Unternehmen haben und wieweit die Unternehmen diese Anforderungen bisher erfüllen. Hier ein Überblick darüber, was verbessert werden sollte:

Finanzinformationen vielfach ungenügend

Laut Roland Pruss, Leiter der IPO-Beratung von Pricewaterhouse Coopers in Deutschland, ist das Angebot an Finanzinformationen nicht optimal auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmt. Sonst hätte das zu entsprechend positiven Kursreaktionen geführt. Üblicherweise ist die Investor-Relations-Abteilung organisatorisch der Vorstandsebene angeschlossen. Dem Wunsch vor allem institutioneller Investoren nach intensivem Vorstandskontakt können jedoch die wenigsten Firmen entsprechen. So wenden in 85 Prozent der Unternehmen die Vorstände weniger als 30 Prozent ihrer Zeit für die Kommunikation mit Anlegern und Analysten auf. Dies ist laut Consulting-Experten unzureichend, verglichen mit Angaben von Ma-nagern und Vorständen etablierter Unternehmen, die hierfür rund 50 Prozent ihrer Zeit aufbringen.

Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild

Mehr als die Hälfte der befragten Neuer-Markt-Gesellschaften haben ihre Investor-Relations-Strategie nicht schriftlich fixiert. Deshalb ist eine Erfolgsmessung nur bedingt möglich. Die mangelnde Kontrolle erklärt wohl auch die Fehleinschätzung des Erfolgs der eigenen Arbeit: Während 76 Prozent der Unternehmen die Akzeptanz ihrer Kommunikation mit Anlegern und Finanzexperten "eher hoch" bewerten, teilen die Experten diese Einschätzung nur zu 36 Prozent.

Unzufriedenheit mit Qualität und Quantität

Die Investoren sind insbesondere unzufrieden mit Ad-hoc-Mitteilungen, Geschäftsberichten, der Bearbeitung von direkten Anfragen sowie mit Investor Relations im Internet. Auch quantitative Informationen wie die Transparenz finanzieller Risiken oder der Umgang mit Kennzahlen werden bemängelt. "Gerade in diesen besonders kritisierten Maßnahmen liegen laut Mirko Häcker, Vorstand der Wolff & Häcker Finanzconsulting AG, Chancen für Unternehmen, sich mit guter Investor-Relations-Arbeit abzugrenzen. Bei der Organisation ihrer Hauptversammlung nehmen 86 Prozent der Unternehmen externe Unterstützung in Anspruch. Für die Erstellung ihres Geschäftsberichtes greifen 80 Prozent auf Dienstleister zurück. Bei der Erarbeitung einer Investor-Relations-Strategie hingegen lassen sich gerade einmal 21 Prozent der Befragten beraten.

Gute Grunddaten entscheiden über Investitionen

Management und Rechnungswesen dienen den befragten Unternehmen als wichtigste Informationsquellen für Investor Relations. Bereiche des operativen Tagesgeschäfts wie etwa Produktion oder Marketing bleiben oft außen vor. Das empfindet Häcker als kritisch, da gerade in der Finanzkommunikation die aktuelle Geschäftslage und deren Entwicklung von besonderer Bedeutung seien. Gute Fundamentaldaten und eine schlüssige Equity Story geben nach seiner Rechnung für über 80 Prozent der Investoren den Ausschlag für ein Investment.

Deutlicher Nachholbedarf bei aktuellen Informationen

Geschäftsberichte und Quartalsabschlüsse werden in der Regel innerhalb der vom Finanzamt geforderten Zeitspanne vorgelegt. Ein deutlicher Nachholbedarf besteht jedoch bei Informationen über die aktuelle Geschäftsentwicklung und die Erfüllung der eigenen Zielsetzungen. Hier liegt das Problem jedoch weniger bei der Kommunikation als vielmehr im geringen Einsatz von Kontrollinstrumenten bei der Unternehmensplanung. Beispielsweise führen nur 50 Prozent der Unternehmen regelmäßig Konkurrenzvergleiche durch. Auch das Wertsteigerungsmanagement spielt eine untergeordnete Rolle.

Eines der bedeutendsten Entscheidungskriterien für Investoren und Analysten ist die Fähigkeit eines Unternehmens, den eigenen Geschäftsverlauf realistisch zu prognostizieren. 89 Prozent sehen jedoch die Fähigkeit der Neuer-MarktTeilnehmer dazu als zu gering an. Gründe dafür sind, dass kritische Entwicklungen nicht offen oder zu spät bekannt gegeben, die Prognosezeiträume zu kurz bemessen oder die Daten nur unregelmäßig und unsystematisch veröffentlicht werden.

"Wenn es gelingt, die aufgeführten Defizite künftig abzubauen, dann dürfte sich auch die Kursentwicklung der Unternehmen wieder stärker am inneren Wert orientieren. So lassen sich extreme Kursausschläge vermeiden, was allen Finanzmarktakteuren zugute kommt", folgert Pruss.

www.pwcglobal.com

www.whf-ag.de

ComputerPartner-Meinung:

Besser eine schlechte Information als gar keine: Nach diesem Motto reagieren selbst profitorientierte Anleger. Denn wenn erst einmal das Gefühl vorhanden ist, dass sich das Neuer-Markt-Unternehmen erfolgreicher gibt, als es tatsächlich ist, fühlen sich Anleger und Finanzexperten betrogen. Folge: Sie ziehen sich zurück. (go)

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