Unternehmen bauen Kurzarbeit ab - Nicht alle können verzichten

23.04.2010
Von Olaf Ridder DOW JONES NEWSWIRES

Von Olaf Ridder DOW JONES NEWSWIRES

FRANKFURT (Dow Jones)--Angesichts der konjunkturellen Belebung holen Unternehmen in Deutschland in zunehmendem Maße Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurück. Etliche Konzerne wie BASF, VW, BMW, K+S und Infineon können bereits vollständig darauf verzichten, Teile der Belegschaft nach Hause zu schicken, um der mangelnden Auslastung ihrer Werke zu begegnen. Immer mehr Unternehmen rufen gar das Ende der Kurzarbeit aus. Auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise waren dank Kurzarbeit massive Entlassungen und damit auch der Verlust von Fachwissen vermieden worden.

Doch in einigen Branchen wie Maschinenbau, Metall- und Automobilindustrie werden Unternehmen weiter auf Kurzarbeit angewiesen bleiben. Ihnen gibt die zur Wochenmitte vom Bundeskabinett beschlossene 15-monatige Verlängerung der Sonderregelungen Planungssicherheit. Der Nutzfahrzeughersteller MAN etwa hatte darauf gedrungen. Er will im Sommer entscheiden, ob auch Anfang2011 noch Kurzarbeit gefahren wird.

Derzeit arbeiten 11.000 MAN-Mitarbeiter in Deutschland und Österreich verkürzt. Bis zum Jahresende, so ein Sprecher, soll das so bleiben. Eine Trendwende am Nutzfahrzeugmarkt sei nicht absehbar, heißt es aus München.

Bei Daimler dagegen sollen die Mitarbeiter im Lkw-Werk Wörth und der Getriebe- und Komponentenfertigung Gaggenau ab Juni und damit schneller als zunächst geplant wieder Vollzeit arbeiten. 11.300 Daimler-Beschäftigte arbeiten noch kurz. Ende Juni ist damit Schluss. In der Pkw-Fertigung hat sich die Lage ohnehin entspannt. Ende Januar etwa beendete BMW im Werk Dingolfing die Kurzarbeit. Auf dem Höhepunkt hatten 26.000 BMW-Mitarbeiter kurzgearbeitet. Beim Volkswagen-Konzern gab es dank Abwrackprämie und verlängerter Werksferien ohnehin keine echte Kurzarbeit.

Massiv betroffen ist dagegen nach wie vor Bosch. Rund 40.000 von etwa 112.000 Beschäftigten des weltgrößten Automobilzulieferers arbeiten verkürzt, wenn auch die Reduzierung der Arbeitszeit mit etwa 15% viel geringer ist als im vergangenen Herbst. Damals mussten rund 65.000 Mitarbeiter nur 60% ihres Vertrages erfüllen.

Kein Thema mehr ist Kurzarbeit in der Chemieindustrie, die als Rohstofflieferant anderer Industrien auf dem Höhepunkt der Krise massiv Kapazitäten stilllegen musste. Bei BASF, wo zeitweise viele Cracker und Anlagen abgeschaltet wurden und 4.000 Mitarbeiter in Deutschland zeitweise ohne Arbeit waren, geht diese Zahl inzwischen "gegen Null", wie ein Sprecher dieser Tage sagte. Der Düngemittelhersteller K+S hat die Anlagen nach Konzernangaben ebenfalls voll ausgelastet. Wacker Chemie meldet keine, Lanxess noch 50 Kurzarbeiter.

Nicht alle Branchen sind über den Berg: Im Maschinenbau etwa rechnet der Branchenverband VDMA damit, dass die Krise etliche Unternehmen erst in diesem Jahr mit voller Härte treffen wird, weil viele bisher von vollen Auftragsbüchern gezehrt hatten. Im Spektrum seiner Unternehmen gebe es sehr unterschiedliche Entwicklungen, verlautete vom VDMA. Deshalb begrüßt der Verband, dass die Arbeitsagentur noch bis Ende März 2012 die Sozialbeiträge der Kurzarbeiter übernimmt.

Im deutschen Maschinenbau ist Kurzarbeit nach den zuletzt verfügbaren Zahlen der Arbeitsagentur am stärksten verbreitet, sowohl in Relation zu den Beschäftigten der Branche insgesamt als auch im Verhältnis zur Zahl der Kurzarbeiter absolut. So arbeiteten im Dezember 168.000 Beschäftigte in der Branche kurz, gut ein Fünftel der seinerzeit gemeldeten knapp 810.000 Kurzarbeiter in Deutschland. Knapp ein Siebtel aller Kurzarbeiter entfiel zum Jahresende auf die Automobilindustrie und Zulieferer.

Neuere Zahlen gibt es nicht, doch deuten die monatlichen Kurzarbeiteranzeigen der Unternehmen an die Bundesagentur für Arbeit inzwischen auf massiv sinkende Zahlen hin: Um mehr als ein Drittel gegenüber Dezember sank die Zahl der Personen, für die im Januar Kurzarbeit angemeldet wurde. Der Trend setzte sich im Februar fort, so die Arbeitsagentur.

Besonders betroffen ist nach wie vor die Belegschaft von Heidelberger Druck. Der MDAX-Konzern, der beim Einsetzen der Rezession wie seine Wettbewerber manroland und Koenig & Bauer bereits unter einer massiven Strukturkrise der Druck- und Verlagsbranche litt, geht davon aus, dass es noch bis Oktober oder November Kurzarbeit geben wird, auch wenn angesichts verbesserter Auslastung in einigen Bereichen wieder mehr gearbeitet wird. Konkrete Zahlen nennt der Druckmaschinenhersteller allerdings nicht. Auf dem Höhepunkt der Krise waren "fast alle" der rund 12.000 Beschäftigten in Deutschland betroffen.

Nicht bei allen Maschinenbauern sieht es so aus: Krones etwa, ein Hersteller von Abfüllanlagen für die Getränkeindustrie, rief schon zum Jahreswechsel das Ende der Kurzarbeit aus. Auch vorsorglich werde man für 2010 keine Kurzarbeit beantragen, sagte Finanzvorstand Hans-Jürgen Thaus Anfang Februar.

Massiv zurückgefahren haben die Stahlkonzerne die Zahl der Kurzarbeiter. So waren es bei Salzgitter, wo in der Spitze etwa 8.000 Mitarbeiter und damit rund ein Drittel der Gesamtbelegschaft betroffen waren, im März noch etwa 1.700 Kurzarbeiter und damit weniger als intern erwartet. ThyssenKrupp hatte im Februar im Stahlbereich keine 600 Kurzarbeiter mehr in Deutschland. Im April vergangenen Jahres lag ihre Zahl bei knapp 11.000.

Am meisten waren zuletzt noch die Zulieferbetriebe für Maschinenbau und Autoindustrie beeinträchtigt, weshalb in Deutschland konzernweit immer noch über 4.200 ThyssenKrupp-Beschäftigte kurzarbeiteten, wobei im Vergleich zum Spitzenwert von über 26.000 die Entlastung sichtbar wird.

Auch Siemens kommt mit dem Abbau der Kurzarbeit gut voran. Der Industriekonzern aus München nannte vor wenigen Tagen für März noch 3.100 Kurzarbeiter, das ist eine Halbierung gegenüber Januar. Im Juni vergangenen Jahres ließ Siemens noch 19.000 Mitarbeiter kurz arbeiten. Sorgen machen Siemens noch die Geschäftssektoren Energie und Technologie.

Auch Bosch fürchtet, dass sich die Kurzarbeit ins spätzyklische Industrietechniksegment verlagern könnte, das erst in der zweiten Jahreshälfte 2009 in die Krise schlitterte. Deshalb wollten die Stuttgarter dieser Tage nicht ausschließen, dass auch 2011 noch Kurzarbeit erforderlich sein könnte. Die frühzeitige Verlängerung der Sonderregelung wird von den Schwaben begrüßt, die sich bereits mit der Personalplanung für 2011 beschäftigen. Immerhin habe das Instrument dafür gesorgt, dass bei Bosch im vergangenen Jahr nur 4% aller Stellen gestrichen werden mussten.

Doch auch wenn die Zuversicht wächst: Selbst die nur kurzzeitig gebeutelte Chemiebranche ist nicht sicher, ob das Thema Kurzarbeit nachhaltig vom Tisch ist. Zwar seien die Läger von Endkunden und Zwischenhändlern in der Krise massiv geschrumpft, doch werde derzeit sehr kurzfristig und in viel kleineren Mengen geordert als vor der Krise, berichten Chemieunternehmen übereinstimmend. Die Option, im Falle eines erneuten Konjunktureinbruchs Kurzarbeit wieder einzuführen, halten sie sich offen.

-Von Olaf Ridder, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 - 29725 111, unternehmen.de@dowjones.com (Nico Schmidt, Katharina Becker, Martin Rapp, Jan Hromadko, Matthias Karpstein und Heide Oberhauser haben zu diesem Bericht beigetragen.) DJG/rio/jhe Besuchen Sie auch unsere Webseite http://www.dowjones.de

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