Vergleichende Werbung: Mit Disziplin erlaubt

16.09.1999

MÜNCHEN: Rechtsanwalt Reinhard Hahn vom Juristischen Literaturpressedienst beschreibt im folgenden Beitrag, was den neuen Wettbewerbsrichtlinien nach erlaubt - und was noch immer nicht gestattet ist.In Deutschland seit fast 70 Jahren verboten, in den USA tägliches Werbegeschäft: Die vergleichende Werbung. Die neue Richtlinie der Europäischen Union (97/55/EG) läßt bei den Werbestrategen die Hoffnung auf eine gesamteuropäische Liberalisierung des Werbevergleichs mit der Konkurrenz aufkommen. Doch Vorsicht: Die Probleme tauchen im Detail auf.

Die EU-Richtlinie muß zwar erst im Jahre 2000 von den Ländern umgesetzt werden. Der Bundesgerichtshof (Az.: 1 ZR 211/95) erlaubt die vergleichende Werbung aber schon jetzt. Kaum war dieses Urteil in der Öffentlichkeit bekannt, schlugen auch schon die Werbestrategen zu: Burger King behauptete, daß Testpersonen lieber zum "Whopper" als zum "Big Mac" der Konkurrenz McDonald's griffen, "Focus" holte zum Schlag gegen den "Spiegel" aus und warb mit der Aussage der höheren Auflagenzahl, und im direkten Vergleich droschen etwa Mobilcom und Telekom aufeinander ein.

Teilweise trafen sich diese Kontrahenten danach vor Gericht und mußten sich dahingehend belehren lassen, daß auch die neu gewonnene Werbefreiheit Grenzen kennt und daß die neue Rechtslage ähnlich strikt ist wie bisher. So entschieden die Richter, daß beispielsweise Whopper und Big Mac nicht dieselbe Zweckbestimmung hätten und daß ein Produktvergleich nicht gestattet sei, weil die Kampfhähne ganz andere Zutaten verwenden würden.

So ganz klar sehen selbst Juristen noch nicht

Die vermeintlich neugewonnene Werbefreiheit ist selbst den Juristen noch nebulös. Welche Waffen dabei eingesetzt werden dürfen, ist weder den Streithähnen, den Rechtsanwälten noch den Gerichten völlig klar. Viele Vorgaben und Begriffe müssen von den Gerichten erst ausgelegt und weiter definiert werden, bevor man hier zu einschlägigen Aussagen kommen kann.

Als Richtschnur für einen fairen Waren- oder Dienstleistungsvergleich kann daher zur Zeit nur die EU-Richtlinie herhalten und deren Spielregeln sehen nach Artikel 3 a so aus:

1. Die vergleichende Werbung darf nicht irreführend sein.

2. Der Vergleich muß sich auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder Zweck richten.

3. Der Vergleich muß objektiv sein und sich auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften dieser Ware oder Dienstleistung beziehen, zu denen auch der Preis gehört.

4. Durch den Werbevergleich darf auf dem Markt keine Verwechslung zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder Marken, Handelsnamen, anderen Unterschiedszeichen, den Waren oder Dienstleistungen des Werbenden und denen eines Mitbewerbers verursacht werden.

5. Durch den Werbevergleich dürfen weder die Marken, der Handelsname oder andere Unterscheidungszeichen noch die Waren oder Dienstleistungen, die Tätigkeit oder die Verhältnisse eines Mitbewerbers herabgesetzt oder verunglimpft werden.

6. Bei Waren mit Ursprungsbezeichnungen darf sich der Vergleich in jedem Fall nur auf Waren mit der gleichen Bezeichnung beziehen.

7. Der Werbevergleich darf den Ruf einer Marke, eines Handelsnamens oder anderer Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers oder den Ruf der Ursprungsbezeichnungen von Konkurrenzerzeugnissen nicht in unlauterer Weise ausnutzen.

Trotz dieser Richtlinie ist vergleichende Werbung zur Zeit eher ein Verwirrspiel. Nur objektiv wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften von Waren dürfen verglichen werden. Äpfel dürfen also nicht mit Birnen in einen Topf geworfen werden. Erschwerend kommt hinzu, daß alle Bedingungen, die in Artikel 3 aufgezählt sind, kumulativ und uneingeschränkt eingehalten werden müssen. In der Praxis heißt das: Die Richtlinie für die Zulässigkeit vergleichender Werbung stellt Bedingungen auf, die zum Teil strenger sind als die Ausnahmeregelungen des bisherigen Rechts. Ein Vergleich von Waren mit unterschiedlicher Ursprungsbezeichnung ("Frankfurter Würstchen") ist unzulässig. Ein Imagevergleich, der sich auf nicht nachprüfbare Eigenschaften bezieht, ist auch dann verboten, wenn er weder zu einer Herabsetzung noch zu einer Rufausbeute führt.

Resümee: Die vermeintliche Freiheit der Werbung ohne Grenzen gibt es auch weiterhin nicht. Überhaupt ist fraglich, ob dieses Instrument wirkungsvoll ist und den Verbraucher wirklich anspricht. Weil die Bloßstellung des Konkurrenten vom Verbraucher als diskriminierend empfunden werden kann, ist und bleibt eine Gegenüberstellung ohne Namensnennung in vielen Fällen überzeugender. Marktführer sollten von diesem Kunstgriff ohnehin besser die Finger lassen, solcherlei Maßnahmen sollten sie gar nicht nötig haben. Allenfalls kommt eine vorsichtige und disziplinierte Anwendung des neuen Instruments im Einzelfall in Frage.

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