Interview mit Computacenter-Chef Reiner Louis

Wie sich Computacenter künftig ausrichten will

Regina Böckle durchforstet den Markt nach Themen, die für Systemhäuser und Service Provider relevant sind - oder es werden könnten - und entwickelt dazu passende Event-Formate.
"Das Pendel ist in der Vergangenheit zu stark in Richtung Managed Services ausgeschlagen", konstatiert Reiner Louis, der bei Computacenter seit rund drei Monaten das Geschäft in Deutschland, der Schweiz und Luxemburg verantwortet. Künftig soll das Infrastrukturgeschäft wieder mehr Gewicht erhalten. Was sich darüber hinaus ändern wird, erläutert er im Interview mit ChannelPartner.
Reiner Louis, Sprecher der Geschäftsführung bei Computacenter
Reiner Louis, Sprecher der Geschäftsführung bei Computacenter
Foto: Computacenter

Herr Louis, Sie haben vor rund 100 Tagen bei Computacenter die Verantwortung für die Region Deutschland übernommen, die auch das Geschäft in der Schweiz und Luxemburg umfasst. Was werden Sie an der bisherigen Strategie ändern, was beibehalten?
Reiner Louis: Mitte 2012 haben wir auf europäischer Ebene eine grundlegende Entscheidung getroffen über die Frage, wie wir uns europaweit zukunftssicher aufstellen wollen. Im Zuge dessen haben wir vor allem in den Ausbau und die Optimierung des Supply Chain Management investiert, das heißt in die SAP-Infrastruktur, das Call Center und intelligente Logistikleistungen.
Die Logistikzentren wurden miteinander verknüpft und vereinheitlicht, so dass jetzt alle Landesgesellschaften mit einer zentralen SCM- und Logistikplattform arbeiten und auf den internationalen Warenkorb zugreifen können. Diese Maßnahmen sind inzwischen komplett abgeschlossen und wir sind damit international für das Wachstum bestens aufgestellt.

Wo sehen Sie im Bereich Logistik konkretes Wachstumspotenzial?

Louis: Potenzial sehen wir vor allem in der Automatisierung der Beschaffung, die elektronische Anbindung der Warenkörbe an die Warenwirtschaftssysteme unserer Kunden. Um diese automatisierte Beschaffung zu ermöglichen, müssen Schnittstellen geschaffen und Prozessketten verbessert werden. Das ist ein hoch komplexes Geschäft.

Was hat sich organisatorisch verändert?

Louis: Alle operativen Abteilungen wurden auf europäischer Ebene in vier Geschäftseinheiten gebündelt. Group Commercial betreut das Produkt- und Wartungsgeschäft sowie das Partnermanagement und den Einkauf. Group Operations verantwortet das Geschäft rund um Outsourcing, Managed Services und das Remote Operation Center. Unterstützt werden diese beiden Kernorganisationen vom zentralen Backoffice - der Business Services Abteilung. Die Länderorganisationen, als vierte Einheit, sind für den Vertrieb, das Consulting Services Geschäft, das Service Management und für das Design der Lösungsarchitekturen verantwortlich. Sie bilden die Schnittstelle zum Kunden. Diese Neuorganisation bedeutete einen gravierenden Einschnitt. Denn bis Ende 2012 waren alle Aufgaben in den jeweiligen Länderorganisationen verortet.

Weshalb haben Sie die Organisation so stark zentralisiert - das Geschäft wird doch vor Ort in den Ländern gemacht?

Louis: Wir können auf diese Weise die Wünsche unserer Kunden besser erfüllen, weil die Unternehmen zunehmend international ausgerichtet sind und beispielsweise bei der Lieferung und Wartung von Produkten ebenso wie beim Service-Desk auch einen entsprechenden internationalen, mehrsprachigen Support erwarten. Das haben wir jetzt in den Prozessen abgebildet.

Sie betreuen aber doch auch viele öffentliche Auftraggeber, die in der Regel nicht international agieren…

Louis: Inhaltlich haben diese Kunden allerdings ähnliche Anforderungen wie Großkonzerne. Auch hier steigt die Nachfrage nach Cloud- und Service-Diensten. Die Anforderungen sind durchaus vergleichbar. Generell wächst die Nachfrage nach Managed Services enorm, wobei Services immer selektiv ausgelagert werden. Der Wunsch, die IT komplett auszulagern, ist dagegen selten.

Haben die Enthüllungen über die flächendeckende Überwachung durch die Geheimdienste das Cloud- und Managed-Service-Geschäft ausgebremst?

Louis: Bislang ist hier noch keine Trendwende spürbar. Allerdings setzen sich Kunden viel intensiver mit Fragen zu Sicherheit und Datenschutz viel stärker auseinander als bisher. Wir beobachten hier eher eine Zweiteilung: Behörden und einige Unternehmen reagieren sehr sensibel und tendieren eher dazu, ihre IT wieder hausintern zu betreiben und allenfalls die Nutzung reiner Private Clouds zuzulassen. Für global aufgestellte Firmen dagegen gibt es im Grunde keine Alternative zur Cloud.
Abgesehen von den Kostenvorteilen haben Virtualisierung und bereits eingesetzte Cloud-Technologien das Netzwerk so komplex werden lassen, dass ein Schritt zurück gar nicht wirklich möglich ist, ohne Gefahr zu laufen, den Mitarbeitern an irgendeiner Stelle vom Datenzugriff abzuschneiden. Die Frage ist hier eher, wie man die Dienste absichert. Das ist für uns vorteilhaft, weil wir keine Public-Cloud-Dienste anbieten, sondern vorrangig Managed Private Clouds und hybride Clouds. Die größte Herausforderung besteht aktuell eher darin, die IT der Kunden überhaupt Cloud-fähig zu machen.

Wie äußert sich diese Skepsis von Behörden und Firmen konkret bei den Ausschreibungen?

Louis: In fast jeder Ausschreibung werden ähnliche Kriterien abgefragt: ob die Rechenzentren hierzulande angesiedelt sind, die Datenhaltung in Deutschland gewährleistet ist, ob Netzwerke, Daten und Datentransfer in Deutschland administriert werden und ob auch die verantwortlichen Mitarbeiter hierzulande arbeiten. Diese Fragen haben in den vergangenen Monaten extrem zugenommen.

Das operative Geschäft gliederte sich bei Computacenter bislang in SCM-Leistungen, also das klassische Handelsgeschäft mit Infrastrukturprodukten, Consulting und Managed Services. Stehen auch hier Änderungen ins Haus?

Louis: Nein, an diesem Drei-Säulen-Modell halten wir auch künftig fest. Allerdings wollen wir den Blickwinkel auf diese drei Säulen verändern.

Was heißt das konkret?

Louis: In der Vergangenheit ist das Pendel zu stark in Richtung Managed Services ausgeschlagen. Künftig wollen wir dem klassischen Geschäft mit Infrastrukturleistungen und den Beratungsleistungen, beispielsweise rund um Mobile-, Cloud- und Mobile Workplace-Konzepte, wieder mehr Gewicht beimessen, die etwas ins Hintertreffen geraten sind.
Auf diese Themen werden wir uns wieder stärker zurückbesinnen. Unser Kerngeschäft fußt gleichermaßen auf allen drei Säulen. Denn die Anforderungen des Kunden erfassen in der Regel alle drei Bereiche. Und wir wollen für sie der Partner sein, der ihnen alle Leistungen aus einer Hand liefert, möglichst ohne Sub-Partner. Deshalb werden wir insbesondere im Bereich Consulting weiter in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter investieren. Denn gut ausgebildete Consultants zu finden wird der limitierende Faktor in diesem Geschäft sein.

Aktuell steuert das Geschäft mit Managed Services und Cloud rund 60 Prozent zum Service-Umsatz der Computacenter bei, der wiederum 35 Prozent der Gesamtumsätze ausmacht. 65 Prozent der Umsätze gehen auf das Konto der Produktverkäufe. Soll diese Verteilung also weder stärker in Richtung Produktumsatz gehen?

Louis: Unser Ziel ist es, den Service-Umsatz um zehn Prozent zu steigern. 2013 werden wir das allerdings nicht mehr ganz schaffen.

Im Gegensatz zu ihren stärksten Wettbewerbern konzentriert sich Computacenter bislang ausschließlich auf Großkunden und den gehobenen Mittelstand ab etwa 600 IT-Usern. Werden Sie daran etwas ändern und künftig auch den kleineren Mittelstand ins Visier nehmen?

Louis: Wir betreuen inzwischen rund 2.000 Kunden in Deutschland, viele davon aus dem gehobenen Mittelstand. Das klassische SMB-Geschäft wollen wir auch künftig nicht angehen.

Planen Sie auch über Akquisitionen zu wachsen?

Louis: Wenn sich im Consulting-Segment eine gute Gelegenheit ergibt, werden wir sicherlich zugreifen. Im Systemhausumfeld allerdings sind Übernahmen nur im europäischen Ausland ein Thema, hierzulande jedoch nicht, hier setzen wir eher auf unsere eigenen Kräfte. (rb)

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Reiner Louis

Reiner Louis verantwortet als Sprecher der Geschäftsführung bei Computacenter das gesamte Geschäft in Deutschland. Er kam 1994 als Leiter Kundendienst zu Computacenter.

Er war der erste, der bei Computacenter Service-Management-Systeme entwarf und implementierte. Zudem leitete er verschiedene Projekte zur Servicezentralisierung. Nach einem vierjährigen Intermezzo bei den Wettbewerbern Bechtle und Wincor Nixdorf kehrte Louis 2008 zu seinem alten Arbeitgeber zurückgekehrt, um die 500 Personen starke Consulting-Mannschaft, das Hersteller-Management sowie das Managed-Service und Outsourcing-Geschäft zu leiten. 2012 übernahm er die Verantwortung für den Vertrieb des IT-Dienstleisters. Seit 1. Juli 2013 ist er Sprecher der Geschäftsführung.

Reiner Louis hat Betriebswirtschaftslehre an der der Uni Mannheim studiert. Er lebt in Hamburg, ist verheiratet und hat drei Kinder.
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