Wollen Sie die 100- oder die 400-Meter-Strecke laufen?

22.07.2004

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Herrn Jürgen Stauber

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München, 19.07.2004

Wollen Sie die 100- oder die 400-Meter-Strecke laufen?

Sehr geehrter Herr Stauber,

vor kurzem veröffentlichten wir auf unserer Homepage "ComputerPartner.de" eine Meldung mit der Schlagzeile "Compunet kapituliert vor IBM und HP - Mittelstand im Visier". Am Tag nach der Veröffentlichung rief - vermutlich auf Ihre Veranlassung - jemand von Ihrer Presseagentur an und monierte die Headline. Es sei nicht richtig, erklärte die Agenturmitarbeiterin in pikiertem Tonfall, dass Compunet vor IBM und HP kapituliere. Compunet kapituliere vor niemandem. Wie ich denn überhaupt auf so etwas komme?!

Ich habe versucht, es der Dame zu erklären. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass sie mir wirklich folgen konnte oder wollte. Daher wende ich mich direkt an Sie.

Natürlich handelt es sich hier um eine Kapitulation. In ihrem traditionellen Kundensegment - der Großindustrie - steht Compunet in einem immer schärferen Wettbewerb mit den Herstellern selbst, allen voran HP und IBM. Die Konsequenz: Der Umsatz ging im vergangenen Jahr um mehr als 18 Prozent zurück. Um den weiteren Abstieg zu vermeiden, will sich Compunet nun dem Mittelstand zuwenden. Offenbar rechnen Sie sich dort besser Chancen aus. Dabei soll aber auch weiterhin die Großindustrie betreut werden.

Bald beginnen die Olympischen Spiele in Athen mit der Kernsportart Leichtathletik. Nun frage ich Sie: Wie würden Sie es nennen, wenn ein 100-Meter-Sprinter aufgrund der starken Konkurrenz entscheidet, lieber auf die 400-Meter-Distanz zu auszuweichen, weil er meint, dort größere Chancen zu haben? Er überläßt also seinen Gegnern im 100-Meter-Lauf das Feld. Hand aufs Herz, Herr Stauber: Würden Sie das nicht eine Kapitulation nennen?

Wie sind nun die Chancen unseres Ex-Sprinters auf der 400-Meter-Strecke? Hier trifft er natürlich ebenfalls auf starke Konkurrenz. Auf Spezialisten, die ihr gesamtes Training auf die Stadionrunde ausgerichtet haben. Und das 400-Meter-Training, das kann ich Ihnen versichern, unterscheidet sich sehr deutlich vom Training eines 100-Meter-Sprinters. Der Wettkampf erst recht. Ist nun anzunehmen, dass unser ehemaliger 100-Meter-Läufer die 400-Meter-Spezialisten in Grund und Boden rennt? Wenn überhaupt, dann ganz sicher nicht von jetzt auf gleich. Um hier bestehen zu können, müsste unser Athlet sein Training umstellen, Muskulatur und Kreislaufsystem an die veränderten Anforderungen anpassen und Erfahrungen sammeln. Mit anderen Worten: Aus einem 100-Meter-Spezialisten müsste ein 400-Meter-Spezialist werden. Dann kann es klappen mit dem Erfolg.

Völlig unmöglich ist es für einen Athleten, sowohl auf der 100- als auch auf der 400-Meter-Distanz zur absoluten Spitze zu gehören. Derjenige, der das versucht, wird auf beiden Strecken nur Mittelmaß sein.

Und genau das scheint mir die Position von Compunet zu sein. Sie wollen weiterhin bei der Großindustrie an den Start gehen, gleichzeitig aber den Wettbewerb im Mittelstand bestreiten. Risiko! Da würde mich interessieren, wie Sie der Gefahr begegnen wollen, dass das Unternehmen zwischen diesen Disziplinen auf der Strecke bleibt und dann nicht nur vor IBM und HP, sondern vor dem gesamten Markt kapitulieren muss.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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