Compaqs neuer Weg: Stellenabbau und Konzentration auf Topkunden

30.08.2001
Reduktion auf das Wesentliche - diese Strategie bedeutet bei Compaq Deutschland, mindestens 314 Mitarbeiter abzubauen und statt über 600 nur noch 120 Topkunden direkt zu betreuen. In einem Gespräch mit der ComputerPartner erläutert Peter-Mark Droste, Vorsitzender der Geschäftsführung der deutschen Compaq-Tochter, die konkreten Schritte und möglichen Auswirkungen der Restrukturierung.

Anfang August fiel bei Compaq die Entscheidung, die Belegschaft in Deutschland um mindestens 314 Mitarbeiter zu kürzen. Direkt am nächsten Tag fuhr Peter-Mark Droste mit einem kleinen Management-Team an die jeweiligen deutschen Standorte, um die Compaq-Belegschaft über den Hintergrund der Restrukturierung persönlich zu informieren.

Die Tour begann in München an zwei verschiedenen Standorten und ging während der ganzen Woche nach Stuttgart, Frankfurt, Köln, Hamburg und Hannover. "Dabei haben wir mit etwa 1.100 Leuten direkt gesprochen", berichtet Droste. "Es war für mich sehr erstaunlich, wie verständnisvoll die Mitarbeiter es aufgenommen haben. Dabei hatte ich doch nichts Gutes zu berichten. Aber sie haben es verstanden und ihr Wunsch war, dass wir es schnell durchziehen." Der Plan sieht nun vor, die Restrukturierung bis Ende des Jahres abzuschließen.

Compaq Deutschland wirkt mit seinen derzeit noch 2.050 Mitarbeitern sehr schlank aufgestellt. Doch Droste gibt an, dass es sehr wohl noch Overhead gibt. Allein durch die Verschmelzung von Compaq und DEC vor einigen Jahren gäbe es immer noch redundante Positionen im Unternehmen, obwohl 1998 bereits einige doppelte Stellen gestrichen wurden. Gerade in diesem Overhead wird hauptsächlich der Rotstift angesetzt, weil die Personalkosten einfach zu hoch sind; sie machen zwei Drittel der Fixkosten aus. Im Zusammenspiel mit den Emea-Kollegen werden deshalb zusätzlich einige Funktionen zentralisiert. Dazu gehören Agenturarbeit, das Flotten-Management oder Broschürenerstellung und Event-Planung. Das interne Informationsmanagement (IM) soll dann für möglichst geringe Reibungsverluste sorgen.

Harte Zeiten erfordern auch harte Maßnahmen

Der harte Einschnitt ist für Compaq nötig. Der gesamte PC-Markt in Deutschland erreichte im zweiten Quartal ein Minus von knapp zwölf Prozent und für das dritte Quartal erwartet Droste ein Null-Wachstum. Auch in Österreich und der Schweiz musste der Markt ein Minus von 19,3 Prozent beziehungsweise 12,8 Prozent hinnehmen. Vor diesem Hintergrund stellte der Vorsitzende der Geschäftsleitung die Notwendigkeit der Entlassungen dar und präsentierte gleichzeitig das neue Go-to-Market-Modell, das seit Ende letzten Jahres überdacht worden war. "Strategien, wie man den Markt adressiert, ändern sich ja permanent", ist Drostes Meinung. "Sie sind nicht mehr für die Ewigkeit gestrickt. Das Modell der letzten Jahre war immer gleich, als wir klassisch den Händlerkanal hatten. Da wurden nur die Produkt-Programme geändert, aber das Prinzip blieb gleich. Das ist nun alles anders."

Die Schlagzahl wird erhöht

Compaq plant jetzt anhand eines dreidimensionalen Modells einen optimaleren Weg. Das Diagramm hat auf der einen Seite "Penetration" oder Marktanteil als Achse, dazu kommt die "Sales-Coverage", also das gesamte verfügbare Sales-Potenzial der Verkäufer, und als dritte Dimension die Produktivität in Relation zum Marktvolumen. Der gesamte deutsche Markt für Computer (PCs, Server, Mobil), ausgenommen Drucker und Scanner, hat laut Droste ein Volumen von etwa 53 Milliarden Mark.

"In diesem dreidimensionalen Raum haben wir überprüft, wo die deutsche Compaq im Vergleich zu den anderen großen europäischen Märkten, also Großbritannien und Frankreich, steht", berichtet er. "Die Relation, wieviel ein Sales-Mann in den Markt verkauft, wollen wir nun verbessern. Der einzelne Verkäufer soll nach dem neuen Modell bei seinen Kunden mehr Umsatz machen, diese richtig entwickeln, am liebsten mit dem gesamten Produktsortiment, also die komplette Wertschöpfung von Service, Lösung und Produkt anbieten."

Laut Droste ist Compaq bei nahezu jedem Top-500-Unternehmen vertreten, aber oftmals nur mit einzelnen Produktgruppen wie mobilen Geräten oder Servern. Der Hersteller ist aber selten komplett vertreten. Deshalb hat Compaq analysiert, welches IT-Budget bei den Topkunden vorhanden ist.

"Bei unserem alten Go-to-Market haben wir über 600 Kunden adressiert", berichtet Droste. "Jetzt haben wir festgestellt, das rund 120 von diesen Topkunden über 86 Prozent unseres gesamten Geschäftes ausmachen. Diese Kunden bewegen sich in vertikalen Bereichen wie Telekommunikation, Finanzen, Manufaktur, Retail. Bei den anderen 500 Kunden geht auch der Channel sehr stark rein. Einige haben wir gleichzeitig zum Channel angesprochen und uns gegenseitig Konkurrenz gemacht."

Das soll jetzt alles anders werden. Deshalb konzentriert sich Compaq nun auf die 120 direkten Topkunden. Auf dieser Grundlage wurde auch genau überprüft, wie viele Mitarbeiter man sich im Vertrieb für diese Aufgabe leisten könne. Früher betreute ein Vertriebsmitarbeiter 20 bis 30 Kunden. Nach dem neuen Modell kann er sich auf maximal fünf Topkunden konzentrieren und ihnen das gesamte Compaq-Sortiment anbieten, einschließlich des Global Services. Ein global agierender Konzern wie etwa Daimler-Chrysler wird sogar von mehreren Mitarbeitern betreut. "Wir wollen auch, dass der Kunde uns Informationen gibt, die in unsere Entwicklung und Arbeitsleistung reinspielen können", stellt Droste die Idealsituation vor. "Deshalb wird sich auch unsere Company entwickeln. Denn wir sind keine Box-Moving-Company mehr."

Der Fachhandel wird für Compaq zum Sicherheitsnetz

Die restlichen 500 Kunden übergibt Compaq nun an die Partner. Sie werden aber dennoch vom Hersteller über Channel-Account-Manager, beispielsweise im Customer Care Center, betreut. Für den Kunden ändert sich laut Droste nur wenig, da sie den Sales-Manager nie gesehen haben und bei Problemen sowieso der Händler vor Ort gekommen ist. "Unser großer Vorteil: Wir haben ein sehr gut funktionierendes Händlernetz", versichert Droste. "Das deutsche Netz ist mit 70 Partnern das Stärkste in der ganzen Corporation. In Großbritannien haben wir fünf Partner, in Nordamerika sind es sogar nur vier. Durch unser Partnernetz können wir hier eine Vier-Milliarden-Mark-Company mit 2.000 Leuten betreiben." Nach seiner Aussage sind die Händler mit dieser Neuaufteilung sehr zufrieden.

Durch den dramatischen Preisverfall der Frontend-Geräte gibt es laut Droste keine ausreichende Marge mehr, um allein durch den Verkauf dieser Produkte überlebensfähig zu bleiben. Seit Jahren plädiert Michael Capellas, oberster Compaq-Chef, für die Dreiteilung des Unternehmens: Ein Drittel klassisches PC-Umfeld, ein Drittel Infrastruktur (Highend-Server) und ein Drittel Service. Die PC-Krise zwingt nun Compaq Deutschland, noch massiver auf diese neue Unternehmensstruktur hin zu arbeiten. Vor allem vom Service-Bereich verspricht man sich bei Compaq hohe Wachstumsraten. So soll sich nach internen Plänen das derzeitige Jahresvolumen von 350 Millionen Mark schon 2002 auf mehr als eine Milliarde Mark verdreifachen. Vor kurzem verschmolzen Customer- und Professional-Service zum Global-Service, der durch Shared-Service und eine Fluktuation von 30 Mitarbeitern auch schon sein Scherflein zu den Einsparungen geleistet hat.

Mit Service in die Gewinnzone

Zu dem Geschäftssegment Services gehört der laut Droste vielversprechende Bereich Outsourcing. Leiter des Bereichs Business Operations Professional Services ist Markus Feidicker. "Wir bieten unseren Kunden an, Teile ihrer IT oder den gesamten Bereich neu zu organisieren oder auch ganz für sie zu managen", erklärt Feidicker diese Dienstleistung. Viele Kunden, vor allem aus dem Mittelstand, wollen oder können sich gar nicht so intensiv mit ihrer IT beschäftigen, wie es notwendig ist. Sie konzentrieren sich lieber auf ihr Kerngeschäft. Laut Feidicker haben solche Outsourcing-Verträge oftmals mehrjährige Laufzeiten. Dadurch können die Kunden den Cost-of-Ownership für die IT auf ein Minimum senken und gleichzeitig die Sicherheit und Verfügbarkeit ihrer Daten erhöhen.

So kommt es wohl sicher auch zu Synergie-Effekten durch die Storage-Angebote von Compaq. In diesem Zusammenhang fallen auch neue Schlagworte wie Infrastruc-ture-on-Demand oder Utility-Service. Der Kunden kauft quasi ITLösungen, Server-Leistung und Storage-Möglichkeiten und zahlt nur das, was er tatsächlich nutzt. Compaq ist nach Aussage von Feidicker in diesem Segment sehr gut aufgestellt.

Bei Bedarf werden ebenfalls Lösungspartner eingebunden, vor allem dann, wenn die Kundenanforderung außerhalb der Compaq-Kompetenz liegt. Compaq tritt aber auf jeden Fall als General-Unternehmer auf.

www.compaq.de

ComputerPartner-Meinung:

Compaq meint es ernst: Entlassungen, Einsparungen und massiver Ausbau margenträchtiger Geschäftssegmente sollen das Unternehmen wieder in die ruhi-gen Fahrwasser der satten Gewinne bringen. Dem Handelspartner kann es nur recht sein, wenn seine Kompentenz verstärkt benötigt wird, Kundennachfragen nach komplexen IT-Lösungen zu befriedigen. (go)

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