Datura-Betriebsvergleich: Privatkunden als Verlustbringer

28.06.1996
FRECHEN: Im letzten Jahr führte die Einkaufskooperation Datura AG zusammen mit dem Kölner Institut für Handelforschung einen breit angelegten Betriebsvergleich von IT-Händlern und handeltreibenden Dienstleistern durch. Die Ergebnisse faßt Datura-Chef Dr. Tilo Hildebrandt exklusiv für ComputerPartner im folgenden Beitrag zusammen.Bei den großen Ladenketten steht es schon in der Bilanz und führt zu Krisensitzungen, Management-Replacement, Fusionen oder noch Schlimmerem: Verkäufe an Privatkunden rentieren sich nicht. Die neuesten Dataquest-Studien deuten sogar auf einen Abwärtstrend beim Umsatz hin. Wer als Retailer mit einem Fuß am Abgrund stand, dem gibt der Markt jetzt den entscheidenden Stoß. Diese Prognose ist nicht schwer, denn sie hat einen einfachen betriebswirtschaftlichen Hintergrund.

FRECHEN: Im letzten Jahr führte die Einkaufskooperation Datura AG zusammen mit dem Kölner Institut für Handelforschung einen breit angelegten Betriebsvergleich von IT-Händlern und handeltreibenden Dienstleistern durch. Die Ergebnisse faßt Datura-Chef Dr. Tilo Hildebrandt exklusiv für ComputerPartner im folgenden Beitrag zusammen.Bei den großen Ladenketten steht es schon in der Bilanz und führt zu Krisensitzungen, Management-Replacement, Fusionen oder noch Schlimmerem: Verkäufe an Privatkunden rentieren sich nicht. Die neuesten Dataquest-Studien deuten sogar auf einen Abwärtstrend beim Umsatz hin. Wer als Retailer mit einem Fuß am Abgrund stand, dem gibt der Markt jetzt den entscheidenden Stoß. Diese Prognose ist nicht schwer, denn sie hat einen einfachen betriebswirtschaftlichen Hintergrund.

Der Barverkauf an Private mit langem Zahlungsziel beim Lieferanten hat in der Vergangenheit die Liquidität geschaffen, mit der Ertragsmängel kaschiert werden konnten. Die Umsätze wurden mit Kampfpreisen ohne Gewinnanteil aufgepumpt. Trotzdem entstand kein Liquiditätsengpaß, solange die kumulierten Verluste nicht größer als die Verbindlichkeiten wurden. Bei rückläufigen Umsätzen und damit verbundenem Abbau des Liquiditätspolsters geht die Schere aber zu, das heißt die Ertragsvernichtung frißt die Lieferantenkredite.

Wohl dem, der an diesem Geschäftszweig mit Privatabnehmern nicht beteiligt ist und im Laufe der nächsten Monate den Kelch an sich vorbei gehen sieht. Er hüte sich jedoch vor Schadenfreude, denn indirekt strahlt das Unglück der Einzelnen auf die gesamte Branche aus. Wenn die Dataquest-Vorhersagen zutreffen, und der Umsatz mit professionellen Nutzern steigt, sind Systemhäuser und Fachhändler mit gewerblichen Endkunden in der nächsten Zeit besser dran.

Geldbeschaffung verhindert Geldverdienen

Doch Vorsicht: Systemhäuser sind in der Regel sowohl von Lieferantenkrediten abhängig als auch von Banken. Beide finanzieren deren Kundenforderungen und das Lager. Wenn große und bekannte Retailer wackeln, werden die Banken und die Kreditversicherer nervös. Verunsicherte Banken stellen ganz unangenehme Forderungen nach mehr Sicherheiten oder nach einer Rückführung eingeräumter Linien. Manch einer kommt dann vor lauter Geldbeschaffung nicht mehr zum Geldverdienen.

Die Datura bringt diese Zusammenhänge in ihren Betriebsvergleichen ins Bewußtsein. Die Kooperation hat gemeinsam mit dem Institut für Handelsforschung einen Fragebogen erarbeitet und die Antworten ausgewertet. Auf dieser Basis werden Empfehlungen gegeben. Sie bilden die Grundlage für strategische Überlegungen der angeschlossenen Partner, denn nur wer seine Position kennt, kann den rechten Kurs bestimmen.

Ein signifikantes Ergebnis ist der Zusammenhang zwischen Privatkundengeschäft und Rentabilität der Unternehmen. Keinem der Betriebe, die mehr als 20 Prozent ihres Umsatzes mit Privatkunden tätigen, ist es gelungen, das Jahr 1994 mit einem Gewinn abzuschließen. Leider ist die Meidung der Konsumenten keine Überlebensgarantie. Bei Betrieben, die weniger als zehn Prozent ihres Umsatzes mit Privaten abwickeln, hielt sich die Zahl der Unternehmen mit Gewinn beziehungsweise Verlust in etwa die Waage.

Ergebnisse der Auswertung

Von einigen Sonderentwicklungen bei kleineren Unternehmen abgesehen, erzielen die Unternehmen mit einem Dienstleistungsanteil von 18 bis 30 Prozent ein gutes Betriebsergebnis. Von diesen schneiden die größeren Systemhäuser wiederum besser ab. Sie haben es offenbar geschafft, ihre eigenen Dienstleistungen professionell zu vermarkten und in Gewinn umzusetzen.

Wie wird die Branche im Vergleich zu anderen mit den kaufmännischen Herausforderungen fertig wie zum Beispiel Lager- und Forderungsfinanzierung und Kostendruck?

Zunächst sei einmal festgehalten, daß die Computerbranche sich von anderen Handelszweigen kaum unterscheidet. Der Mythos ist verflogen. Die Kostenstruktur ähnelt der des Gesamthandels. Die Personalkosten entsprechen mit 13,4 Prozent vom Umsatz denen der anderen Handelsbereiche (13,6 Prozent). Gleiches gilt in etwa für alle anderen Kostenarten. Eines stimmt jedoch nachdenklich: Während in anderen Branchen im Durchschnitt ein Unternehmerlohn von 3,9 Prozent vom Umsatz mit Spitzenwerten von 10 und mehr Prozent erwirtschaftet wird, steht der selbständige Computerhändler mit mageren 1,5 Prozent Ertrag für sein unternehmerisches Engagement relativ bescheiden da.

Einen traurigen Rekord hält die Branche bei den Außenständen. Der gesamte Handel hat nur 1,9 Prozent seines Umsatzes in Forderungen gebunden, mit Spitzenwerten in der Medizintechnik (8,7 Prozent) und dem Baubedarf (9,3 Prozent). Die Computerbranche leistet sich Außenstände in Höhe von kaum glaublichen 11,1 Prozent des Umsatzes. Kein Wunder, daß der Unternehmer seinem Banker den roten Teppich ausrollt, und seine Lieferanten die Skonti streichen, da sie doch kaum in Anspruch genommen werden.

Auf der Aktivseite der Bilanz steht aber noch ein weiterer Quälposten, nämlich das Lager. Es ist kaum vorstellbar, mit einer so hohen Kapitalbindung in den Forderungen auch noch ein großes Lager zu finanzieren, um für seine Kunden eine hohe Verfügbarkeit zu sichern. Genau das bestätigt sich in den Auswertungen. Die Umschlagsgeschwindigkeit des Lagers liegt in der Computerbranche bei durchschnittlich 12,7mal pro Jahr und wird damit im Vergleich zu anderen Branchen nur noch vom Lebensmittel- und Blumenhandel übertroffen.

Damit werden die Vorurteile bestätigt, wonach ein Computer etwa die Halbwertszeit einer Banane hat und fast genauso schnell zu Geld gemacht werden muß wie ein Strauß Tulpen. Die Betonung liegt bei diesem Vergleich auf der Empfehlung "zu Geld machen". Dies ist offenbar in der Computerbranche nicht möglich, denn das Systemhaus mutiert seine Ware nur zu Forderungen an seine Kunden - wenn es erfolgreich sein will. Tauscht der Händler Ware gegen Geld beim Barverkauf an Private, so ist er - siehe oben - fatalerweise erfolglos.

Strategische Konsequenzen

Zusammengefaßt läßt sich folgende Strategie für einen erfolgreichen Fachhändler aus dem Betriebsvergleich der Datura und des IfH herauslesen:

- Kein Verkauf an Privatpersonen.

- Konzentration auf Dienstleistungen garantiert nicht den Erfolg, erhöht jedoch die Chancen.

- Reduktion der Forderungen an gewerbliche Endkunden.

- Das Warenhandling optimieren, um vor allem eigene Dienstleistungen zu verkaufen.

Bei alledem ist das Unternehmertum in der Computerbranche betriebswirtschaftlich betrachtet keine Sackgasse. Die Handelsspanne liegt mit 34,2 Prozent nur ganz knapp unter dem Durchschnitt (35,2 Prozent) des gesamten Fachhandels (ohne Lebensmittel). Nach unten ist durchaus noch Platz für ein weiteres Absinken des Rohertrages und weitere Kostensenkungen. Die Kaufmannstätigkeit mit der Ware "Computer" ist nichts Mystisches oder Kreatives oder eine

Oase für ausgeschiedene Einzelgänger. Sie erfordert eine klare Marktorganisation, ein Gleichgewicht der Kräfte zwischen Herstellern, Distributoren, Finanzinstituten, Handelsorganisationen und Nachfragern.

Chancengleichheit im Spiel der Marktkräfte erzielt der Fachhändler nur in einer Gemeinschaft. Diese Lektion muß der Computerhandel lernen, denn hier unterscheidet er sich noch immer von den "reiferen" Handelsbranchen. Während alle anderen Fachhändler zu mehr als 90 Prozent ihre Interessen in Kooperationen zusammenfassen, ist die junge Computerbranche noch nicht zu zehn Prozent organisiert. Nicht zuletzt an einer Aktion wie dem Datura-Betriebsvergleich kann man die Vorteile der Gemeinschaft für die beteiligten Unternehmen ablesen: Bestimmung der Marktposition, Aufbau einer Zukunftsstrategie und konzentriertes Handeln mit Unterstützung der Gemeinschaft steigern die Erfolgschancen des Unternehmers.

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